Dokument-Nr. 15078

Fleischer, Friedrich Wilhelm: zu G II 1117.1.. Berlin, 01. Dezember 1920

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Auf dem Ministerium erschien Herr Dompropst Schroeter aus Pelplin und berichtete, dass ihm am 11. November d. J. muendlich von dem polnischen Starosten aus Dirschau seine bevorstehende Ausweisung aus Polen angekuendigt sei. Drei Tage darauf habe er den als Anlage I nebst deutscher Uebersetzung hier angeschlossenen Ausweisungsbefehl vom 28. Oktober erhalten, durch den ihm aufgegeben sei, binnen 3 Wochen das Staatsgebiet zu verlassen. Noch vor Empfang dieses schriftlichen Befehls habe er gegen seine Ausweisung am 13. November d. J. beim Ministerium in Posen protestiert und darauf hingewiesen, dass er als Diener der katholischen Kirche sein ihm von dem kirchlichen Obern anvertrautes Amt nicht auf staatlichen Befehl im Stiche lassen duerfe. Er baete daher, den Ausweisungsbefehl zurueckzunehmen, zumal er sich nichts gegen den polnischen Staat habe zuschulden kommen lassen.
Als Antwort sei ihm dann der als Anlage 2 in deutscher Uebersetzung beigefuegte Ausweisungsbefehl zugegangen, welcher von ihm das Verlassen des polnischen Staatsgebietes binnen 48 Stunden verlangte. Zwei Tage darauf sei er von einem Amtsbruder gewarnt worden, dem Befehl ja zu entsprechen, da die polnische Gendarmerie bereits angewiesen sei, ihn, falls er bis zum Mittag Pelplin nicht verlassen habe, zu verhaften und dann am Abend, noetigenfalls gewaltsam, ueber die Grenze zu bringen. Er sei darauf freiwillig noch Vormittags des genannten Tages von
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 Pelplin abgefahren. Am Nachmittag desselben Tages seien tatsaechlich zwei polnische Polizisten, wie ihm spaeter berichtet worden, in seiner Wohnung erschienen und haetten seine Wirtin gefragt, ob er auch schon abgereist sei und ihr erklaert, dass er nach Pelplin nicht zurueckkehren duerfe. Er sei nur, mit wenig Sachen ausgeruestet von Pelplin fortgegangen. Seine Wohnungseinrichtung staende noch in der dortigen Domkurie. Irgend welche Gehaltszahlungen seien kirchlicher- oder staatlicherseits seit seiner Ausweisung nicht an ihn erfolgt.
Wenn ihm auch bekannt sei, dass der Staat nur fuer die unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten aus dem jetzt polnisch gewordenen Gebiet sorge, so glaube er doch, als ein aus staatlicher Praesentation ernannter Geistlicher, der um seiner deutschen Abstammung willen aus Polen ausgewiesen sei, auf die Fuersorge des Staates rechnen zu koennen.
Auf die Frage, ob er sich denn nicht an die kirchlichen Instanzen gewandt habe, um sein Recht den polnischen Behoerden gegenueber geltend zu machen, erklaerte Herr Schroeter, dass er gleichzeitig mit seinem Protest an das polnische Ministerium am 13. November auch an den Nuntius Ratti in Warschau eine Beschwerde eingereicht habe, sich am 18. November nach Empfang des schriftlichen Ausweisungsbefehls erneut an diesen gewandt und, da er auf seine Eingaben ohne Antwort geblieben, am 24. November, also kurz vor seiner Abreise aus Pelplin, den Nuntius telegraphisch um Hilfe gebeten habe. Aber auch hierauf sei ihm ein Bescheid nicht zuteil geworden.
Zur Beglaubigung
(gez.) Dr. Fleischer
Ministerialdirektor.
Empfohlene Zitierweise
Fleischer, Friedrich Wilhelm, zu GII1117.1., Berlin vom 01. Dezember 1920, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 15078, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/15078. Letzter Zugriff am: 25.05.2024.
Online seit 01.10.2013.