Denkschrift Czernins für Kaiser Karl I. von Österreich vom 12. April 1917
Matthias Erzberger bekam wahrscheinlich am 21. April im Auswärtigen Amt mit Billigung des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg Einsicht in diese Denkschrift. Sie machte großen Eindruck auf ihn und festigte in ihm die Ansicht, dass ein Verständigungsfrieden notwendig und eine dementsprechende Friedensresolution im Reichstag zu unterstützen sei. Am folgenden Tag traf er in Wien im Auftrag der Reichsregierung persönlich mit Czernin zusammen und stand auch in der Folgezeit mit ihm in Kontakt. Am 23. April erhielt Erzberger zudem eine Audienz bei Karl I. Dieser überreichte ihm ein Exemplar der Denkschrift zu seiner freien Verfügung.
Nach der Verabschiedung der Friedensresolution am 19. Juli musste Erzberger sein Vorgehen am 23. Juli in Frankfurt vor zahlreichen führenden Zentrumspolitikern rechtfertigen. Um den rechten Parteiflügel zu überzeugen, las Erzberger auch aus der Denkschrift vor, bat aber um ihre strenge Geheimhaltung. Dies hatte durchschlagenden Erfolg und verschaffte ihm die Zustimmung aller Anwesenden. Jedoch brachte ihm dieses Vorgehen eine nachhaltige Schädigung seines Rufes ein, nachdem die Entente im Spätsommer 1917 Kenntnis von der Denkschrift erlangt hatte, obgleich nicht geklärt ist, ob dies tatsächlich Erzbergers Schuld war. In seinen Memoiren "Erlebnisse im Weltkrieg" rechtfertigte Erzberger sein Handeln und wies eine Verantwortung für das Bekanntwerden der Denkschrift zurück.
Quellen
ERZBERGER, Matthias, Erlebnisse im Weltkrieg, Stuttgart / Berlin 1920, S. 116-122.
Literatur
EPSTEIN, Klaus, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, Berlin / Frankfurt am Main 1962, S. 193-195, 210, 229-231.
MECKLING, Ingeborg, Die Außenpolitik des Grafen Czernin (Österreich Archiv / Schriftenreihe des Instituts für Österreichkunde), München 1969, S. 223, Anm. 14.