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                            Dokument-Nr. 5319
                         
                        
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                        Euere Exzellenz,
wollen gütigst von nachstehenden Verleumdungen und Intriguen der aus Posen und Warschau in das Abstimmungsgebiet eingewanderten polnischen Agitatoren Kenntnis nehmen.
Die Allensteiner polnische Zeitung (Gazeta Olsztyńska) berichtet in Nr. 40 vom 3. März [sic]: "Von glaubwürdiger Seite erfahren wir, dass das ermländische Abstimmungsgebiet in nächster Zeit der Macht des ermländischen Bischofs in Frauenburg entzogen und der Macht des Päpstlichen Nuntius in Warschau unterstellt werden wird." – In Nr. 41 derselben Zeitung vom 1. April ist zu lesen: "Oberschlesische Zeitungen berichten, dass die geistliche Fürsorge über die Katholiken im oberschlesischen Abstimmungsbezirk (ähnlich wie in Ermland) für die Zeit bis zur Abstimmung der Apostolische Stuhl dem Warschauer Nuntius Erzbischof Ratti anvertraut hat. Die Regierungskommission in Oppeln erwartet seine Ankunft in Oberschlesien in nächster Zeit. Diese Nachricht rief in der oberschlesischen Bevölkerung lebhafte Befriedigung hervor, da auf diese Weise das Abstimmungsgebiet dem Einfluss des Breslauer Konsistoriums entzogen wird." – Schon in Nr. 39 vom 27. März stand in der Gaz. Olsz. ein Bericht über Anträge des polnischen Abgeordneten Ludwiczak im Reichstag zu Warschau. In ihm heißt es unter anderem: "Der Abgeordnete Ludwiczak begründete seinen eiligen Antrag und berührte die Tatsache, dass der ermländische Bischof in einem Privatbriefe den polnischen Priestern,
Euere Exzellenz wollen gütigst mich gegen dergleichen böswilligen Verleumdungen, wenn sie etwa beim Apostolischen Stuhl gegen mich und die Verwaltung der Diözese lügnerisch von polnischen Gesandten oder anderen vorgetragen werden sollten, in Schutz nehmen und, wenn es gut scheint, den Herrn Kardinalstaatssekretär über die Verhältnisse in Ermland unterrichten, damit nicht etwa Anordnungen getroffen werden, welche der Kirche zum Schaden gereichen. Die preußische Regierung ist bereits auf die wiederholten Notizen in den polnischen Zeitungen über die angedrohte Entziehung der Jurisdiktion der preußischen Bischöfe des Abstimmungsbezirkes und Übertragung derselben an den Nuntius in Warschau aufmerksam geworden und wird sicher durch den Gesandten beim Vatikan Einspruch erheben.
Euere Exzellenz wollen nachsichtig entschuldigen, dass ich mit diesen unerquicklichen Angelegenheiten Sie belästigt habe, ich hielt es aber für nötig um vielleicht größerem durch polnische Umtriebe
Mit dem Ausdruck meiner großen Verehrung und Wertschätzung bin ich
in Ergebenheit
Euerer Exzellenz
Diener in Christo
(gez.) Dr. Augustinus Bludau
Bischof von Ermland. 
                        
                             
                        Online seit 14.01.2013, letzte Änderung am 01.09.2016. 
                    
