Dokument-Nr. 13189

Herzinger, Anna: Entstehung d. Vereins "Kath. Heimatmission" in München,
Entwicklung desselben und meine Verstossung daraus.
Entstehung, Entwicklung und Verstossung.. München, 25. April 1925

Ich erachte es als eine Pflicht, der Wahrheit und Wahrhaftigkeit, zunächst auch über meine Persönlichkeit näheren Aufschluss zu geben, so schwer es mich auch ankommt dies zu tun. Als unerfahrenes Mädchen vom Lande kam ich in die Stadt, wo ich gewissenloser Verführung anheim fiel das nicht ohne Folgen blieb. Der liebe Gott aber, der die Seinen kennt, öffnete mir die Augen, die Gewissenlosigkeit und Nichtigkeit der Welt zu erkennen und es war mir als wäre mir eine Binde von den Augen gefallen.- Es war im Jahre QOPP 1900 als ich im Alter von 23 Jahren war. Ich zog mich gänzlich von der Welt und allem was Weltfreude war zurück und lebte nur noch meinem Berufe als Buchhalterin und dem Gebete. Dabei wurde ich immer glücklicher und glücklicher, man kann es nicht schildern wie glücklich eine Seele werden und sein kann, wenn sie so ganz und gar (nicht blos halbwegs) dem lieben Gott sich weiht und in seiner Liebe lebt; umsomehr, wenn diese Weltloslösung nicht aus äusseren natürlichen Beweggründen, sondern wirklich auf innere Erleuchtung, Gnade und Liebe Gottes beruht, wie es bei mir der Fall war.
Nach etwa 7jährigen, so glücklichen Seelenlebens in der Liebe Gottes, bekam ich immer mehr die Sehnsucht ganz und ungeteilt dem lieben Gott auch beruflich mein Leben zu weihen. Dabei hatte ich die Sehnsucht alle Menschen auch so glücklich zu machen wie ich es geworden bin. Ich lernte durch eigene Erfahrung kennen welch ein Unterschied ist, zwischen einem Katholiken, der mehr oder weniger ein Weltkind ist - und einem wirklichen Gotteskind. Ich wollte daher alle Menschen von der Welt abwenden und zu wahre [sic] Gotteskinder machen <(>und<)>1 und jene welche abseits gekommen sind, wieder zurückzuführen.
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Ich fand, dass gerade darin eine Lücke besteht bzw. bestand, dass man zwar viele Orden hat, die alle einen schönen, edlen Beruf und Zweck haben, aber im Weltleben trotzdem es immer traueriger aussehend wird im Glaubens- und Sittenleben und so auch immer schwerer und weiter umfassend die Grossstadtseelsorge wird.
In meinem Innern sagte es mir: Wir bräuchten Schwestern die selbst losgelöst von aller Welt und Weltanhänglichkeit, ein Ordensleben führen und doch mitten in das Welt-Familien und Sündenleben hineingehen, die verlorenen und verirrten Seelen aufzusuchen und ihnen nachzugehen was bei diesen grossen Grossstadtpfarreien der Hochwürdigen Stadtpfargeistlichkeit [sic] wegen Zeitmangel unmöglich ist. Diese Schwestern sollten unter der Leitung der kirchlichen Autorität, den Hochwürdigen Priestern und Pfarrgeistlichkeit gleichsam in die Hände arbeiten, als lebendige Engel Gottes, die Seelen aufwärts zu führen helfen.
In der Meinung wird man mir armen, einfachen Mädchen wenig oder gar kein Vertrauen schenken, dachte ich es wäre vielleicht besser und einfacher ein solches neues Unternehmen an einen alten Orden anzugliedern. Ich bat daher in 3 Orden um Aufnahme, aber ich wurde überall abgewiesen wegen meiner Jugendverfehlung. Ich glaubte alsdann der liebe Gott will es nicht auf diese Weise, sondern als neues werk [sic] und Unternehmen. Ich schrieb dann meine Erstlingspläne nieder, in welchen ich damals hauptsächlich unent<gel>dliche2 häusliche Arbeiten als Mittel zum Zweck gedachte, um überhaupt Eingang in die Familien zu bekommen und daran die Seelenarbeiten anzuknüpfen.
