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                            Dokument-Nr. 7731
                         
                        
                        Hochwürdigster Herr Kardinal!
Euer Eminenz möchte ich ehrerbietig folgendes unterbreiten: Hier in Berlin erscheint jede Woche ein Kirchenblatt, welches der katholische Priester Herr Dr. Carl Sonnenschein im Auftrage der Fürstbischöflichen Delegatur für die Mark Brandenburg und Pommern herausgibt. Herr Dr. Sonnenschein hat in Artikeln, die regelmäßig unter der Rubrik "Notizen" erscheinen, des öfteren Ansichten vertreten, an denen die Sozialisten wohl Freude hatten, die mir aber und vielen katholischen Arbeitern Berlins als im Widerspruch mit den Lehren der Päpste erscheinen. Wir haben dieserhalb mit den Sozialisten in den Großbetrieben manchen schweren Kampf gehabt. In der Nummer vom 6. Mai d. J., von der ich ein Exemplar beifüge, brachte Herr Dr. Sonnenschein wiederum einen Artikel unter der Überschrift "Distinguo". Ich und andere katholische Arbeiter wandten uns an die Leitung des Verbandes katholischer Arbeitervereine, Sitz Berlin, mit dem Ersuchen, zu diesem Artikel im Verbandsorgan Stellung zu nehmen.
Wir katholischen Arbeiter in Berlin befinden uns in einer schwierigen Lage. Wir sind ständig in den Großbetrieben der Agitation der Sozialisten, die uns an Zahl hundertfach überlegen sind, ausgesetzt. Die meisten unserer katholischen Arbeitskollegen sind längst der Agitation der Sozialisten zum Opfer gefallen. Wenn nun noch sogar ein katholisches Kirchenblatt Lobsprüche für die Sozialisten bringt, wie es in dem Artikel "Distinguo" der Fall ist, dann wird dadurch die Widerstandskraft der wenigen noch treuen katholischen Arbeiter geschwächt, und es droht die Gefahr, daß auch noch die letzten der sozialistischen Verführung unterliegen.
In tiefster Ehrerbietung
Euer Eminenz
gehorsamster
M. Schmitz
Vizepräses des kath. Arbeitervereins
St. Joseph - Berlin-Moabit
Alt-Moabit 133. 
                        
                             
                        
                             
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    Dokument-Nr. 7731
Schmitz, M. an Merry del Val, Raffaele
 an Merry del Val, Raffaele
Berlin, 07. Oktober 1928
                        Euer Eminenz möchte ich ehrerbietig folgendes unterbreiten: Hier in Berlin erscheint jede Woche ein Kirchenblatt, welches der katholische Priester Herr Dr. Carl Sonnenschein im Auftrage der Fürstbischöflichen Delegatur für die Mark Brandenburg und Pommern herausgibt. Herr Dr. Sonnenschein hat in Artikeln, die regelmäßig unter der Rubrik "Notizen" erscheinen, des öfteren Ansichten vertreten, an denen die Sozialisten wohl Freude hatten, die mir aber und vielen katholischen Arbeitern Berlins als im Widerspruch mit den Lehren der Päpste erscheinen. Wir haben dieserhalb mit den Sozialisten in den Großbetrieben manchen schweren Kampf gehabt. In der Nummer vom 6. Mai d. J., von der ich ein Exemplar beifüge, brachte Herr Dr. Sonnenschein wiederum einen Artikel unter der Überschrift "Distinguo". Ich und andere katholische Arbeiter wandten uns an die Leitung des Verbandes katholischer Arbeitervereine, Sitz Berlin, mit dem Ersuchen, zu diesem Artikel im Verbandsorgan Stellung zu nehmen.
2bisr
"Der Arbeiter", das Organ des Verbandes, kam
        dieser Aufforderung nach in einem Artikel seiner Nummer 9 vom 13. Mai unter der Überschrift
        "Der Sozialismus ist der Feind". Darauf brachte Herr Dr. Sonnenschein in Nummer 22 des
        "Katholischen Kirchenblattes" die in Nummer 11 des "Arbeiter",1 von der ich ebenfalls ein Exemplar beifüge, abgedruckte
        Erklärung. Diese änderte indessen an der Stellung des Kirchenblattes zum Sozialismus nicht
        das geringste. Der Artikel "Distinguo" blieb nach wie vor für die katholischen Arbeiter ein
        schweres Ärgernis. Herr Dr. Sonnenschein war darauf noch besonders aufmerksam gemacht
        worden. Daß [sic] hinderte ihn indessen nicht, diesen Artikel später noch in einem Buche
        abzudrucken. Ich übersende Euer Eminenz davon zwei Exemplare. Der Artikel "Distinguo"
        befindet sich auf Seite 63.Wir katholischen Arbeiter in Berlin befinden uns in einer schwierigen Lage. Wir sind ständig in den Großbetrieben der Agitation der Sozialisten, die uns an Zahl hundertfach überlegen sind, ausgesetzt. Die meisten unserer katholischen Arbeitskollegen sind längst der Agitation der Sozialisten zum Opfer gefallen. Wenn nun noch sogar ein katholisches Kirchenblatt Lobsprüche für die Sozialisten bringt, wie es in dem Artikel "Distinguo" der Fall ist, dann wird dadurch die Widerstandskraft der wenigen noch treuen katholischen Arbeiter geschwächt, und es droht die Gefahr, daß auch noch die letzten der sozialistischen Verführung unterliegen.
3r
Als nun das Buch
        mit dem Artikel "Distinguo" erschienen war, habe ich mich dieserhalb in einem Schreiben vom
        5. September an unseren hochwürdigsten Herrn Weihbischof Dr. Deitmer gewandt und
        ihn gebeten, den Verkauf dieses Buches zu verbieten. Auch an den hochwürdigsten Herrn
        Kardinal Bertram in Breslau habe ich geschrieben und bat um Schutz für uns katholische
        Arbeiter. Abschriften beider Briefe füge ich bei. Ich erhielt darauf von Herrn Dr.
        Sonnenschein ein Schreiben vom 14. September. Ich kann mich mit dieser Regelung nicht
        zufrieden geben. Dieses habe ich auch dem hochwürdigsten Herrn Weihbischof Dr. Deitmer im
        Schreiben vom 5. Oktober mitgeteilt. Ebenso Seiner Eminenz Herrn Kardinal Bertram. Ich
        und meine katholischen Arbeitskollegen können dies um so weniger, als Herr Dr. Sonnenschein
        im Kirchenblatt Nummer 40 vom 30. Augt. Ansichten über die Sozialisten zum Ausdruck
        bringt, die mit dem, was wir im Religionsunterricht gelernt und in den Enzykliken der
        Päpste, vor allem Leo XIII. (Rerum novarum) und Pius X. (Singulari quasdam) gelesen
        haben, nicht im Einklang, vielmehr im schroffen Widerspruch steht. Ich füge diese Nummer
        ebenfalls bei.4r
Ich bitte Euer Eminenz ehrfurchtsvoll, die
        Angelegenheit dem Heiligen Offizium unterbreiten zu wollen, damit das Buch "Notizen" von Dr.
        Carl Sonnenschein, Heft 9 verboten wird.In tiefster Ehrerbietung
Euer Eminenz
gehorsamster
M. Schmitz
Vizepräses des kath. Arbeitervereins
St. Joseph - Berlin-Moabit
Alt-Moabit 133.
1↑"11 des 'Arbeiter'"
            hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, in roter Farbe
            unterstrichen.
                            
                        