Konkordatsverhandlungen mit Württemberg 1850-1860 und Vereinbarung zwischen Seiner Heiligkeit Papst Pius IX. und Seiner Königlichen Majestät Wilhelm I. König von Württemberg vom 8. April 1857
Bereits 1806 bis 1811 gab es Konkordatsverhandlungen, um die kirchlichen Strukturen im neu entstandenen württembergischen Königreich zu klären. Da Napoleon gegen einen solchen Vertrag Einspruch erhob und der König ohnehin ein starkes Kirchenregiment des Staates nach protestantischem Vorbild favorisierte, scheiterten die Bestrebungen. Vielmehr wurden durch staatliche Gesetzgebung Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten des zuständigen Kultusministeriums etabliert, die die Eigenständigkeit der kirchlichen Organisation stark einschränkten. Entscheidend für die Verschränkung von Staat und Kirche war die Landesherrliche Verordnung von 1830, die die Regierungen aller deutschen Staaten beschlossen hatten.
1853 kündigten die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz der Verordnung jedoch den Gehorsam auf, was auch in Württemberg zunächst zu Spannungen führte. Die Konfrontation, die auch mit Strafandrohungen seitens des Kultusministers von Linden einherging, täuschte aber über die Tatsache hinweg, dass eigentlich sowohl der Bischof von Rottenburg als auch die Staatsregierung zu einer Einigung und einem Modus vivendi bereit waren. Daher wurde zwischen Bischof Lipp und dem Königreich am 12. bzw. 16. Januar 1854 eine Übereinkunft getroffen, die den Vorstellungen Lipps von bischöflichen Rechten und Freiheit der Kirche entgegenkam und eine deutliche Erleichterung für die Kirche darstellte. Allerdings versagte der Heilige Stuhl die Bestätigung, da der Vertrag ohne Verhandlungen mit Rom zustande gekommen war. Kardinalstaatssekretär Antonelli beanspruchte erneute Konkordatsverhandlungen, die von 1854-1857 geführt wurden. Am 8. April 1857 einigten sich beide Seiten schließlich auf eine gemeinsame Vereinbarung.
Der Vertrag bestätigte die auch bisher ausgeübte staatliche Mitwirkung an der Besetzung des Bischofsstuhls und der Kanonikate. Auch die finanzielle Sicherung des Bistums Rottenburg durch den Staat wurde erneut festgeschrieben. Der Bischof erhielt größere Freiheiten in der Leitung seiner Diözese, so bei der Pfründen- und Ämtervergabe des niederen Klerus, der Aufsicht über Kult sowie Katechese und Religionsunterricht, der Abhaltung von Diözesansynoden und der kirchlichen Rechtsprechung. Des Weiteren wurde dem Bischof die Möglichkeit der Errichtung von Seminarien zugestanden, die allein seiner Aufsicht unterliegen sollten. Hinsichtlich der Konvikte in Ehingen, Rottweil und Tübingen sollte die Zusammenarbeit mit dem Staat erhalten bleiben.
Das Konkordat scheiterte jedoch an der Ratifizierung durch den Landtag. Eine Zweidrittelmehrheit sprach sich dagegen aus, da die Abgeordneten darin eine Einschränkung staatlicher Hoheits- und bürgerlicher Freiheitsrechte sahen. Der Hauptverhandlungsführer, Kultusminister Rümelin, trat daraufhin zurück. Von staatlicher Seite wurde 1861 eine eigenständige Gesetzgebung erlassen, die die Regelungen des Konkordats in abgeschwächter Form beinhaltete und damit einen Modus vivendi zwischen Staat und Kirche schuf.
Quellen
Vereinbarung zwischen dem Heiligen Stuhl und König Wilhelm I. über die
Verhältnisse der katholischen Kirche im Königreich Württemberg vom 8. April 1857,
in: HUBER, Ernst Rudolf / HUBER, Wolfgang (Hg.), Staat und Kirche im 19. und
20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts,
Bd. 2: Staat und Kirche im Zeitalter des Hochkonstitutionalismus und des
Kulturkampfes 1848-1890, Berlin 21990 ND Darmstadt 2014, Nr. 73,
S. 183-187.
Literatur
WOLF, Hubert, Das evangelische Ländle und seine Katholiken. Säkularisierung und
Verkirchlichung im Königreich Württemberg, in: Kirche im Königreich Württemberg
1806-1918, Stuttgart 2008, S. 52-69.