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Zunächst unterbreitete ich meine Pläne meinem H. H. Beichtvater P. Heribert Holzapfel, Franziskaner und glaubte ihm eine Freude zu machen, statt dessen wollte er nichts davon wissen und versagte mir jegliche Hilfe. Auf meine Frage ob er sich deshalb der Sache nicht annimmt, ob meiner Jugendverfehlung, ob ich zu unwürdig bin, verneinte er dieses.
Hochwürden wehrte mir auch nicht das Streben, daher ich auch nicht im Ungehorsam handelte, indem ich weitere Hilfe suchte. Gelegentlich meiner wiederholten Bitte an meinen H. H. Beichtvater, äusserte er sich in der Weise, dass, wenn etwas daraus werden soll, es auch ohne ihn geschieht. Hochwürden äusserte sich auch dass er mich nicht als die geeignete Person hält, ohne Angabe eines Grundes, <(>und obig genannten verneinte<)>3, auch mir keinerlei Anleitung gab, mich etwa geeignet zu machen, falls es sich um charakteristische, oder seelische Fehler gehandelt hätte.
Im Jahre 1911 legte ich diese Pläne dem Hochwürdigsten Herrn Kardinal von Bettinger vor. Der Hochwürdigste Herr Kardinal zeigte sich nicht direkt ablehnend aber auch nicht helfend und zog namentlich die finanzielle Lage in Frage.
Sr. Eminenz von Bettinger, Kardinal und Erzbischof, sagte mir, es müsste erst von privater Seite ein kleiner Anfang gemacht werden und dann, wenn die Sache einmal weiter gediehen sein wird und gut erscheint, kann man an das Hochw. Ordinariat herangehen, zunächst zur Belobung d. h. wenn die die [sic] Sache belobt werden kann, und nach weiteren Gedeihen <(>an<)>4 eine Approbation oder Genehmigung erfolgen kann. Daraufhin suchte ich bei verschiedenen Stellen Hilfe; Anerkennung, dass man so etwas bräuchte, bekam ich oft, aber nirgends Hilfe.
Im Jahre 1914 lernte ich dann, durch sichtliche Fügung Gottes H. H. P. Hermenegild, Kapuziner, kennen, der jetzt in St. Ingbert ist (Saargebiet). Dieser hatte großes Interesse
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und stand mir zunächst brieflich beratend und ermutigend zur Seite. Im Jahre 1915 bekam ich dann durch Vermittlung des H. H. P. Hermenegild, private Anstellung als Fürsorgefräulein im Kloster der Frauen zum guten Hirten und habe ich daher meinen Kaufmannsberuf als Buchhalterin aufgegeben. Ich glaubte und hoffte man könnte vielleicht mein Unternehmen an diesen Orden (welcher eine Besserungsanstalt für Mädchen hat) anschliessen. Die damalige ehrwürdige Frau Provinzialoberin war aber nicht dazu zu gewinnen. Sie erlaubte jedoch später dass ich halbtagsweise meine Misionsarbeiten auf privatem Wege beginnen durfte. Aus Dankbarkeit stehe ich heute noch in brieflicher Verbindung mit ihr. Sie ist jetzt in Berlin und heisst Schw. Maria Brugberger.
Wie ich alsdann meine Arbeiten begann und was ich in denselben leistete, steht schon in der kurzen Zusammenfassung und kann <ich>5 dies bei dieser Ausführung umgehen. Vielleicht nur kurz beifügen will, dass ich hauptsächlich wilde Ehen zur kirchlichen Trauung brachte, ca. 300 Paare. Es war nicht der Zweck meiner Bestrebung allein, sonden [sic] es war eben gerade dies eine vordringliche Arbeit, weil im Krieg sich massenhaft Leute nur standesamtlich trauen liessen.
