Dokument-Nr. 553
Pacelli, Eugenio an Boelitz, Otto
München, 30. Juni 1922
beehre ich mich fuer das gefl. Schreiben vom 26. April ds. Js. (G II Nr. 432.1) verbindlichen Dank auszusprechen. Ich habe mich beeilt, dasselbe sofort dem Heiligen Stuhl zu uebermitteln und die darin enthaltenen Wuensche und Auffassungen dem Urteil Seiner Heiligkeit zu unterbreiten.
Der Heilige Stuhl hat aufs eingehendste und im lebhaften Verlangen, moeglichst bald zu einer befriedigenden Einigung zu gelangen, Euerer Exzellenz geschaetztes Schreiben erwogen. Bevor Er indessen zu den darin enthaltenen Vorschlaegen definitive Entschliessungen fassen kann, moechte Er erst die Ansichten der Preussischen Staatsregierung zu den andern in der Denkschrift des Preussischen Episkopats vom 24. Januar lf. Js. namhaft gemachten, in dem obigen Schreiben vom 25. April aber noch nicht beruecksichtigten Verhandlungspunkten kennen lernen. Soweit es sich hierbei um Fragen handeln sollte, fuer die nach Massgabe der Reichsverfassung ausschliesslich das Reich zustaendig ist, waere der Heilige Stuhl gleichfalls fuer eine verbindliche Aeusserung der Preussischen Staatsregierung darueber dankbar, wie Sie sich zu diesen Fragen in Hinsicht auf ein mit der Reichsregierung abzuschliessendes Konkordat zu stellen beabsichtigt.
Euer Exzellenz haben zu Beginn des gfl. Schreibens vom 28. April der Befriedigung Ausdruck gegeben, dass der Preussischen Staatsregierung keine Stellungnahme zugegangen ist, wonach der Heilige Stuhl die dem frueheren Koenig gegebenen Bewilligungen als nicht mehr bestehend ansehe. Der Heilige Stuhl glaubt dem-
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gegenueber darauf hinweisen zu duerfen, dass von seiner
Seite auch keinerlei Auesserung oder Akt vorliegt, was als positive Anerkennung des
rechtlichen Weiterbestandes obiger Konzessionen gedeutet werden koennte. Anderseits haette
eine diesbezuegliche Erklaerung des Heiligen Stuhles nur theoretische Bedeutung gehabt, da
Verhandlungen zwecks neuer Abmachungen im Gange sind. Alles in Betracht gezogen, ist die
praktische und fuer Deutschland und seine Laender sehr wichtige Folgerung die, mit
moeglichster Beschleunigung neue Konventionen mit dem Heiligen Stuhl zu schliessen, welche
alle theoretische Eroerterung ausschliessen und die kirchlich-staatlichen Verhaeltnisse in
gegenseitigem Einvernehmen neugestalten zum Wohl nicht nur des katholischen Volksteiles,
sondern des gesamten deutschen Volkes. Genehmigen Euer Exzellenz bei dieser Gelegenheit den Ausdruck ausgezeichnetster Hochschaetzung, womit ich die Ehre habe zu zeichnen als
Euer Exzellenz
ergebenster