Württembergisches Kirchengesetz vom 3. März 1924, § 30-39

"§ 30. (1) Die Landeskirchensteuer wird als Zuschlag zu der reichsgesetzlichen Einkommensteuer erhoben. Neben diesem Zuschlag können die Kirchen einen Zuschlag zu der reichsgesetzlichen Vermögensteuer erheben.
(2) Die Ortskirchensteuer wird als Zuschlag zu der reichsgesetzlichen Einkommen- und Vermögensteuer und der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer des Staats in einem einheitlichen Hundertsatz dieser Steuer erhoben. Wegen besonderer Verhältnisse kann die Staatsbehörde Abweichungen genehmigen.
(3) Der reichsgesetzliche Zuschlag zu der Vermögensteuer (vergl.  § 1 Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes vom 8. April 1922, Reichs-Gesetzbl. I S. 335) gilt nicht als Vermögensteuer im Sinn der §§ 30, 34 und 37.
§ 31. (1) Die Zuschläge werden von den kirchlichen Körperschaften für alle Pflichtigen auf den gleichen Hundertsatz der bürgerlichen Steuer festgesetzt.
(2) Bei besonderen Verhätlnissen kann das Oberamt zulassen, daß die Kirchensteuer für alle Steuerpflichtigen oder für einen Teil nach Klassen festgestellt wird, in die die Kirchengenossen nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen eingereiht werden.
(3) Für die Personen, deren Einkommensteuer ohne Veranlagung erhoben wird, können die Zuschläge zur Einkommensteuer durch Verordnung besonders geregelt werden.
(4) Würde die ortskirchliche Steuerschuld eines Pflichtigen die Hälfte des durch Steuer zu deckenden Abmangels der Kirchengemeinde übersteigen, so werden die auf ihn entfallenen ortskirchlichen Zuschläge um den entsprechenden Betrag gekürzt, sofern nicht die Steuersatzung der Kirche die Kürzung beschränkt oder ausschließt.
§ 32. (1) Für die Pflichtigen eines Nebenorts werden die ortskirchlichen Zuschläge anders als für die übrigen Mitglieder der Kirchengemeinde bemessen, wenn die Beteiligung des Nebenorts an dem Aufwand der Kirchengemeinde durch Vereinbarung oder Herkommen besonders geregelt ist. Die kirchliche Aufsichtsbehörde kann die Vereinbarung oder das Herkommen außer Kraft setzen.
(2) Wenn ein Nebenort an den Einrichtungen der Kirchengemeinde nur in beschränktem Maße teilnimmt oder der Kirchengemeinde besondere Aufwendungen für einen Nebenort erwachsen, so kann die Kirchengemeinde von den Pflichten des Nebenortes einen niederen oder höheren Hundertsatz erheben als von ihren übrigen Mitgliedern. Die Erhebung eines höheren Hundertsatzes ist jedoch nur zulässig, wenn die für den Nebenort bestellte besondere Vertretung zustimmt oder ihre Zustimmung durch die kirchliche Aufsichtsbehörde ersetzt wird.
(3) Mutter- und Tochtergemeinde teilen den durch Steuer zu deckenden Aufwand für gemeinschatliche Einrichtungen nach dem Maß ihrer Teilnahme an diesen, wenn nicht die Deckung des Aufwandes durch gültige Vereinbarung oder Herkommen anderweitig geregelt ist.
§ 33. Die Steuersatzung der Kirche kann den Kirchengemeinden gestatten, die auf ihre Mitglieder entfallende Landeskirchensteuerschuld aus dem Ertrag des Ortskirchenvermögens oder aus freiwilligen Zuwendungen zu entrichten.
§ 34. (1) Soweit mehrere Kirchensteuerpflichtige zusammen zur Einkommen- und Vermögensteuer veranlagt werden, wird der kirchliche Zuschlag zu diesen Steuern einheitlich festgelegt. Sie haften als Gesamtschuldner.