Nach kurzen Arbeiten, kam durch Vermittlung des Hochw. Herrn Pater Hermenegild die Sache in die Stadtpfarrer-Konferenz und ich wurde daraufhin vom H. H. Geistl. Rat Becker, Stadtpfarrer von St. Peter veranlasst, bzw. der Antrag gegeben, dass ich mir eine Wohnung nehmen kann und auch eine Helferin und dass ich von ihm durch einen Verein unterstützt werde und der Sache einen kleinen beruflichen Anfang machen. Ich hahm diesen Antrag an, und verliess meine Anstellung im Kloster im Jahre 1918.
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Nachdem verschieden Zweifel bestanden, ob sich diese Arbeiten in Schwesternkleidung ausüben lassen, wollte ich daüber [sic] den Beweis erbringen und nahm zu meiner einfachen schwarzen Kleidung und Hut, ein einfaches Häubchen mit Schulterkrägerl. H. H. P. Hermenegild meinte dies könnte nicht schaden. Ich ging zum Hochw. Herrn Generalvikar Huber, welcher nichts dagegen hatte und sehr gütig mit mir war; später habe ich erfahren, dass mir dies, obwohl von mir es nur gut gemeint war, recht übel angerechnet <wurde>6. Ich betrachte dies nie als eine so bleibende Kleidung, sondern mehr als Uebergangs oder Kandidatenkleidung.
Einige Zeit später wurde dann H. H. P. Hermenegild nach München versetzt um das Werk zu leiten, bzw. das neue Unternehmen. Es wäre ganz nett vorangegangen, allein es fehlte uns noch die Gunst des Hochw. Ordinariates. Wir hatten zwar kein Verbot aber auch keine Hilfe und zwar darum nicht, weil der Hochw. Herr Generalvikar Dr. Buchberger <(>, nach dem Tode von H. H. Generalvikar Huber<)>7, zu mir kein Vertrauen hatte, wie ich später hörte, wegen meines Jugendfehltrittes einerseits und andererseits ob meines armen, einfachen und unansehnlichen Standes, mich nicht geeignet hielt und kein Vertrauen zu mir hatte, wie es nach allem Anschein <auch>8 noch heute der Fall ist.
Ich wäre aber jederzeit bereit gewesen eine untergeordnet Stellung einzunehmen, wenn die Hochw. kirchliche Autorität eine geeignetere, angesehene Persönlichkeit an die Spitze gestellt hätte und dies in gütigen Einvernehmen und wohlwollender Weise geschehen wäre. Trotz aller Arbeiten und Erfolge, sowie der unerschütterlichen Ausdauer, konnte ich <(>mir<)>9 nicht die Gunst und das Vertrauen der Hochw.>10kirchlichen Autorität erreichen, was mir oft sehr wehe tat und heute
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noch bitter darunter leide, umsomehr als ich fest glaube, dass dann wenn ich eine Dame besseren oder höheren Standes wäre sicher eine Jugendverfehlung, die ein Menschenalter zurück liegt keine Ursache mehr bilden würde, mir deshalb, so ganz alles Wohlwollen und Vertrauen zu entziehen.
Zu diesem Hemmnis, arbeitete offenbar der böse Feind auch noch andererseits dagegen. Eine als Kandidatin aufgenommene Kriegerswitwe, wollte sich an die Spitze bringen und um dies zu erreichen, verleumdete sie mich beim Provinzialat in Altötting und dieses schenkte ihr ohne weiteres Vertrauen und so wurde H. H. P. Hermenegild wieder von der Leitung zurückgezogen und ich stand wieder hilflos da. Wie ich nun erst vor kurzer Zeit erfuhr hatte es sich später herausgestellt, aus welchen Gründen diese Kandidatin dies tat.- An sich war es sichtlich zu erkennen, wie der böse Feind gegen mich arbeitete; dies wurde auch von Priestern anerkannt. Was ich also alles durchmachte, lässt sich hier in kurzen Worten schriftlich nicht niederschreiben.
Es war dies gerade als H. H. P. Hermenegild an das Hochw. Ordinariat eine Eingabe machte, welche<s>11 dann, jedenfall, in dieser Kenntnis <von>12 der Zurückziehung des H. H. P. Hermengild, die Eingabe ablehnend beschieden <(>wurde<)>13 <hatte>14. Die Kandidatinen [sic] zogen sich daraufhin wieder zurück.
