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                            Henle, Antonius von
                         
                        
                        Da zur Zeit die politischen Zustände in Bayern noch ganz im Unklaren sind, erscheint es
        mir ausgeschlossen, dass der Apostolische Stuhl seine dem Staate Bayern
        (Konkordat-Staatsgesetz Art. XVIII Abs. 1) gewährten Privilegien sofort
        zurückziehen und schlankweg das Konkordat auflösen wird. "Eine Auflösung des Konkordats kann
        formell rechtlich durch Kündigung seitens eines Teiles nur erfolgen, wenn dies ausdrücklich
        in den Vertragsbedingungen vorgesehen ist" (Staatslexikon 3. Aufl. III, 411). Das
        bayerische Konkordat sieht in Art. XVIII Abs. 2 nur eine Änderung des Konkordats,
        aber keine Auflösung, auf dem Wege gütlichen Ausgleichs vor. Ich weiss in der Geschichte
        überhaupt keinen Fall, wo die Initiative zur Auflösung von Konkordatsverträgen von Rom
        ausgegangen wären. Das ideale Moment der Concordia schlug immer wieder alle Bedenken nieder,
        und so ließ Rom stets die Sache an sich herankommen. Das Gleiche wird wohl auch gegenüber
        den neuen Freistaaten und so auch gegenüber Bayern der Fall sein. Nur kommt hier noch der
        erschwerende Umstand hinzu, dass an der Spitze der Staatsregierung ein Präsident
        israelitischen Bekenntnisses, wenigstens noch jetzt, steht, dem zuliebe der Apostolische
        Stuhl  
                        
                             
                        Online seit 02.03.2011. 
                    
    Dokument-Nr. 7155
Henle, Antonius von : Gutachten Seiner Excellenz des H. H. Bischofs von Regensburg, vor dem 28. November 1918
: Gutachten Seiner Excellenz des H. H. Bischofs von Regensburg, vor dem 28. November 1918
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 seinen Rechtsgrundsatz: Jus patronatus personale
        transmitti valide nequit ad infideles (can. 1453 § 1) sicher nicht einmal
        dissimulieren wird. Man kann auch nicht den Ausweg nehmen und etwa das Gesamtministerium als
        Träger der Staatsgewalt unterschieben, denn das Ministerium ist keine Korporation und darum
        auch keine juristische Person. Und selbst wenn das Ministerium eines Volksstaates Bayern
        Träger der Landeshoheit würde, könnte von einem landesherrlichen Präsentationsrecht keine
        Rede sein, da dasselbe nicht ein Ausfluss der Landeshoheit ist. Gegen diese Auffassung hat
        der Apostolische Stuhl entschieden Stellung genommen (Sägmüller, Kirchenrecht
        3. Aufl. I, 368). Auch wenn man das Präsentationsrecht getrennt vom
        Patronatsrecht denkt, ein Fall, der bei einzelnen Konventualkirchen vorkommt, und den
        vielleicht can. 1452 bezüglich Gemeindepräsentationen im Auge hat, fehlt dem
        Ministerium des Volksstaates jegliche Legimitation. Es wird daher nichts anderes übrig
        bleiben, als einstweilen die definitive Besetzung der Pfarreien bzw. Pfründen jeder Art
        auszusetzen und sich mit dem Provisorium zu begnügen. Ein Provisorium ist ja auch die
        gegenwärtige Regierung. Sollte ich mit meiner Meinung vielleicht allein stehen, so möchte
        ich gleichwohl bitten, diese meine eventuelle Sondermeinung Sr. Excellenz dem
        H. H. Nuntius gefälligst unterbreiten zu wollen.
    