Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses am 25. Oktober 1917

Die Mehrheitsparteien erarbeiten am 22. Oktober ein Programm, auf das sie Reichskanzler Georg Michaelis verpflichten wollten:
1. Festlegung des Reichskanzlers in der Außenpolitik auf die Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli des Jahres,
2. Umsetzung der preußischen Wahlrechtsreform gemäß der Osterbotschaft Kaiser Wilhelms II.,
3. Beseitigung der Pressezensur und der Einmischung des Militärs in die Politik,
4. Verbesserungen im Bereich der Sozialgesetzgebung.
Der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger setzte sich in der Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses am 23. Oktober mit der Forderung nach einem Treffen der Vertreter der Mehrheitsparteien mit dem Chef des Geheimen Zivilkabinetts Rudolf von Valentini durch. Das erarbeitete Programm sollte dabei Valentini vorgelegt werden.
Zusätzlich wurde am 23. Oktober eine Verbalnote für die mündlichen Verhandlungen der Parteienvertreter, die noch an demselben Tag stattfand, erstellt. In dieser forderten die Mehrheitsparteien, dass in dem Fall, dass Reichskanzler Georg Michaelis vom Kaiser abgesetzt werden sollte, der designierte Kanzler vor Amtsantritt mit den Mehrheitsparteien ein Regierungsprogramm erarbeiten sollte. Die Schwäche der Verhandlungsführung der Mehrheitsparteien lag allerdings darin, dass sie keinen eigenen Kanzlerkandidaten vorschlugen. Sie wagten den Schritt zur Parlamentarisierung der Reichsleitung, die auf den Widerspruch des Kaisers gestoßen wäre, nicht. Valentini sah im Gegensatz zu den Mehrheitsparteien allerdings keine Notwendigkeit zu einem Kanzlerwechsel gegeben.
Am Morgen des 25. Oktobers besuchte der Zentrumsabgeordnete Karl Trimborn erneut Valentini, um die Position Kaiser Wilhelms II. in der Kanzlerkrise in Erfahrung zu bringen. Der Chef des Zivilkabinetts teilte ihm mit, dass eine Entscheidung nicht vor Mitte der kommenden Woche gefällt werden würde, dass der Kaiser die Mehrheitsparteien nicht um eine Kandidatenliste für das Amt des Reichskanzlers bitten werde und dass eine Besprechung eines möglichen neuen Reichskanzlers mit den Mehrheitsparteien über ein Regierungsprogramm nicht ausgeschlossen sei.
In der Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses am 25. Oktober 1917 erstattete Trimborn über die Ergebnisse seines Treffens mit Valentini Bericht.
Quellen
MATTHIAS, Erich / MORSEY, Rudolf (Bearb.), Der Interfraktionelle Ausschuß 1917/18, Bd. 1 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Reihe 1: Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik 1), Düsseldorf 1959, Nr. 55a-e, S. 233-252, Nr. 57a-d, S. 253-265, Nr. 58, S. 265-266, Nr. 63a-d, S. 301-318.
Literatur
BERMBACH, Udo, Vorformen parlamentarischer Kabinettsbildung in Deutschland. Der Interfraktionelle Ausschuss 1917/18 und die Parlamentarisierung der Reichsregierung (Politische Forschungen 8), Köln 1967.
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 5: Weltkrieg, Revolution und Reichserneuerung 1914-1919, Stuttgart u. a. 1978, S. 380-385.
Empfohlene Zitierweise
Sitzung des Interfraktionellen Ausschusses am 25. Oktober 1917, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 19040, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/19040. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 25.02.2013.
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