Es wurde mir aber weder das Weiterarbeiten noch das Weiterstreben verboten und nachdem ich schon öfter hörte, dass Neu-Unternehmungen oft nicht auf das erstemal genehmigt werden, so hoffte ich weiter gegen alle Hoffnung.-
Ich blieb daher beharrlich und hoffte auf weitere Hilfe und Führung Gottes. Auf Anraten von Laien, das geplante Werk zunächst als weltlichen Verein, auf die Füsse zu stellen, folgte ich dieser Auffassung, weches unter Mitwirkung von Laien dann auch gelang.
So wurde also im Juni 1920 das geplante Werk offiziell in das Dasein gerufen unter dem Titel "Kath. Heimatmission" E. V.
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Damit folgte ich auch der seinerzeitigen Anweisung des Hochw. Herrn Kardinal von Bettinger. Wir beabsichtigten nun den Verein etwas heranwachsen zu lassen und dann uns neuerdings an das Hochw. Ordinariat zu wenden, was dann auch nach etwa 3/4 Jahr erfolgte. Es wurden unsere Vereinsstatuten eingereicht; der Verein zählte schon mehrere Hundert Mitglieder und es bestand gute Aussicht, sobald der Verein mit der kirchlichen Behörde in Ordnung sein wird, rasch vorwärts zu schreiten mit der Entwicklung des Werkes. Wir hatten die Hoffnung, dass das Hochwürdigste Ordinariat unserem Vereine nun ein wohlgeneigtes Entgegenkommen zu teil werden lässt nachdem wir gerne bereit waren die Satzungen nach dem Wunsche des Hochwürdigen Ordinariates abzuändern und das ganze Werk unter die Leitung der kIrchlichen Autorität zu stellen.
Ich hatte in der Zwischenzeit ohne geistliche Leitung in jeder Beziehung die denkbarst schwere Lage, so dass ich mit Sehnsucht erwartete endlich die Sache in Ordnung zu kommen.
Im Jahre 1922 erfolgte dann die Hochw. Oberhirtliche Genehmigung des Vereines, aber in einer Weise, wie es für mich meine gänzliche Verstossnung aus dem Werke zur Folge hatte.
Eine Generaldirektorswitwe, Namens [sic] Pfeilschifter, war ein par [sic] Jahre in dem Verein der hl. Familie. Dort war sie mit ca. 3 Schwestern ausgetreten, um auch etwas ähnliches wie unser Werk und Verein, zu gründen. Frau Pfeilchifter [sic] genoss das vollste Vertrauen beim Hochwürdigsten Herrn Generalvikar Weihbischof Dr. Buchberger, obwohl wir mehrseitig zu Gehör bekommen haben, dass Frau Pfeilschifter gar nicht schön von dem anderen Verein wegkam. Es wurde mir daher vom Hochw. Herrn Domkap. Dr. Müller jetzigen Bischof von Schweden, in der Weise die Sache nahe gelegt, damit Frau Pfeilschifter nicht wieder einen neuen Verein zu gründen braucht, will das Hochwürdigste Ordinariat und Sr. Eminenz der Hochwürdigste Herr Kardinal, dass Frau Pfeilschifter
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mit ihrer beabsichtigten Gründung uns angeschlossen wird, bzw. ihr unser Verein übergeben und sie an die Spitze gestellt werden muss. Es wurde aber dann doch ein zweiter Verein gegründet dadurch, dass die Schwestern des Vereines zu einem neuen Verein gemacht wurden, während sie erst in den Unterstützungsverein eingereiht waren, wenigstens so lange es so zu lassen gedachten, bis die Schwestern zu einer selbständigen Vereinigung herangewachsen gewesen wären.
Ich willigte nun zu allem ein, gerade deshalb um der Hochwürdigsten kirchlichen Autorität zu zeigen, dass ich nicht ehr- und rangsüchtig bin, dass es mir wirklich nur um das Werk ist. Ich hoffte aber, dass ich dauernd in dem Werke bleiben kann und dass man mir einigermassen ein verständnisvolles, rücksichtsvolles Entgegenkommen zu teil werden lässt, in Anbetracht meiner jahrelangen Vorarbeiten <(>und<)>15 <als>16 Urheberin des Werkes.
