Dokument-Nr. 5943
Bludau, Augustinus an Interalliierte Kommission für das Abstimmungsgebiet in Ostpreußen in Allenstein
Frauenburg, 17. März 1920
1.) Es ist unwahr, dass ich Briefe an die Geistlichen gerichtet habe, die auf amtlichen Versammlungen derselben vorgelesen werden sollten und ihnen empfahlen, auf das Volk Einfluss zum Verbleiben bei Deutschland auszuüben. Im Gegenteil habe ich mich jeder Parteinahme enthalten, sodass ich in Königsberger Zeitungen bereits als Förderer des Polentums denunziert wurde.
2.) Wenn die deutsch sprechenden Geistlichen ebenso wie polnisch sprechenden an
politischen Parteiversammlungen sich beteiligen, gebrauchen sie dabei nur ihre staatsbürgerlichen Rechte.
3.) Auch einem Bevollmächtigten der internationalen Abstimmungskommission kann ich einen Einfluss auf Versetzungen von Kaplänen nicht gestatten. Der Bericht der Hartungschen Zeitung vom 2. März (Anl. 2) über das Benehmen des betreffenden Kaplans, dem bis jetzt von ihm in der Öffentlichkeit nicht widersprochen wurde, dürfte vielleicht eini-
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gen Aufschluss über die Gründe, welche für eine Versetzung in Frage kamen, geben.4.) Nur ein Übelwollender oder Jemand, der ohne Verständnis den diesjährigen Fastenhirtenbrief über christliche Kindererziehung gelesen hat, kann in ihm eine einseitige Parteinahme für die deutsche Volksgemeinschaft finden. Wenn in der Einleitung in sehr wenigen Worten der Befürchtung Ausdruck gegeben wird, dass durch die Friedensbedingungen Heimat und Diözese mit Zerstückelung bedroht werden – eine Tatsache, die kein Pole verleugnen kann –,wird jeder Einsichtige es selbst einem polnisch gesinnten Bischof nachempfinden können, wie schmerzlich es für ihn sein muss, zu sehen, wie ein Teil seiner Diözese zum Freistaat Danzig, ein anderer zum Memelgau kommt, ein weiterer bei Preußen verbleibt, ein anderer wieder Polen angegliedert werden soll.
5.) Über den christlichen Geist in den katholischen Schulen und katholischen Lehrern der Diözese zu urteilen, ist der Briefschreiber nicht kompetent.
6.) Die politische Haltung der Lehrer zu beeinflussen ist der Bischof außerstande, da sie ihm nicht unterstehen. Wenn hierüber Beschwerden zu führen sind, mögen sie an der zuständigen Stelle vorgebracht werden.
Wenn ich das anmaßende Schreiben des Herrn Generalkonsuls der polnischen Republik nicht der breiten Öffentlichkeit übergebe, so tue ich es, um nicht den Kampf der Parteien zu verschärfen und zu verbittern und nicht eine neue Erregung in die katholische Bevölkerung des Abstimmungsbezirkes hineinzutragen, die es nicht ruhig hinnehmen würde, dass der Diözesanbischof in dergleichen Schreiben verdächtigt und beleidigt wird. Ich bin nicht gewöhnt, als katholischer Bischof von amtlicher Stelle solche Briefe beleidigenden Inhalts zu erhalten, und ich muss es der Hohen Kommission überlassen, ob sie den Herrn Briefschreiber veranlassen will, sich wegen seines arroganten Schreibens zu entschuldigen. Bis dahin werde ich mit ihm in
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keinem brieflichen Verkehr treten. Auch bitte ich, den Herrn polnischen Bevollmächtigten anzuweisen, in Zukunft dem Geschäftsgang der Behörden gemäß etwaige Beschwerden über mich der Hohen Kommission, deren Mitglied er zu sein scheint, gefälligst zu übermitteln; ich werde dann gerne zu Rede und Antwort bereit sein.gez. + Augustinus Bludau.