    Dokument-Nr. 5319
Bludau, Augustinus an Pacelli, Eugenio
 an Pacelli, Eugenio
Frauenburg, 02. April 1920
                        wollen gütigst von nachstehenden Verleumdungen und Intriguen der aus Posen und Warschau in das Abstimmungsgebiet eingewanderten polnischen Agitatoren Kenntnis nehmen.
Die Allensteiner polnische Zeitung (Gazeta Olsztyńska) berichtet in Nr. 40 vom 3. März [sic]: "Von glaubwürdiger Seite erfahren wir, dass das ermländische Abstimmungsgebiet in nächster Zeit der Macht des ermländischen Bischofs in Frauenburg entzogen und der Macht des Päpstlichen Nuntius in Warschau unterstellt werden wird." – In Nr. 41 derselben Zeitung vom 1. April ist zu lesen: "Oberschlesische Zeitungen berichten, dass die geistliche Fürsorge über die Katholiken im oberschlesischen Abstimmungsbezirk (ähnlich wie in Ermland) für die Zeit bis zur Abstimmung der Apostolische Stuhl dem Warschauer Nuntius Erzbischof Ratti anvertraut hat. Die Regierungskommission in Oppeln erwartet seine Ankunft in Oberschlesien in nächster Zeit. Diese Nachricht rief in der oberschlesischen Bevölkerung lebhafte Befriedigung hervor, da auf diese Weise das Abstimmungsgebiet dem Einfluss des Breslauer Konsistoriums entzogen wird." – Schon in Nr. 39 vom 27. März stand in der Gaz. Olsz. ein Bericht über Anträge des polnischen Abgeordneten Ludwiczak im Reichstag zu Warschau. In ihm heißt es unter anderem: "Der Abgeordnete Ludwiczak begründete seinen eiligen Antrag und berührte die Tatsache, dass der ermländische Bischof in einem Privatbriefe den polnischen Priestern,
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 welche sich mit den Kinderhorden beschäftigen, drohte, dass
        er sie versetzen werde (Was sagt Rom dazu?). Es ist doch Tatsache, dass deutsche Priester
        öffentlich an den politischen Kämpfen Anteil nehmen. Die polnische Regierung muss
        schleunigst die Intervention des päpstlichen Nuntius Ratti herbeiführen, damit das polnische
        Volk hier objektiv behandelt werde." – Es liegt System in diesen Verleumdungen. Ich habe
        niemals, weder öffentlich noch privatim, weder mündlich noch schriftlich, polnischen
        Priestern die Bemühungen um Kinderhorde untersagt. Ich weiß gar nicht einmal, dass solche in
        dem polnischen Teil der Diözese gegründet oder eingerichtet worden sind. Ich habe den
        polnischen Priestern in gleicher Weise wie den deutschen die Teilnahme an deutschen oder
        polnischen Vereinen freigestellt, ihnen stets empfohlen, in der jetzigen erregten Zeit stets
        Mäßigung, Würde und Besonnenheit zu zeigen, "ne vituperetur minsterium vestrum". Nur wenn
        die Seelsorge schaden litt oder das Vertrauen der Gemeinde zu ihrem Seelsorger in Gefahr war
        dahinzuschwinden, habe ich deutsche wie polnische Priester gemahnt und gewarnt, wie es meine
        Pflicht war. Die deutschen Priester halten sich auch von jeder Agitation fern, was leider
        bei den polnischen nicht der Fall ist. In einem Falle nur bin ich gegen einen jungen
        polnischen Kaplan eingeschritten und habe ihn versetzt, weil in der Gemeinde gegen ihn eine
        sehr berechtigte Erregung entstanden war. Der polnische Generalkonsul in Allenstein, ein
        Apotheker aus Posen, der sich fälschlich in seinem Schreiben sogar den Titel "Polnischer
        Delegat bei der Internationalen Kommission des Abstimmungsgebietes" angemaßt hat,
        erdreistete sich, mir Vorhaltungen deswegen zu machen. Ich füge Euerer Exzellenz eine
        Abschrift seines Briefes (I) und meiner Antwort an die Kommission (II) zur
        gefälligen Kenntnisnahme bei. 57r
 Aus beigefügter
        Zeitung (III) werden Euere Exzellenz zugleich ersehen, wie ungebührlich das Betragen
        des Kaplans, den ich aus der Gemeinde entfernen musste, gewesen ist. Geradezu lächerlich ist
        die Verleumdung, ich hätte in dem diesjährigen Fastenhirtenschreiben, das über Erziehung und
        christliche Schule handelt (IV), einseitig Partei gegen die Polen genommen. Die
        polnische Bevölkerung der Diözese ist ruhig und besonnen, aufgeregt und aufgehetzt wird sie
        nur durch die fremden Agitatoren, unter denen sich leider auch polnische Priester aus dem
        polnischen Staate befinden. Sie haben es gar nicht für nötig erachtet, sich mir vorzustellen
        oder ihre Litterae einzureichen. Den Geistlichen Ludwiczak aus Warschau charakterisiert
        beifolgender Ausschnitt aus der Allensteiner kath. Volkszeitung(V).Euere Exzellenz wollen gütigst mich gegen dergleichen böswilligen Verleumdungen, wenn sie etwa beim Apostolischen Stuhl gegen mich und die Verwaltung der Diözese lügnerisch von polnischen Gesandten oder anderen vorgetragen werden sollten, in Schutz nehmen und, wenn es gut scheint, den Herrn Kardinalstaatssekretär über die Verhältnisse in Ermland unterrichten, damit nicht etwa Anordnungen getroffen werden, welche der Kirche zum Schaden gereichen. Die preußische Regierung ist bereits auf die wiederholten Notizen in den polnischen Zeitungen über die angedrohte Entziehung der Jurisdiktion der preußischen Bischöfe des Abstimmungsbezirkes und Übertragung derselben an den Nuntius in Warschau aufmerksam geworden und wird sicher durch den Gesandten beim Vatikan Einspruch erheben.
Euere Exzellenz wollen nachsichtig entschuldigen, dass ich mit diesen unerquicklichen Angelegenheiten Sie belästigt habe, ich hielt es aber für nötig um vielleicht größerem durch polnische Umtriebe
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 herbeigeführtem Unheil vorzubeugen.Mit dem Ausdruck meiner großen Verehrung und Wertschätzung bin ich
in Ergebenheit
Euerer Exzellenz
Diener in Christo
(gez.) Dr. Augustinus Bludau
Bischof von Ermland.
