Dokument-Nr. 7992
Kahr, Gustav Ritter von
an Pacelli, Eugenio
München, 26. März 1921
schätzbarste Note vom 6. Februar l. Js. Nr. 19541 habe ich nicht verfehlt, alsbald dem Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus zur Kenntnis zu bringen. Auf Grund des mit diesem in der Angelegenheit gepflogenen Benehmens beehre ich mich Euerer Exzellenz nunmehr folgendes mitzuteilen:
Die Bayerische Staatsregierung verkennt keineswegs die grosse Wichtigkeit und die weittragende politische Bedeutung, die den eingeleiteten Verhandlungen über die bayerische Konkordatsfrage innewohnt. Die Bayerische Staatsregierung nimmt daher grösstes Interesse daran, diese ebenso wichtige wie schwierige Angelegenheit so bald als irgend möglich einer befriedigenden Regelung zugeführt zu sehen, wobei sie, wie Euer Exzellenz bekannt ist, ganz besonderen Wert darauf legt, die erforderlichen Verhandlungen mit Euerer Exzellenz vor hochderen Uebersiedelung nach Berlin zum Abschluss bringen zu können.
Der Herr Staatsminister für Unterricht und Kultus bedauert es daher aufs lebhafteste, dass es ihm bisher nicht
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möglich war, die mit Schreiben vom 26. August
v. J. in Aussicht gestellte weitere Aeusserung zu den von Euer Exzellenz als Wünsche
des Heiligen Stuhles mitgeteilten, von ihm noch nicht beantworteten Punkten abzugeben. Die
Gründe für die entstandene Verzögerung liegen zum Teil in der enormen Ueberlastung mit
laufenden Dienstgeschäften, die den Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus in den
letzten Monaten des verflossenen Jahres in aussergewöhnlicher Weise in Anspruch nahmen, dann
in einer Erkrankung, die ihn, wie Euerer Exzellenz bekannt, von Mitte Januar bis Mitte
Februar ds. Js. vom Dienste fernhielt und seitdem in der Inanspruchnahme durch die
Behandlung des Haushalts seines Ressorts im Landtage. Dazu kamen aber auch sachliche
Schwierigkeiten, die sich aus den durch die Reichsverfassung festgesetzten Kompetenzen des
Reiches zu einigen der einschlägigen Punkte ergaben. Der Bayerischen Regierung war es
bekannt, dass das Reich im Begriffe stand, in verfassungsmässiger Zuständigkeit
Gesetzentwürfe über den Aufbau des öffentlichen Schulwesens sowie über die Lehrerbildung
aufzustellen und zur Beratung zu bringen. Diese Sachlage konnte bei der konkordatsmässigen
Behandlung der hier einschlägigen Fragen um so weniger ausser Betracht gelassen werden, als,
wie auch in der Euerer Exzellenz von der Reichsregierung gegebenen schriftlichen Erklärung
vom 13. November v. J. erwähnt ist, 140r
der Entwurf
eines bayerischen Konkordats vor dessen Vorlage an den Landtag den Gegenstand des Benehmens
mit der Reichsregierung zu bilden haben wird; infolgedessen wäre die Reichsregierung, auch
wenn sie keinen Widerspruch der Bestimmungen des Konkordats mit der Reichsverfassung hätte
feststellen können, in der Lage gewesen, den Abschluss des Konkordats hemmend zu
beeinflussen; hiermit war insbesondere zu rechnen, so lange nicht feststand, in welcher
Richtung sich die reichsgesetzliche Regelung in den Materien bewegen würde, hinsichtlich
deren Reichsgesetze, wie erwähnt, in Vorbereitung oder für die nächste Zeit beabsichtigt
sind. Nachdem nunmehr in den wichtigsten einschlägigen Fragen des öffentlichen Schulwesens
soweit Klarheit geschaffen ist, dass die Stellungnahme des Reichs und die demnächst zu
erwartende reichsgesetzliche Regelung mit einiger Sicherheit beurteilt werden kann, ist auch
der Herr Staatsminister für Unterricht und Kultus jetzt in der Lage, zu den von ihm noch
nicht beantworteten Vorschlägen des Heiligen Stuhles, die sich auf die Schule beziehen,
Stellung zu nehmen, ohne befürchten zu müssen, die angebahnte konkordatsmässige Regelung
dieser Fragen durch die im Gange begriffene Reichsgesetzgebung durchkreuzt zu sehen. Der
Herr Staatsminister für Unterricht und Kultus wird daher, wie er mir ausdrücklich versichert
hat, nicht säumen, nunmehr die Verhandlungen 140v
mit Euerer
Exzellenz in der bayerischen Konkordatsfrage nach Möglichkeit zu fördern und hofft
zuversichtlichst, dass diese Verhandlungen so bald zu einem befriedigenden Abschluss
gebracht werden können, als es die gründliche Behandlung einer so schwierigen und wichtigen
Materie gestattet.Genehmigen Euere Exzellenz auch bei diesem Anlass die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.
(gez.) Dr. v. Kahr.