Dokument-Nr. 18757

[Unbekannt], in: [Unbekannt], vor dem 08. Februar 1927
W. T. B. teilt mit:
Den in der Oeffentlichkeit immer noch verbreiteten Gerüchten über geheime Vereinbarungen mit dem Vatikan anläßlich der letzten Regierungsbildung ist mittlerweile sowohl von kirchlicher Seite als auch durch die Rede des Zentrumsführers v. Guérard im Reichstag am 4. Februar scharf entgegengetreten worden. Seitens der Reichsregierung ist zu der Angelegenheit folgendes zu bemerken:
Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und dem Heiligen Stuhle über den Abschluß eines Reichskonkordates haben anläßlich der Bildung der neuen Reichsregierung nicht geschwebt.
Diese Frage ist in keinem Stadium der Besprechungen über die Regierungsbildung überhaupt nur berührt worden. Im übrigen kann über die in der Vergangenheit liegenden Konkordatsvorbereitungen folgendes mitgeteilt werden:
Das Problem einer Verständigung mit den kirchlichen Stellen über die vielfachen Wechselbeziehungen zwischen Staat und Kirche, soweit eine Reichszuständigkeit auf diesem Gebiete in Frage kommt, ist seit Erlaß der neuen Reichsverfassung fast von allen Reichskabinetten ernstlich erwogen worden. Ein früheres von Reichskanzler Dr. Marx geführtes Reichskabinett hat im Oktober 1924 beschlossen, die nötigen Vorarbeiten für ein Reichskonkordat wieder aufzunehmen. Aber auch Reichskanzler Dr. Luther hat immer auf den Abschluß eines derartigen Konkordats Wert gelegt. Es darf ferner an die Erklärungen erinnert werden, die am 30. Juni 1920 zwischen dem verstorbenen Reichspräsidenten Ebert und dem beim Reich beglaubigten pästlichen [sic] Herrn Nuntius gewechselt worden sind. Der Herr Nuntius hat damals bei Ueberreichung seines Beglaubigungsschreibens betont, es sei seine Aufgabe in Berlin, mit den zuständigen Stellen die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Deutschland von neuem zu regeln, wie es der neuen Lage und den heutigen Bedürfnissen entspreche. Herr Reichspräsident Ebert hat darauf erwidert, daß er mit dem Herrn Nuntius die Aufgabe, das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Deutschland neu zu regeln, zu lösen gedenke. Das solle geschehen auf Grund der Verfassung der Republik, die vollste Gewissensfreiheit verbürge.
Auf dieser Grundlage sind die zuständigen Ressorts seit längerer Zeit in einer Prüfung der einschlägigen staatsrechtlichen und kirchenpolitischen Fragen begriffen, ohne daß es aber – wie eingangs bereits hervorgehoben – zu irgendwelchen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl bisher gekommen ist.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom vor dem 08. Februar 1927, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 18757, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/18757. Letzter Zugriff am: 26.04.2024.
Online seit 25.02.2019.