(2) Werden Ehegatten, die nicht derselben Kirche steuerpflichtig sind, zu diesen Steuern zusammen veranlagt, so bemißt die besteuernde Kirche oder Kirchengemeinde den Zuschlag des pflichtigen Ehegatten nach der halben Einkommen- und Vermögensteuer beider Ehegatten. Für den Zuschlag haftet auch der andere Ehegatte als Gesamtschuldner.
(3) Soweit ein Haushaltungsvorstand zusammen mit seinen Kindern (§ 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 1920, Reichs-Gesetzbl. S. 359) zur Einkommensteuer veranlagt wird und die Beteiligten nicht derselben Kirche steuerpflichtig sind, ist der Zuschlag der Kinder nach ihrem Anteil an der gemeinschaftlichen Einkommensteuer zu bemessen. Der Anteil ist nach den Verhältniszahlen zu berechnen, die sich ergeben, wenn jeder von ihnen getrennt mit seinen Einkommen veranlagt worden wäre. Die Beteiligten sind verpflichtet, über das Anteilsverhältnis Auskunft zu geben; für die Verpflichtung und ihre Verletzung gelten die Vorschriften der Reichsabgabenordnung. Der Haushaltsvorstand und die mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau haften für die Zuschläge der Kinder als Gesamtschuldner.
§ 35. (1) Werden zu der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer mehrere Personen zusammen veranlagt, so sind die kirchlichen Zuschläge zu der Steuer nach den Anteilen der Pflichtigen an der gemeinschaftlichen Steuer festzusetzen. Wenn der Veranlagungsbehörde nicht etwas anderes nachgewiesen oder bekannt ist, sind gleiche Anteile anzunehmen.
(2) Für Ehegatten und für Haushaltsvorstände und Kinder gilt § 34 sinngemäß.
§ 36. Wird die Veranlagung der dem kirchlichen Zuschlag zugrunde liegenden bürgerlichen Steuer auf Grund eines Rechtsmittels oder aus anderes Rechtsgründen geändert, so ändert sich der kirchliche Zuschlag ohne weiteres in demselben Verhältnis.
§ 37. (1) Die landeskirchlichen Zuschläge zur Einkommen- und Vermögensteuer dürfen je 10 v. H. dieser Steuern nicht übersteigen. Wenn zu einer dieser Steuern ein Zuschlag von mehr als 5 v. H. erhoben werden soll, ist die Zustimmung des Finanzministeriums erforderlich.
(2) Die Ortskirchensteuer bedarf der staatlichen Genehmigung, wenn die Zuschläge zu den bürgerlichen Steuern 5 v. H. übersteigen.
(3) Die Erhebung eines ortskirchlichen Zuschlags, der 10 v. H. der zugrunde liegenden bürgerlichen Steuer übersteigt, kann nur ausnahmsweise unter besonderen Verhältnissen genehmigt werden.
§ 38. (1) Das Oberamt kann der Kirchengemeinde die Erhebung einer Kopfsteuer von den volljährigen Steuerpflichtigen gestatten. Der Höchstbetrag dieser Steuer wird durch Verordnung bestimmt.
(2) Die Kopfsteuer kann auch von den Pflichtigen, die einen Wohnsitz im Bezirk mehrerer Kirchengemeinden haben, im vollen Betrag erhoben werden.
§ 39. Der Maßstab der Kirchensteuer ist den Pflichtigen einzeln oder durch öffentliche Bekanntmachung mitzuteilen."
Quellen
Gesetz über die Kirchen vom 3. März 1924, in: HUBER, Ernst Rudolf / HUBER, Wolfgang (Hg.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 4: Staat und Kirche in der Zeit der Weimarer Republik, Berlin 21990 ND Darmstadt 2014, Nr. 137, S. 190-198 [Auszug], hier 195.
Gesetz über die Kirchen vom 3. März 1924, in: Regierungsblatt für Württemberg, Stuttgart 1924, Nr. 13, S. 93-116, hier 100-102.
Empfohlene Zitierweise
Württembergisches Kirchengesetz vom 3. März 1924, § 30-39, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 10080, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/10080. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 18.09.2015, letzte Änderung am 26.06.2019.
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