Dokument-Nr. 967
Bussche-Haddenhausen, Hilmar Freiherr von dem an Pacelli, Eugenio
Berlin, 05. März 1918

Eure Exzellenz
beehre ich mich mit Beziehung auf mein Schreiben vom 23. Januar d. J. (III a. 1157) davon in Kenntnis zu setzen, dass neueren Nachrichten zufolge der Reichsangehörige Artur Geissler im Gefängnis in Paris einer Behandlung ausgesetzt ist, die sein Leben aufs Schwerste gefährdet. Er soll in einem feuchten, gesundheitsgefährlichen Gefängnisraum untergebracht sein und ärztlicher Vorschrift keine warmen Kleidungsstücke erhalten, um sich gegen die herrschende Kälte zu schützen, auch sich nicht genügend zudecken können. Die Kälte und die Feuchtigkeit des Raumes haben zur Folge gehabt, dass er am ganzen Körper mit Frostbeulen bedeckt ist. Infolge der schlechten und ungenügenden Ernährung leidet er fortwährend an Durchfall: dazu soll noch ein Bruchleiden gekommen sein.
Diese Nachrichten haben der Deutschen Regierung Anlass gegeben, der Französischen Regierung gegenüber durch Vermittlung der Schweizerischen Gesandtschaft die Erklärung abgeben zu lassen, dass sofern nicht innerhalb kürzester Frist dem Geissler ein in gesundheitlicher Beziehung einwandfreier
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Unterkunftsraum angewiesen sowie die seinem körperlichen Zustand entsprechende Behandlung und nötigen Falles ärztlicher Beistand gewährt wird, in Zukunft die Entgegennahme von Anträgen um Besserung des Loses der von deutschen Gerichten verurteilten französischen Staatsangehörigen abgelehnt werden müsse. Weiterhin werde in Erwägung gezogen werden müssen, sämtlichen französischen Staatsangehörigen, die sich z. Z. infolge ihrer Verurteilung wegen politischer Straftaten in deutschen Strafanstalten befinden, die ihnen bisher gegenüber gemeinen Verbrechern zugestandenen weitgehenden Vergünstigungen zu entziehen.
So sehr wir es bedauern würden, wenn infolge des Verhaltens der französischen Behörden die angedrohten Maßnahmen zur Ausführung gelangen müssten, so glaube ich doch annehmen zu können, dass es verstanden werden wird, dass die Deutsche Regierung es nicht hinnehmen kann, wenn eine Deutscher in einem französischen Gefängnis, zumal wenn die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen auf schwachem Fuße stehen, wie es bei Geissler der Fall ist, aus politischen Beweggründen einer Behandlung ausgesetzt wird, die eine schwere gesundheitliche Schädigung und vielleicht sogar den Tod des Betroffenen zur Folge haben muss.
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Eurer Exzellenz würde ich dankbar sein, wenn Sie Ihrerseits darauf hinwirken wollten, dass auch seine Heiligkeit der Papst auf schleunigstem Wege seinen Einfluss bei der Französischen Regierung zu Gunsten einer besseren Gestaltung des Loses des bedauernswerten Mannes geltend macht.
Ich benutze den Anlass, um Eurer Exzellenz den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung zu erneuern.
Eurer Exzellenz ganz ergebenster
Bussche
Empfohlene Zitierweise
Bussche-Haddenhausen, Hilmar Freiherr von dem an Pacelli, Eugenio vom 05. März 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 967, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/967. Letzter Zugriff am: 02.05.2024.
Online seit 07.02.2011.