Dokument-Nr. 8707
Isenburg-Birstein, Franz Josef Fürst von an Michalkiewicz, Kazimierz Mikołaj
Vilnius, 16. Juli 1917
Meinem Schreiben vom 25. April 1917 Abt. C. 8. Nr. 153 und dem in die Zeit der Zusammenlegung der Verwaltungen Wilna-Suwalki und Litauen fallenden Schreiben der Militärverwaltung Litauen Abt. IV 1079/17, ausgefertigt am 19. März 1917, habe ich in Erwiderung auf das oben bezeichnete Schreiben Euer Excellenz hinzuzufügen, wie folgt:
Die deutsche Okkupationsverwaltung ehrt und achtet, wie sie zur Genüge bewiesen, die Rechte der Kirche, soweit es die gegenwärtig kriegerische Zeit äußerst zulässt. Die Pflicht gegen ihre Brüder an der Front zwingt sie jedoch mit gebieterischer Notwendigkeit, in engstem Zusammenarbeiten mit den militärischen Kommandostellen keine Maßnahme zu unterlassen, die nach menschlichem Ermessen, irgendwie geeignet ist, einer Gefährdung der Sicherheit des Operationsheeres vorzubeugen.
Hieraus ergibt sich zunächst die Forderung einer möglichst weitgehenden Beschränkung der Freizügigkeit und aller sonst noch in Betracht kommen-
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den Möglichkeiten des über dem rein lokalen Verkehr hinausgehenden Gedankenaustausches innerhalb des Kriegsgebietes.Es ergibt sich aber weiter, – ebenfalls als zwingendes Gebot militärischer Notwendigkeit – dass alles vermieden wird, was auf die Bevölkerung im Operations- oder Etappengebiet beunruhigend einwirken, insbesondere aber dem Kampf der Nationalitäten nach der einen oder anderen Richtung hin irgendwie Nahrung geben könnte.
Diese Erwägungen haben mich in den am Schlusse des Schreibens Euerer Excellenz erwähnten Fällen pflichtgemäß zu einer ablehnenden Haltung gegenüber den Reisegesuchen bestimmt.
Wenn ich dann aber auch weiter, um auf die übrigen im Schreiben Euerer Excellenz behandelten Fälle zu kommen, die bereits vom Chef der Verwaltung Wilna-Suwalki getroffene Entscheidung zu meiner eigenen gemacht habe und daher auch heute nicht in der Lage bin, dem Ersuchen Euerer Excellenz zu entsprechen, so kommt für mich hierbei nicht ein Eingriff in die auch nach meiner Ansicht nur Euerer Excellenz zustehenden kirchenrechtlichen Befugnisse in Frage. Es handelt sich vielmehr hier für mich allein um die pflichtgemäße Versagung der Übersiedelungserlaubnis an die hier in Betracht kommenden Geistlichen aus zwingenden militärischen Interessen, deren Wahrnehmung mir verantwortlich anvertraut ist: Die Entscheidung der Frage aber, ob und inwieweit sich im Einzelfall ein Aufenthaltswechsel der einheimischen Bevölkerung innerhalb der einheimischen Bevölkerung innerhalb [sic] des Kriegsgebiets mit den militärischen Interessen in Einklang bringen lässt, muss, wie das in der Natur der Sache begründet ist, allein der pflichtgemäßen Prüfung der zuständigen deutschen Stellen vorbehalten bleiben. Soweit mir aber durch die in der gegenwärtigen Zeit an erster Stelle zu wahrenden militärischen Interessen die Freiheit der Entschließung nicht genommen ist, werde ich Euerer Excellenz, wie das im Schreiben vom 19. März 1917 Abt. IV a Nr. 1079/17 zum Ausdruck gebracht werden sollte, und wie ich nochmals betonen möchte, auf diesem Ge-
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biete das äußerste Entgegenkommen erweisen.Bei dieser Gelegenheit glaube ich nicht unterlassen zu sollen, die Aufmerksamkeit Euerer Excellenz ganz allgemein auf folgende Überlegungen hinzulenken. Litauen ist Operations- und Etappengebiet eines Teils des deutschen Ostheeres. Schwer sind die Opfer, die in diesem uns aufgezwungenen Kriege durch die Art der Kriegsführung unserer Gegner wie von der Bevölkerung des besetzten Gebiets nach jeder Richtung hin verlangt werden müssen. Eine Zeit aber, wie die jetzige, in der die Kriegsnotwendigkeit in erster Linie das Gesetz des Handelns vorschreibt, muss natürlich auch, so bedauerlich das ist, in gewissem Umfang die Kirche treffen. So zwangen die Bedürfnisse der heimischen Kriegswirtschaft auf die Glocken, Metalldächer und Orgelpfeifen der Kirchen, wo immer es auch sei, zurückzugreifen. So kann aber auch weiter in einem Gebiet, das Operationsgebiet ist oder unmittelbar an das Operationsgebiet angrenzt, den kirchlichen Persönlichkeiten, deren Unterstützung die Operationsverwaltung an sich für die vornehmste Aufgabe hält, nicht die ihnen sonst einzuräumende Freiheit der Bewegung zugestanden werden, wenn und soweit, wie das hier der Fall ist, gewichtige militärische Interessen eine Einschränkung gebieterisch fordern.
(Unterschrift).
Oberstleutnant a la suite der Armee.