Es tat mir allerdings sehr wehe, dass die Hochw. kirchliche Autorität, bei all meinem guten ehrlichen Streben und Arbeiten und auch Leistungen, kein Vertrauen mir schenkte und ich glaube menschlich fühlend wird mir dies auch verzeihlich sein.
In meiner Ergebung und in meinem Vertrauen, wurde ich aber bitter geteuscht [sic]. Als ich vollständig hilflos und wehrlos dastand, brachte es Frau Pfeilschifter alsbald fertig, mich gänzlich hinauszustossen, aus der Schwesternvereinigung und aus meinem jahrelang erkämpften Werke.
Es war im Februar 1922 als dies geschah und die Frau Pfeilschifter mit ihren Schwestern in meine schon ganz nett eingerichtete 5 Zimmerwohmung [sic] einzog. Man nahm alles in Besitz als Vereins-Eigentum, obwohl das meiste <(>ich<)>17 schon vor der offiziellen Vereinsgründung ich erspart und geschenkt erhalten hatte.
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Nach ein par [sic] Monaten im Juni, unter Angabe als Grund, meine Jugendverfehlung, ohne aller weiteren Grundangabe, hatte mich der Sekretär des Vereines H. H. P. Bertrand Bühler, während der Abwesenheit des H. H. P. Direktors H. H. P. Heribert Holzapfel, Franziskaner, ausgeschlossen, ehe am 2. Juli eine sogenannte Einkleidung stattfand. Wie vom Blitze getroffen in grösster Bestürzung wies ich Hochwürden Herrn Sekretär darauf hin, dass ich an eine solche Ausschliessung, wegen meiner Jugendverfehlung, am allerwenigsten gedacht hätte, umso weniger, da H. H. P. Heribert Holzapfel, Direktor der Kath. Heimatmission, mein Beichtvater lange Jahre war. Als der H. H. P. Bertrand, der Sekretär dies hörte und auch andere Personen gegen diesen Grund ihre Missbilliung [sic] äusserten, so suchte man dann nach anderen Gründen. Man zog Lappalien aus Tischgesprächen und Wortverdrehungen dazu und endlich musste die entscheidende Ursache "der nicht rechte Geist" sein. Wie hätte ich mich aber auch gegen diesen Grund mündlich wehren und den Gegenbeweis liefern können? Ich nahm an, dass H. H. P. Bertrand nicht wusste, dass H. H. P. Direktor Jahre lang mein Beichtvater war und daher nachdem sonst kein Verschulden vorlag, das eine Ausschliessung verdient hätte, glaubte der H. H. Sekretär wohl, gegen diesen Grund mich nicht wehren zu können.
Ich kann es nicht für möglich halten, dass eine Jugendverfehlung eines unerfahrenen Mädchens, das noch dazu mehr als zwanzig Jahre zurückliegt, kaum einzelne Personen noch etwas davon wussten, und ein zweijahrzehnte langes Leben der Busse eines gänzlich weltlosgelösten, religiösen Lebens, seither an den Tag gelegt habe, wirklich noch ein Grund ist zu einer derartigen Ausschliessung, das nur ein Verein ist, indem man sogar eine geschiedene Frau dabei hatte, deren Mann noch lebt.
Nachdem ich wirklich mit guten Gewissen mir sagen kann, dass ich mir nichts zu schulden kommen liess, was eine Ausschließung und derartige Verstossung verdient hätte, kann es wohl nur, was Frau Oberschwester Pfeilscifter [sic] anbelangt, auf Rivalitätsgründe zurückzuführen sein, denn sie wollte doch diese Gründung für sich beanspruchen, während in Wirklichkeit sie nur in meine Gründung hinein getan wurde, daher sollte sie mich jedenfall ganz wegräumen
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um ihr nicht rangstreitig werden zu können.
Dieser Grund wird nun allerdings nicht zugegeben.
Dieser Grund wird nun allerdings nicht zugegeben.
