Dokument-Nr. 8702
Beseler, Hans Hartwig von an Michalkiewicz, Kazimierz Mikołaj
[Hauptquartier], 28. Februar 1917
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Veranlassung gegeben, sofort die eingehendste Aufklärung über die dortseits behaupteten Vorgänge einzufordern. Das Ergebnis liegt nunmehr vor. Darnach ist folgender Sachverhalt einwandfrei festgestellt:Der Streit in der Kirchengemeinde Radun ist seiner Zeit dadurch ausgebrochen, dass der Pfarrer Kochański die Entfernung der litauischen Kirchenfahne aus der Kirche, wo sie bisher gestanden, angeordnet hatte. Auf die darauf erfolgte Beschwerde der litauischen Gemeindeglieder forderte der Kreishauptmann den Pfarrer auf, die litauische Fahne in der Kirche wieder aufstellen zu lassen und ihr die gleichen Rechte zuzubilligen wie der polnischen Kirchenfahne. Pfarrer Kochański kam dieser Aufforderung aber nicht nach und erklärte dem Kreishauptmann ausdrücklich, dass der Bischof entschieden habe, die litauische Fahne solle nicht in der Kirche stehen.
Da diese Erklärung dem Kreishauptmann und dem damaligen Verwaltungschef zu Grodno unglaubwürdig, ja, wider besseres Wissen abgegeben erschien, hat der Verwaltungschef in Grodno den Verwaltungschef in Wilna, durch vertrauliche Fühlungnahme mit der bischöflichen Behörde festzustellen, ob sie tatsächlich angeordnet hat, dass die litauische Fahne aus der Kirche in Radun entfernt werden solle. Darauf ist dortseits dem Dezernenten des Verwaltungschefs in Wilna die Erklärung abgegeben worden, dass Euere Excellenz nicht die Entfernung der litauischen Fahne aus der Kirche, sondern ihre sofortige Wiederaufstellung darin angeordnet hatten.
Damit war festgestellt, dass Pfarrer Kochański dem Kreishauptmann bewusst die Unwahrheit gesagt hatte.
Aber auch die weitere Behauptung, dass die Ausführung der dortseitigen Entscheidung wegen der Widersetzlichkeit der polnischen Gemeindeglieder nicht erfolgen konnte, entspricht nicht der wahren Sachlage. Bei der Verhandlung mit dem Pfarrer Kochański stellte der Kreishauptmann gegebenenfalls die Wiederaufstellung der Fahne durch die Organe der deutschen Behörde in Aussicht. Darauf erklärte Kochański, dass es dann ganz gewiss zu Streit und Aufruhr
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kommen würde. Der Kreishauptmann erwiderte, dass Pfarrer Kochański es ihm überlassen solle, etwaigen Folgen zu begegnen. Nunmehr bat der Pfarrer um Reiseerlaubnis nach Wilna, da er bei Euerer Excellenz um seine Versetzung einkommen wolle, weil ihm die Verwaltung eines von Streit und Unruhe erfüllten Kirchenspiels widerstrebe.Darnach steht weiter zweierlei fest:
1) Nicht die Gemeindeglieder haben Streit und Aufruhr angedroht, sondern Pfarrer Kochański.
2) Die Reise nach Wilna hat Pfarrer Kochański benutzt, um Euerer Excellenz die unwahren Informationen vorzutragen, auf denen das dortige Schreiben vom 30. v. Mts. beruht.
Dies geht schon aus dem ersten Satze jenes Schreiben hervor, "wonach der Streit von Anfang an von Euerer Excellenz und dem Pfarrer Kochański in gleicher Weise wie jetzt entschieden sei und diese Entscheidung nur infolge angeblicher Widersetzlichkeit der Polen nicht habe ausgeführt werden können, während doch gerade Kochański zuerst die Entfernung der litauischen Kirchenfahne angeordnet hat und auch eine polnische Widersetzlichkeit jedenfalls nicht in dem von ihm behaupteten Umfange vorhanden war. Dass letzteres richtig ist, beweist der Umstand, dass nach der durch die zuständigen Militärbefehlshaber angeordneten Überführung des Kochański nach Deutschland die litauische Fahne ohne jede Schwierigkeit in der Kirche zu Radun wiederaufgestellt worden ist und dass die Gemeinde Radun sich völlig beruhigt hat.
Es liegen daher auch jetzt keine Bedenken mehr vor gegen die von Euerer Excellenz angeordnete Verwaltung der Gemeinde durch die beiden Vikare unter Aufsicht der Ortdekans, und es erledigt sich damit der nur auf Grund der dortseitigen Nationalitätenstatistik und der früheren Pfarrbesetzungsvorgänge gemachte Vorschlag.
Bei dieser Sachlage darf ich der Erwartung Ausdruck geben, dass Euere Excellenz die in dem Schreiben vom 30. November v. Js. und zu meinem Bedauern auch sonst, insbesondere hoher kirchlichen Stelle gegenüber, angedeutete Anschauung, als ob der Pfarrer Kochański seitens deutscher Behörden zu Un-
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recht nach Deutschland abgeführt und von hier aus versucht worden sei, einer Gemeinde mit starker polnischer Mehrheit einen litauischen Pfarrer aufzudrängen, vollständig fallen lassen werden. Von einer Rückkehr des Pfarrers Kochanski kann nach dem Dargelegten selbstverständlich nicht die Rede sein.Seitens des Oberbefehlshabers Ost
Der Chef des Generalstabes.
(Unterschrift)