Verband der Katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Berlin

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im deutschen Sprachraum katholische Arbeitervereine gegründet. Diese verstanden sich als Bildungs- und Selbsthilfevereine. Der 1897 gegründete "Verband Katholischer Arbeitervereine Nord- und Ostdeutschlands" war ein Zusammenschluss der katholischen Arbeitervereine Mittel- und Ostdeutschlands einschließlich der Diözese Trier. Er wurde 1903 in "Verband der Katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Berlin" umbenannt und machte damit deutlich, dass er auch in den Gebieten der anderen Dachverbände tätig werden wolle.
Im Gewerkschaftsstreit lehnte der "Verband der Katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Berlin" gemischtkonfessionelle christliche Gewerkschaften und Streiks als Druckmittel gegen die Arbeitgeber strikt ab. Mit dieser Position stieß er auf heftige Gegenwehr des "Volksvereins für das Katholische Deutschland". Die Auseinandersetzung drohte den deutschen Episkopat zu spalten. Auch die Enzyklika "Singulari quadam" Pius' X. vom 24. September 1912 konnte den Gewerkschaftsstreit nicht beenden. Erst mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges verlor der innerkatholische Streit an Bedeutung.
Wegen seines intransigenten Auftretens im Gewerkschaftsstreit wurde der "Verband der Katholischen Arbeitervereine mit Sitz Berlin" nicht in den 1911 gegründeten "Kartellverband der Katholischen Arbeitervereine West-, Süd- und Ostdeutschlands" aufgenommen. Erst 1921 trat der "Verband der Katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Berlin" mit Anerkennung des Würzburger Programms dem mittlerweile in "Kartellverband der Katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine" umbenannten Dachverband bei. Der Berliner Verband trat jedoch 1927 nach Umwandlung des "Kartellverbandes" in den straffer organisierten "Reichsverband der Katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine Deutschlands" wieder aus. Er sah durch dessen Episkopatsferne einen Verstoß gegen die kirchliche Disziplin und lehnte zudem eine stärkere Bindung der Verbände an die Christlichen Gewerkschaften ab.
1909 erreichte der Berliner Verband mit ca. 130.000 den Höchststand der Mitglieder. In der Inflationszeit bis 1923 musste auch er einen Mitgliederschwund hinnehmen. Doch erholte sich der Mitgliederbestand des Berliner Verbandes im Gegensatz zu den anderen Dachverbänden auch in der Phase der relativen Stabilität der Weimarer Republik nicht.
Literatur
ARETZ, Jürgen, Katholische Arbeiterbewegung und christliche Gewerkschaften. Zur Geschichte der christlich-sozialen Bewegung, in: RAUSCHER, Anton (Hg.), Der soziale und politische Katholizismus. Entwicklungslinien in Deutschland 1803-1963, Bd. 2 (Geschichte und Staat 251), München / Wien 1982, S. 159-214.
BRACK, Rudolf, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit. 1900-1914 (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 9), Köln / Wien 1976.
Katholische Arbeitnehmerbewegung. Geschichte der KAB, in: www.kab.de (Letzter Zugriff am: 10.06.2014).
MÜLLER, Dirk H., Arbeiter, Katholizismus, Staat. Der Volksverein für das katholische Deutschland und die katholischen Arbeiterorganisationen in der Weimarer Republik (Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung. Reihe Politik- und Gesellschaftsgeschichte 43), Bonn 1996, S. 175.
Empfohlene Zitierweise
Verband der Katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Berlin, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 11056, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/11056. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 29.09.2014.
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