Dokument-Nr. 703
[Cramer-Klett, Theodor Freiherr von] an [Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Hugo Graf
von]
[Ohne Ort], 13. Dezember 1918
Antwortlich des Circulars, welches mir zugekommen ist, gestatte ich mir Ihnen mitzuteilen, dass ich auf das genannte Conto in den nächsten Tagen die Summe von M … einzahlen werde. Nach dem Schema, welches beigelegt war, träfe rund ein Viertel dieser Summe als Abgabe auf meinen Besitz. Ich behalte mir vor, wenn möglich, für die Volkspartei eine weitere Zuwendung zu machen und behalte mir aber auch den Weg vor, wie ich diese Zuweisung zu machen gedenke. Der Volkspartei selbst möchte ich nicht direkt beitreten, doch sage ich für die jetzigen Wahlen meine Stimme und die meiner Frau zu.
Meine Gründe für meinen Nichtbeitritt sind folgende: Wenngleich die bayrische Volkspartei in ihrem Programm für die konfessionelle Schule eintritt, so ist doch der ganze übrige Teil desselben interkonfessionell und farblos gehalten. Es können also Lagen eintreten, in denen die Volkspartei aus Rücksicht für eine gro ß e Zahl nichtkatholischer Wähler katholische Interessen opfern muss. Einer solchen
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Partei kann ich nicht beitreten, da der
Segen Gottes in der Zukunft nicht auf ihr ruhen kann. Ich erkenne hieran den Hauch des
Modernismus, der eine größere Gefahr ist, als der Sozialismus, weil er wie ein Wolf im
Schafspelz in der eigenen Hürde [sic] wütet. Ich bin überzeugt, dass die leitenden
Persönlichkeiten der Volkspartei sich selbst nicht bewusst sind, auf welch' gefährlichem
Pfade sie sich befinden. Wenn ich jetzt im Sinne des Aufrufes an jener Arbeit mitarbeite, so
geschieht das im Hinblick auf die gemeinsame Gefahr, die dem gesamten bürgerlichen
Deutschland und Bayern droht, wenngleich ich durchaus nicht alle Ideen der Gegner verwerfe.
Ich tue dies im Hinblick auf die weisen Befehle Leos XIII. gegenüber den französischen
Katholiken in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, deren Nichtbefolgung so schwere
Schäden mit sich brachte. Nur vollkommene Einigkeit der Ordnungspartei kann retten, was zu
retten ist. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, dies alles zu erklären und meine
Reservatio zu machen, um mich nicht für spätere Zeiten zu präjudizieren.Mit Freuden…