Mich bei der Rückkehr an den Hochw. Herrn Direktor zu wenden hätte nichts genützt, denn sein Verhalten mir gegenüber war von der ersten Stunde an, als er das Werk in die Hände bekam, derart, dass es eher den Anschein für mich hatte, als dass es vereinbarte Sache war, ausgenommen davon, die Art und Weise, wie man dieselbe vollbrachte, nämlich, dass man dazu noch die so weit zurückliegende Jugendverfehlung hervorgezogen hatte.
Desgleichen hätte mich auch nichts genützt, mich an den Hochw. Herrn Generalvikar und Weihbischof Dr. M. Buchberger zu wenden, da ich ja gerade von diser [sic] Stelle aus, jahrelang als ungeeignet hilflos gelassen wurde und trotz aller Bemühungen und Leistungen das Vertrauen nicht erwerben konnte.
Sr. Eminenz Hochwürdigsten Herrn Kardinal, habe ich jedoch die ganze Sache mitgeteilt, doch zu meinem tiefsten Schmerze auch vergeblich um Hilfe gesucht und auch niemals auf mein Bitten mir eine allergnädigste Audienz erteilt wurde, dass ich mich einmal mündlich hätte aussprechen können. Es tat mir dies recht weh und leide bitter darunter, nachdem ich mich jahrelang müde gearbeitet hatte und nur der liebe Gott weiss, wie viel ich mich oft abredete in Verteidigung von Glaube, Kirche und der Hochw. Priester und ich aber kein Mitleid und keine Hilfe zu finden weiss.
Vor ein Jahr ungefähr erhielt ich doch ein Zeichen einiger Teilnahme und helfender Güte von Sr. Eminenz Hochwürdigsten Herrn Kardinal, durch eine Schenkung von 70 Mk. Zu einer Steuerkarte mit der Beifüggung [sic] des Wunsches, dass ich dem Dienste für die Sache Gottes treu bleiben möge. Dies war mir eine große Freude und ein Trost, allein meine Lage ist bis heute unverändert und keine Aussicht auf eine Hilfe habe.
Vielleicht darf ich auch noch anschliessen, dass man mich auch Obdachlos [sic] gemacht hätte, wenn ich nicht im Schutze des Wohnungsamtes gestanden wäre. Ein volles halbes Jahr, musste ich mir in einer armen Arbeitersfamilie mein Essen kochen, auf fremden Herd und über die Strasse tragen, trotzdem als die Schwestern
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beim Einzug einen grossen Lebensmittelvorrat von mir erhielten.
Man hatte mich in schwerster Zeit, berufslos und brodlos [sic] auf die Strasse gesetzt und keines meiner Verstosser kümmerte sich, ob ich auch etwas zu essen habe.- Der liebe Gott aber sorgte für mich durch einen edeldenkenden Hochw. Herrn Abt aus Amerika, welcher mir erst 20 und später QP 10 Dollar sandte, mit welchen ich mich durch kluge und sparsame Verwendung über jene furchtbare Teuerung der Inflationszeit retten konnte.
Seit 3 Jahre, leide und dulde ich nun in dieser trauerigen Lage der Verstossung.
Ende voriges Jahr hatte ich nun allerdings einen Fingerzeig Gottes zu erblicken gehofft, dadurch dass jene Frau Oberschwester Pfeilstifter [sic] durch welche ich erst verdrängt und dann gänzlich verstossen wurde, unter der Zeit abgesetzt wurde.
Der Hochwürdigste Herr Direktor hatte sie inzwischen, in ihrem herrschsüchtigen Charakter kennen gelernt.- Dennoch aber blieb bis heute meine Ausschliessung und Verstossung bestehen.
digerHochwürden Herr P. Bonaventura Blattmann, ein altehrwürdiger im heiligmässigen Rufe stehender H. H. Pater, auch Franziskaner, ein späterer Beichtvater bis er schwer erkrankte, ist sehr teilnehmend mit mir und ist auch der Auffassung dass da nicht recht mit mir gehandelt wurde, namentlich dass man mich so ganz verstossen hatte. Er war aber gerade zu der Zeit sehr schwer krank. Auch andere H. H. Patres scheinen Teilnahme mit mir zu haben, aber es kann mir halt keiner helfen und gegen den H. H. P. Direktor auftreten.
