Dokument-Nr. 11759
Marx, Wilhelm an Pacelli, Eugenio
Berlin, 25. November 1927

Abschrift!
Eure Exzellenz
hatten die Güte, sich vor einiger Zeit für einen Herrn Binz in Trier zu verwenden, der infolge seiner Tätigkeit während der Separatistenbewegung aus seiner Stellung beim Trierer Bauernverein entlassen worden war. Ich bin der Angelegenheit nachgegangen und habe von allen in Betracht kommenden Stellen mir Bericht erstatten lassen.
Der Herr Regierungspräsident in Trier hat berichtet, daß der kommandierende General des französischen 33. Armee-Korps Rampont bei seinem Abschiedsbesuch ausdrücklich auf den schon wiederholt von den Behörden behandelten Fall des ehemaligen Separatisten Binz zu sprechen gekommen sei. Er habe die Bitte ausgesprochen, der Herr Regierungspräsident möge sich dafür verwenden, daß Binz wieder beim Winzerverein eingestellt werde. Binz sei vom Trierer Bauernverein, dessen Angestellter er war, bereits vor dem passiven Widerstand wegen seines separatistischen Verhaltens entlassen worden. Es bestehe für die deutsche Behörde keine Möglichkeit, zu erwirken, daß Binz beim Winzerverband wieder angestellt werde, da dieser doch keine Behörde sondern nur eine freie wirtschaftliche Organisation sei. Wollte er, der Regie-
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rungspräsident, gleichwohl eine Einwirkung versuchen, so werde das in der Bevölkerung mit Recht Befremden und Erstaunen erwecken, zumal jetzt, nachdem gerade vor einiger Zeit in dem in Köln verhandelten Prozeß Limbourg wiederum neue Streiflichter auf die separatistische Tätigkeit des Binz gefallen seien.
Nach behördlichen Berichten von anderer Seite hat Binz bereits Ende 1921 im Trierer Sonntagsblatt einen Artikel mit unverhüllter separatistischer Tendenz veröffentlicht. Der Artikel fand allgemein lebhaften Widerspruch und erregte öffentlichen Unwillen. Der Bischof von Trier entzog gerade wegen dieses Artikels dem Sonntagsblatt den offiziösen Charakter, und der Trierische Bauernverein nahm infolgedessen Veranlassung, Binz aus seiner Redakteurstellung zu entlassen. Während der dann folgenden Separatistenzeit des Ruhrkampfes ließ Binz jede Rücksicht auf vaterländische Pflichten fallen. Er betätigte sich in Trier offen als Separatist, war Mitglied der separatistischen Regierung und einer der tätigsten Führer der ganzen Bewegung. Nach Niederbruch des Separatismus' nahm Binz eine Stelle bei der Verwaltung der französischen Coopérative in Trier an. Er ist jetzt noch bei der französischen Behörde beschäftigt. Gerade dieses fortgesetzte Zusammengehen mit der französischen Besatzung hat in Trier die Abneigung gegen ihn wachgehalten und macht es naturgemäß dem Trierer Bauern- und Winzerverein ganz unmöglich, den Binz wieder in Dienst zu nehmen.
Unter diesen Umständen muß ich es mir zu meinem Bedauern versagen, weitere Schritte zu Gunsten des Binz zu tun. Die Behörden können
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auf den Trierer Bauernverein nicht einwirken, weil es sich ja hier um eine rein private Organisation handelt. Eine Verwendung und Fürsprache zu Gunsten des Binz seitens einer Behörde würde nicht mit Unrecht den lebhaftesten Unwillen der vaterländisch-treuen Bevölkerung des Rheinlandes hervorrufen. Mehr wie alles Andere hat das unverantwortliche und vaterlandsverräterische Verhalten der Separatisten den Unwillen der rheinischen Bevölkerung erregt. Binz hat sich als ein besonders hartnäckiger Anhänger der unseligen separatistischen Bewegung bekundet, die unsägliches Unglück für viele treudeutsche Familien herbeigeführt hat. Noch im April 1926 hat er in seiner Wohnung in Trier eine Zusammenkunft mit verschiedenen bekannten Separatisten veranstaltet und die Erregung der Bevölkerung dadurch von neuem wieder aufgestachelt.
Euer Exzellenz möchte ich noch bemerken, daß die Frage der Begnadigung der Separatisten Gegenstand einer Aussprache zwischen Herrn Ministerpräsident Herriot und mir in London war. Ich habe damals schon darauf hingewiesen, daß gerade über diese Verräter und deren unheilvolle Tätigkeit die rheinische Bevölkerung mit Recht überaus erregt sei. Ich könnte der französischen Regierung nur den Rat erteilen, alle Separatisten, die sich noch in den besetzten Gebieten befinden, nach Frankreich zu schaffen und dort für ihr Unterkommen zu sorgen. Ich hielte es geradezu für einen Ausdruck der berechtigten Empfindungen echter Vaterlandsliebe, wenn sich die Bevölkerung mit tiefstem Abscheu gegen die Separatisten wende.
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Von einer Anwendung der Amnestiebestimmungen des Londoner Abkommens auf den Fall Binz kann keine Rede sein, da es sich um keine Bestrafung des Binz handelt, vielmehr die deutschen Behörden dem Binz gegenüber stets strikte Neutralität beobachtet haben. Eine behördliche positive Förderung einer so schwer belasteten Persönlichkeit wie Binz ist durch das Londoner Abkommen den deutschen Behörden nicht auferlegt worden und kann auch nach der Lage der Dinge nicht von ihnen verlangt werden.
Es ist mir nach diesen Darlegungen nicht möglich, zu Gunsten des Binz irgend etwas zu veranlassen.
Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck der vollkommensten Hochachtung, mit der zu zeichnen ich die Ehre habe als
Euer Exzellenz
Ergebenster
(gz.) Marx.
Empfohlene Zitierweise
Marx, Wilhelm an Pacelli, Eugenio vom 25. November 1927, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 11759, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/11759. Letzter Zugriff am: 26.04.2024.
Online seit 25.02.2019.