Mensalgüter des Fürstbistums Breslau in Österreichisch-Schlesien

Durch den Versailler Vertrag fielen die im ehemaligen Österreich gelegenen Gebiete des Fürstbistums Breslau, Österreichisch-Schlesien, an die neu gegründete Tschechoslowakei. Hier lagen die Breslauer Mensalgüter, aus denen erhebliche Einnahmen des Bistums gedeckt wurden. Im Rahmen der Säkularisation waren diese – es handelte sich um 32.700 ha Boden, davon 30.700 ha Wald und 2.000 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche – verschont geblieben. Hinzu kamen das Schloss Johannesberg (die Sommerresidenz der Breslauer Fürstbischöfe), die Kameraldirektion in Jauernig sowie die angeschlossenen Höfe und Beamtenhäuser.
Die tschechoslowakische Nationalversammlung beschloss am 16. April 1919 eine Bodenreform, in deren Rahmen die Enteignung jeglichen Grundbesitzes von mehr als 150 ha Ackerboden oder von mehr als 250 ha sonstiger Liegenschaften durchgeführt werden sollte. Diese Bodenreform traf in großem Maße die deutschen Großgrundbesitzer in Deutschböhmen, darunter auch das Fürstbistum Breslau.
Nach den vehementen Protesten Bertrams, des Heiligen Stuhls, der Reichs- sowie der preußischen Staatsregierung konnten die Mensalgüter vorerst für die Diözese Breslau gesichert werden. Die anschließenden Verhandlungen mit der tschechoslowakischen Regierung zogen sich über die 1920er Jahre hinweg und gaben immer wieder Anlass zu Streitigkeiten. Ein wichtiger Zwischenschritt war der Abschluss des "Modus Vivendi" zwischen dem Heiligen Stuhl und der Tschechoslowakei im Jahr 1928, in dem die Angleichung der tschechoslowakischen Staats- mit den Diözesangrenzen festgeschrieben wurde. Schließlich wurde am 9. April 1934 ein Vertrag zwischen dem Erzbistum Breslau und dem tschechoslowakischen Bodenamt geschlossen, in dem festgelegt wurde, dass Breslau ca. ein Drittel seiner Bistumsgüter umgehend an die Diözesen Olmütz (3.000 ha) und Troppau (2.000 ha) abtreten bzw. an das Bodenamt veräußern musste (6.000 ha). Die restlichen ca. zwei Drittel des Grundbesitzes musste es bis zum Jahr 1960 an einen der tschechoslowakischen Regierung genehmen Käufer frei verkaufen.
Quellen
ALEXANDER, Manfred (Hg.), Deutsche Gesandtschaftsberichte aus Prag. Innenpolitik und Minderheitenprobleme in der Ersten Tschechoslowakischen Republik, Bd. 1: Von der Staatsgründung bis zum Ersten Kabinett Beneš 1918-1921. Berichte des Generalkonsuls von Gebsattel, des Konsuls Koenigs und des Gesandten Professor Saenger (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 49,1), München – Wien 1983; Bd. 2: Vom Kabinett Beneš bis zur ersten übernationalen Regierung unter Švehla 1921-1926. Berichte des Gesandten Dr. Walter Koch (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 49,2), München 2004.
Literatur
HINKEL, Sascha, Adolf Kardinal Bertram. Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 117), Paderborn u. a. 2010, S. 156.
HIRSCHFELD, Michael, Zum Problem der Anpassung der Diözesanzirkumskription an die deutsch-tschechoslowakische Staatsgrenze zwischen den Weltkriegen (1918-1939). Die Grafschaft Glatz im Blickpunkt der vatikanischen Diplomatie, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte100 (2005), S. 275-287.
NEGWER, Josef, Geschichte des Breslauer Domkapitels im Rahmen der Diözesangeschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, hg. von Kurt ENGELBERT, Hildesheim 1964, S. 216-230.
STANZEL, Josef G., Die Breslauer Bistumsgüter in der Tschechoslowakei. Quellen zum Ringen um deren Erhaltung zwischen den beiden Weltkriegen, in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen – Mähren – Schlesien 5 (1978), S. 244-373.
Empfohlene Zitierweise
Mensalgüter des Fürstbistums Breslau in Österreichisch-Schlesien, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 13036, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/13036. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 25.03.2013.
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