Wie leicht wäre es gewesen eine Regelung zu treffen in der eine so gänzliche Verstossung mir gegenüber ferne zu halten gewesen wäre, nämlich, wenn man Frau Pfeilschifter die Abteilung der sozialen Aufgaben übergeben hätte und mir die direkten Missionsarbeiten, diese Abteilung, in welcher ich eingearbeitet gewesen wäre. Auf eine solche Weise hätte doch alles in einem Werke vereint und unter einer Leitung stehen können. Ich aber wäre doch mehr oder weniger in Schutz gewesen, von
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Frau Pfeilschifter aus Rivalitätsgründen ganz verdrängt und verstossen werden zu können.
Ich muss nun zum Schlusse kommen, mit der inständigen Bitte meinen wahrheitsgetreuen Ausführungen, eine gütig geneigte wohlwollende Gesinnung allergnädigst entgegen bringen zu wollen.
Es dürfte gewiss eine furchtbare schwere Prüfung sein, wenn ich es als eine solche betrachten will, oder soll, wenn man bedenkt, nahezu "zwei jahrzehnte" [sic] sich einen so edlen Lebenszweck und eine heilige Aufgabe <(>zu<)>18 zu stellen, als Lebensziel-„ und dann, wenn nach jahrelangen Kämpfen und Ringen daselbe [sic] erreicht gewesen wäre. Im herannahenden Alter nun auf die Strasse gestellt zu sein.
Jedoch wäre das noch nicht das Schlimmste, sondern viel schwerer ist die immer noch so grosse Sehnsucht in meinem Herzen, mein Leben dem lieben Gott in diesem Werke zu weihen.
Aus wirklich reiner Liebe zu Gott, habe ich mich von der Welt gänzlich abgewendet im schösten Jugendalter und nun ob ob meiner Jugendverfehlung muss ich wie es scheint, wenn ich keine Hilfe mehr erhalten sollte, nun verstossen sein. Besonders weh tut mir dieses, weil mein ehemaliger jahrelanger H. H. Beichtvater beteiligt ist. Er hätte mich wenigstens in Schutz nehmen können, um von der hineingestellten Frau Oberschwester Pfeilschifter nicht gänzlich hinausgestossen zu werden. Ich hätte ja gerne all die Jahre in welchen er mich hilflos liess, als Prüfung betrachtet, habe ich ja doch im Laufe der Zeit selbst durch die gemachten Erfahrungen begreifen gelernt, dass solche zurückhaltende Verhalten [sic], sehr wohl ihre guten Gründe haben. Aber durch meine jahrelange Ausdauer, -Leistungen- und endlich erreichten Ziele, hätte ich doch gehofft eine andere Gesinnung - zu verdienen, aber ich war<(>zu<)>19 bitter entteuscht [sic] und <bin>20 nahezu hoffnungslos -.
Gerade das tut mir so bitter weh und möchte mich oft ganz irre machen, wenn nicht die Liebe und Gnade Gottes mich immer wieder aufrecht halten würde.
Zum Schlisse [sic] bitte ich noch inständig, meine Ausführungen in keiner Weise als eine Anklage auffassen zu wollen, sondern <nur als sachliche Darlegungen>21
Anna Herzinger
Die Blattzählung ergibt sich aus der fehlerhaften Ablage der Denkschrift in den Akten.
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7"(" und ")" hds. eingefügt, vermutlich von der Absenderin.
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11Hds. eingefügt, vermutlich von der Absenderin.
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16Hds. eingefügt, vermutlich von der Absenderin.
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18"(" und ")" hds. eingefügt, vermutlich von der Absenderin.
19"(" und ")" hds. eingefügt, vermutlich von der Absenderin.
20Hds. eingefügt, vermutlich von der Absenderin.
21Hds. eingefügt, vermutlich von der Absenderin.
Empfohlene Zitierweise
Herzinger, Anna, Entstehung d. Vereins "Kath.Heimatmission" in München,Entwicklung desselben und meine Verstossung daraus.Entstehung, Entwicklung und Verstossung., München vom 25. April 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13189, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13189. Letzter Zugriff am: 28.04.2024.
Online seit 24.06.2016.