Kirchliche Verwaltung Oberschlesiens nach dem Plebiszit

Der Beschluss der alliierten Botschafterkonferenz vom 20. Oktober 1921, Oberschlesien auf Grundlage des Plebiszits vom 20. März 1921 zu teilen, wirkte sich bedeutend auf das Fürstbistum Breslau aus. Ca. 180 Pfarreien mit rund einer Million Katholiken sollten im Juni 1922 zur Republik Polen kommen. Fürstbischof Kardinal Bertram, der erkannte, dass nach den jahrelangen nationalen Auseinandersetzungen ein weiterer Verbleib des polnischen Anteils bei seiner Diözese unmöglich war, reagierte pragmatisch. Er tat dies aus seelsorgerischen Erwägungen, obgleich ihm die Teilung Oberschlesiens als Deutscher innerlich widerstrebte und er für seinen Pragmatismus von der nationalen deutschen Presse sowie von der preußischen und der Reichsregierung scharf kritisiert wurde. Am 24. Oktober 1921 ernannte er den Tichauer Erzpriester Johannes Kapitza, einen gemäßigten Polen, zum erzbischöflichen Delegaten für Polnisch-Oberschlesien. Bertram dachte spätestens seit Januar 1922 an eine vollkommene Abtrennung des Gebiets, nahm jedoch zunächst davon Abstand, da ein solcher Schritt gewiss Auswirkungen auf die Dotation des Fürstbistums gehabt hätte.
Papst Pius XI. entschied sich zunächst für die Errichtung einer Apostolischen Administratur, eine endgültige Lösung wollte er einem Konkordat mit Polen vorbehalten. Sowohl die polnische als auch die deutsche Diplomatie versuchten nun, Einfluss darauf zu nehmen, wer zum Administrator ernannt werde. Letztere versuchten vor allem den nationalpolnisch gesinnten Kattowitzer Pfarrer Teodor Kubina zu verhindern. Der Heilige Stuhl entschied sich am 7. November 1922 für den Provinzial der deutschen und österreichischen Provinz des Salesianerordens Auguistyn Hlond, einen gebürtigen Oberschlesier, den der Papst persönlich kannte. Hlond trat am 17. Dezember sein Amt an und nahm seinen Sitz in Kattowitz. Damit wurde die Abtrennung des polnischen Teils der Diözese vollzogen und Betrams Jurisdiktionsgewalt erlosch. Dies bedeutete aber nicht das Ende des Konflikts. Es gab beispielsweise Streit um Korrekturen der Abgrenzung der Jurisdiktionsbereiche des Fürstbistums und der Administratur und um die Einkünfte der nun in Polen liegenden Kapitelsgüter.
Das Konkordat zwischen Polen und dem Heiligen Stuhl vom 10. Februar 1925 regelte den kirchenrechtlichen Status Polnisch-Oberschlesiens endgültig. Mit der Ausführungsbulle "Vixdum Poloniae unitas" vom 29. Juni wurde die Apostolische Administratur zur Diözese Schlesien erhoben, Bischof wurde Hlond. Damit waren die dortigen Kapitelsgüter endgültig dem Breslauer Zugriff entzogen. Die staatlichen Ausgleichszahlungen empfand Bertram stets als zu niedrig. Daneben gab es auch in der Restdiözese Breslau weiterhin nationalistische Auseinandersetzungen um die dortige polnische Minderheit. Auch hier stand beim Fürstbischof trotz seiner nationalen Überzeugung letztendlich die Seelsorge in Vordergrund, weshalb er sich einer allzu rigorosen Germanisierungspolitik verschloss.
Literatur
HINKEL, Sascha, Adolf Kardinal Bertram. Kirchenpolitik in Kaiserreich und Weimarer Republik (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 117), Paderborn u. a. 2010, S. 190-208.
Empfohlene Zitierweise
Kirchliche Verwaltung Oberschlesiens nach dem Plebiszit, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 100, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/100. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 31.07.2013, letzte Änderung am 18.09.2015.
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