Dokument-Nr. 2652
Rhandarkar, Divakar S. an Pacelli, Eugenio
Heidelberg, 04. Oktober 1918

Mir ist mitgeteilt worden, dass Seine Heiligkeit, der Päpstliche Vater, in seiner großen Güte sich an die Kaiserlich Deutsche Regierung gewandt hat, um sich über die Verhältnisse, unter denen ich hier lebe, zu unterrichten. Es scheint mir, dass eine ungenügende Nachrichtenübermittlung Seiner Heiligkeit ein irrtümliches Bild meiner jetzigen Lage gegeben hat; und so bitte ich die Nuntiatur Folgendes zum geneigten Ohre Seiner Heiligkeit bringen zu wollen:
Ich bin kein Parse, sondern ein Hindu. Ich bin auch nicht durch orientalische Forschungen bekannt; sondern damit kann nur mein verstorbener Vater, oder mein Großvater gemeint sein. – Im Dezember 1914, als es mir behördlicherseits befohlen wurde Strassburg i. E., zu verlassen, woselbst ich auf der Universität der Vollendung meiner These zur Erlangung des Doktor-Grades in Naturwissenschaften entgegensah, musste ich nach Heidelberg übersiedeln. Im Gegensatz zu der Universität in Strassburg, die mir die Fortsetzung meiner Studien untersagte, wurde mir hier in Heidelberg gütigst erlaubt auf der Universität zu studieren und eine neue wissenschaftliche Arbeit zu unternehmen. Letztere ist letztes Semester zu ihrem Abschluss gelangt; und ich hoffe zuversichtlich, dass man mir gestatten wird noch in diesem Semester die Doktor-Prüfung abzulegen.
Ich bin weder in einem Gefängnis noch in einem Internierungslager, sondern bewege mich innerhalb des Stadt-
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gebietes frei. Ich muss mich aber täglich einmal bei der Polizei melden, darf seit Ende 1915 die Stadtgrenze nicht überschreiten und habe auf eine Anfrage des India-Office nicht die Erlaubnis bekommen Deutschland zu verlassen.
Behördlicherseits bin ich in Heidelberg niemals schlecht behandelt worden. Auch in meinem Verkehr mit Privaten kann ich mich im Allgemeinen nicht beklagen.
Natürlich kamen im Kriege Geldsendungen oft mit großer Verspätung an, sodass ich, der ich als Inder einige deutsche Speisen nicht gut vertrage, manchmal Schwierigkeiten mit der Verpflegung hatte.
Seiner Heiligkeit, dem Päpstlichen Vater, werde ich zum ewigen Dank verpflichtet sein, wenn Seine Heiligkeit durch Ihre große Güte und durch Ihre einflussreiche Fürsprache mir die Erlaubnis erwirken könnte, dass ich, wenn ich in diesem Semester mein Doktorexamen gemacht haben werde, nach zehnjährigem Aufenthalte in Deutschland in meine Heimat zurückkehren dürfte, um endlich meine noch während des Krieges verwitwete Mutter und meine Geschwister wiederzusehen. Meine Familie ist auch nicht in der Lage die pekuniäre Bürde meines von mir unverschuldeten langen Aufenthaltes weiter zu tragen, obwohl sie mit aller Aufopferung mir bis jetzt den nötigen Beistand geleistet hat.
In aufrichtiger Verehrung Eurer Erinnerung
ganz ergebener
Divakar G. Rhandarkar
Empfohlene Zitierweise
Rhandarkar, Divakar S. an Pacelli, Eugenio vom 04. Oktober 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2652, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2652. Letzter Zugriff am: 02.05.2024.
Online seit 20.12.2011.