Dokument-Nr. 6542

Ein polnischer Agitator im geistlichen Gewand, in: Königsberger Tageblatt Volksblatt für Ostpreußen, Nr. 53, S. 2, 03. März 1920
Ein polnischer Agitator im geistlichen Gewand. Die Ententekommission in Allenstein soll wiederholt ihre Verwunderung darüber Ausdruck gegeben haben, daß man in den Städten des ostpreußischen Abstimmungsgebietes, welches die Polen für sich beanspruchen, nur deutsch sprechen hört. Die Herren würden sich aber noch mehr über die polnischen Ansprüche wundern , wenn sie wüßten, daß auch die Ermländer und Masuren , die sich der ererbten polnischen oder masurischen Mundart bedienen, fast ausschließlich eun treudeutsches Herz in der Brust tragen. Heute mehr als je wird der Abstimmungszwang von der Bevölkerung des Ermlandes und Masurens als eine Beleidigung, als unverdiente Strafe gewertet. Die Vorgänge in Soldau haben auch vielen eingewanderten Polen und den wenigen von bezahlten polnischen Agitatoren betörten Ermländern polnischer Mundart, die früher noch zu Polen neigten, die Augen geöffnet. Die Stimmung im ostpreußischen Abstimmungsgebiet ist heute deutschfreundlicher als je.
Um so mehr muß es auffallen, daß man im Abstimmungsgebiet noch immer vereinzelte Geistliche findet, die in skrupelloser Weise für Polen Stimmung zu machen suchen. Eine solche eigenartige politische Blüte ist z. B. der kürzlich von Königsberg nach Bischofsburg versetzte Kaplan M o - n d r y. Erst Kürzlich hat Herr Mondry eine Polenversammlung in Bischofsburg geleitet und den in vereinzelten Landorten der Bischofsburger Gegend gegründeten Polenvereinen seine Grüße übersandt mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß es ihm nicht möglich sei, diesesmal an den Vereinsversammlungen teilnehmen zu können. Eine tiefgehende Erregung hat sich gerade der gläubigen katholischen Bevölkerung Bischofsburgs über folgenden Vorfall bemächtigt. In einer festlichen Veranstaltung des katholischen Cäcilienvereins, an der auch Kaplan Modry teilnahm, erschienen plötzlich als ungeladene Gäste zwei polnische Bauern, die polnische „Kluftmütze" herausfordernd auf den Köpfen. Sie führten mit Kaplan Mondry eine laute Unterhaltung in polnischer Sprache und ließen sich auch durch die Mahnung des Vereinsvorsitzenden, wenigsten im Festsaale die Kopfbedeckungen abzunehmen, nicht in ihrem Beginnen, das Fest zu stören, beirren, im Gegenteil, Kaplan Mondry und die beiden Eindringlinge erhoben ihre Gläser und brachten ein Hoch auf Polen und Warschau. Die Mitglieder des Cäcilienvereins beantworteten diese Herausforderungen mit dem Absingen vaterländischer Lieder und nahmen eine drohende Stellung gegen die polnischen Herausforderer ein. Nunmehr hielten die Herren denn doch einen schleunigen Rückzug für ratsam. Herr Kaplan Mondry glaubte aber seinem mutigen Polenherzen noch dadurch Luft machen zu müssen, daß er sich in der Ausgangstür noch einmal umwandte, um den zurückbleibenden Vereinsdamen nach Art ungezogener Gassenbuben die Zunge zu zeigen. Ein Bild für die Götter: Ein katholischer Geistlicher im Rahmen der Flügeltür mit langgestreckter Zunge! Ob solch ein Bild aber wohl geeignet ist, das durch Krieg und Revolution erschütterte religiöse Empfinden zu stärken und die Achtung vor der Kirche und dem geistlichen Gewand zu heben und zu retten?
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 03. März 1920, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 6542, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/6542. Letzter Zugriff am: 27.12.2024.
Online seit 14.01.2013, letzte Änderung am 01.09.2016.