Ultramontanismus

Der Terminus ultramontan wurde zunächst in einem neutralen Sinn, "jenseits der Alpen", gebraucht und erhielt im 18. Jahrhundert durch den Trierer Weihbischof Johann Nikolaus von Hondheim (1701-1790), der sich unter dem Pseudonym Justinus Febronius gegen den päpstlichen Jurisdiktionsprimat wandte, eine dezidiert negative Konnotation. Er wurde in polemischer Absicht von Seiten liberaler (besonders deutscher) Katholiken auf die Vertreter der römisch-papalen Ekklesiologie angewandt. Wertneutral benutzt man ihn heute für die geschichtliche Richtung des Katholizismus, die sich im 19. Jahrhundert durchsetzte und die weitere Kirchengeschichte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts entscheidend bestimmte.
Als wesentliche Kennzeichen für den Ultramontanismus können gelten: 1. eine römisch-päpstliche Ausrichtung in Orthodoxie und Orthopraxie, 2. Übernahme der Denk- und Frömmigkeitsformen des nachtridentinischen und jesuitischen Katholizismus mit dem damit verbundenen antiaufklärerischen und antirevolutionärem Habitus, 3. Befürwortung der Neuscholastik, 4. der Kampf gegen das Staatskirchentum und 5. seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine zunehmend populistische Tendenz unter Verwendung moderner Mittel wie Presse und Vereinswesen.
Die Französische Revolution, der Zusammenbruch der alten Kirchenverfassung in Deutschland und Frankreich, die Romantik, die Defensivsituation der Kirche seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und die neuen gesellschaftlichen Strukturen des beginnenden demokratischen Zeitalters bilden die historische Konstellation für die Genese des UltramontanismuS. Als vordringliche Richtung entwickelte er sich seit 1815 vornehmlich durch Einzelvertreter und Gruppierungen. Zusammengehalten wurde er durch den Kampf um die "libertas ecclesiae" vom (protestantischen) Staat. Seit der Jahrhundertmitte forcierte Papst Pius IX. seine Breitendurchsetzung, zum einen durch gezielte römische Aktionen (z. B. durch die Nuntiaturen), zum anderen durch die Errichtung einer katholischen Volksbewegung. Der Papst vertrat eine zunehmend antiliberale und antimoderne Sicht und versuchte, eine kirchliche Geschlossenheit im Innern und eine Abschließung nach außen durchzusetzen. Gipfelpunkte des Ultramontanismus waren die Dogmatisierung der "immaculata conceptio" von 1854, die Publikation des "Syllabus errorum" von 1864 und das Erste Vatikanische Konzil 1869/70.
Literatur
SCHATZ, Klaus, Ultramontanismus, in: Lexikon für Theologie und Kirche3 10 (2001), Sp. 360-362.
WEIß, Otto, Der Ultramontanismus. Grundlagen – Vorgeschichte – Struktur, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 41 (1978), S. 821-877.
WOLF, Hubert, Katholische Kirchengeschichte im "langen" 19. Jahrhundert von 1789 bis 1918, in: DERS. (Hg.), Ökumenische Kirchengeschichte, Bd. 3: Von der Französischen Revolution bis 1989, Darmstadt 2007, S. 91-177, hier 121-152.
Empfohlene Zitierweise
Ultramontanismus, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 7059, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/7059. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 25.03.2013.
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