Dokument-Nr. 8467
Mühlberg, Otto von an Hertling, Friedrich Georg Graf von
Lugano, 29. Dezember 1917

[Abschrift]
In der allgemeinen Unterhaltung mit Msgr. Marchetti kam das Gespräch auch auf die letzten Ereignisse in Jerusalem. Die Stelle, in der der Kardinalvikar von Rom in seinem Aufruf an die Römer von der Billigkeit und der Gerechtigkeit der Engländer spricht, sei, so bemerkte ich, wohl als eine captatio benevolentiae für England aufzufassen. Marchetti verneinte dies. Die Worte seien ehrlich gemeint. Die Kirche hätte in dem weiten englischen Kolonialreiche wichtige Interessen der katholischen Missionen wahrzunehmen. In den letzten Jahren zeigten sich die Engländer auf diesem Gebiete sehr entgegenkommend. Sie bereiteten den Missionen nicht nur keine Hindernisse, sondern sie gestatteten bei ihnen sogar die Verwendung fremder Staatsangehöriger. Jerusalem würden die Engländer niemals herausgeben. Sie wüssten sehr wohl, dass mit Jerusalem eine moralische Macht in ihre Hand gegeben sei, die ihr Ansehen in der Welt noch mehr erhöhte und sie würden es verstehen, diese Macht ohne nationale Engherzigkeit zu gebrau-
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chen. Auf die hingeworfene Bemerkung, dass, falls die Waffen nicht inzwischen noch anders entschieden, man eine Internationalisierung Jerusalems sich vorstellen könnte, ging Marchetti nur so lau ein, dass ich den Eindruck gewann, man wolle im Vatikan mit der Macht Englands rechnen und habe sich mit dem Gedanken abgefunden, Jerusalem bleibend in englischen Händen zu sehen.
gez. Mühlberg
Empfohlene Zitierweise
Mühlberg, Otto von an Hertling, Friedrich Georg Graf von vom 29. Dezember 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 8467, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/8467. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 17.06.2011.