Akosmismus

Der Ausdruck Akosmismus, zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern a (nicht) und kosmos (Welt), bezeichnet keine eigenständige Lehre, sondern eine Charakterisierung von Philosophien, Weltanschauungen und Religionen als "weltlos" oder "weltverneinend". Akosmistische Ideen wurden sowohl im Kontext des Pantheismus, des Atheismus oder des Idealismus vertreten. Ein akosmistischer Pantheismus kann bedeuten, dass es kein Gegenüber von Gott und Welt gibt, sondern dass die Welt als Teil des Göttlichen verstanden wird und dass damit ein göttliches Prinzip überall erkannt werden kann. Die Frage, wie Gott überhaupt erkannt werden kann, wird im Christentum unter dem Stichwort Offenbarungsverständnis diskutiert. Hier setzt die Kritik Pacellis an Karl Adam an.
Für Adam existiert (bis zu einem gewissen Punkt) ein "Weg des natürlichen Erkennens" (ADAM, Wesen, S. 78) Gottes in der Welt, in der Natur, insofern, als Gott allem zugrunde liegt und damit auch in allem erkannt werden kann. Pacelli verstand diese Aussage als akosmistisch, ging aber gegenüber Gasparri nicht auf Adams anschließenden Gedanken ein. Denn für den Tübinger Dogmatiker führt die Naturbetrachtung allein den Menschen nur zu einem "natürlichen Kult des Allerhöchsten" (ADAM, Wesen, S. 80), nicht jedoch zu einem "Lebens- und Liebesaustausch" (ebd.) mit Gott, zu dem es die Menschwerdung Gottes in Christus, das Wirken des Heiligen Geistes, die Worte der Heiligen Schrift und die Gemeinschaft der Glaubenden brauche.
Pacelli vergleicht Adam an dieser Stelle mit dem evangelischen Philosophen Heinrich Scholz, mit dem sich auch Adam in seiner Schrift "Der Weg der erfahrungsmäßigen Gotteserkenntnis. Eine Auseinandersetzung mit Heinrich Scholz" auseinandergesetzt hatte. In seiner "Religionsphilosophie" schrieb Scholz explizit von "akosmistischen Erlebnis[sen]" (S. 201) in einem pantheistischen Sinne: "Der Pantheismus hat also unstreitig recht, wenn er die Kategorie des Außerweltlichen verwirft und den innerweltlichen Charakter des Göttlichen betont. Er spricht damit die Bedingung aus, unter der das Göttliche überhaupt erst erfaßt wird" (S. 203). In einer späteren Auflage der "Religionsphilosophie" ersetzte Scholz das Adjektiv akosmistisch jedoch durch "unirdisch".
Literatur
ADAM, Karl, Das Wesen des Katholizismus, Tübingen 131957, S. 78-89.
ADAM, Karl, Der Weg der erfahrungsmäßigen Gotteserkenntnis. Eine Auseinandersetzung mit Heinrich Scholz, in: ADAM, Karl, Glaube und Glaubenswissenschaft im Katholizismus. Vorträge und Aufsätze, Rottenburg 21923, S. 92-142.
FRANZ, Albert, Akosmismus, in: Lexikon für Theologie und Kirche3 1 (1993), Sp. 293 f.
KIRCHNER, Friedrich / MICHAELIS, Carl, Akosmismus, in: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe, Leipzig 51907, S. 30.
KÖCK, Michael F., Die Bedingungen von Gotteserfahrung nach Heinrich Scholz, Frankfurt am Main u. a. 1998, S. 67-70.
SCHOLZ, Heinrich, Religionsphilosophie, Berlin 1921, S. 201, 203.
Empfohlene Zitierweise
Akosmismus, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1862, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1862. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 29.01.2018, letzte Änderung am 10.09.2018.
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