Dokument-Nr. 2810
Bayerischer Episkopat an Pacelli, Eugenio
Bamberg, 12. September 1919

Nachdem durch die Revolution alle Fürstenthrone in Deutschland gestürzt worden waren, musste man daran gehen, die Verfassung des deutschen Reiches sowohl als die der deutschen Einzelstaaten ganz neu zu gestalten.
Hierbei wurde zum größten Leidwesen aller treuen Katholiken in Deutschland und in erster Linie ihrer Oberhirten der christliche Charakter des Reiches und der Einzelstaaten vollständig aufgegeben; der Name der Kirche erscheint nicht mehr genannt; ungestörte Religionsübung wird zwar gewährleistet, aber alle Religionsgesellschaften sind vor dem Staate gleichberechtigt; im öffentlichen staatlichen Leben ist der Religion kein Einfluss eingeräumt.
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Was uns Bischöfe in Bayern besonders schmerzlich berührt, ist die Tatsache, dass das nunmehr seit einem Jahrhundert geltende Konkordat gröblich verletzt wurde, indem seitens des Freistaates Bayern der grundlegende Artikel I völlig außer Geltung gesetzt wurde.
Ebenso erfüllt uns mit Trauer und tiefer Besorgnis, dass in den neuen Verfassungen des deutschen Reiches wie Bayern die Rechte der Kirche auf die Schule in keiner Weise anerkannt werden, so dass der Kirche nicht einmal mehr ein Mitaufsichtsrecht über die religiös-sittliche Erziehung zugestanden wird.
Endlich wird zwar die Glaubens- und Gewissensfreiheit durch die Reichsverfassung (Art. 135) geschützt, die bayerische Verfassung aber setzt dazu fest, dass jeder Jugendliche vom vollendeten 16. Lebensjahre an über seine Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft entscheiden kann.
Da diese Aufstellung eines staatlichen Normaljahres zur Aufnahme in eine Kirche einen Eingriff in die kirchliche Freiheit und in das [sic] Bereich des Gewissens bedeutet, so können wir sie nicht als für die kirchlichen Verhältnisse bindend anerkennen; sie kann höchstens für die bürgerlichen Folgen eines Übertrittes Geltung haben.
Außer diesen und andern grundsätzlichen Bedenken gegen die deutsche und besonders die bayerische Verfassung hegen wir schwere Besorgnisse über die künftige Gestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat. Wir glauben, dass wir als verantwortliche Oberhirten der bayerischen Diözesen unsere Sorgen vertrauensvoll vor Ew. Exzellenz aussprechen und den Trost haben dürfen, dass Ew. Exzellenz als Vertreter des Hl. Vaters in Bayern an unsern Besorgnissen und Befürchtungen herzlichen Anteil nehmen und in erprobter Weisheit und Energie Mittel und Wege finden werden, die Lage der bedrängten bayerischen Diözesen wieder besser und hoffnungsvoller zu gestalten.
I.
Unsere erste Sorge bezieht sich auf die Frage, ob das Konkordat, durch das bisher das Verhältnis von Kirche und Staat in Bayern geregelt war
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auch nach Inkrafttreten der neuen bayerischen Verfassung noch fortbestehen wird.
Zwar hat die bayerische Staatsregierung resp. deren Präsident, der anfangs durch die Revolution auch das Konkordat beseitigt glaubte, nunmehr eingesehen und anerkannt, dass der feierlich geschlossene Vertrag zwischen den Hl. Stuhl und dem bayerischen Staate nicht einseitig aufgehoben werden könne, also auch jetzt noch zu recht bestehe; aber es bleibt immerhin die Gefahr, dass der bayerische Ministerpräsident aus irgendeinem Anlass die mit dem Hl. Stuhl eingeleiteten Verhandlungen plötzlich abbreche und die volle Trennung von Kirche und Staat und zwar im schlimmen Sinne herbeizuführen suche, wobei der Staat sich seiner finanziellen Verpflichtungen entzöge, ohne der Kirche Zeit und Möglichkeit zu lassen, rechtzeitig Ersatzeinrichtungen zu schaffen.
Die schweren Lasten, die dem ohnehin schon außerordentlich durch Steuern und Abgaben gedrückten Volke kirchlicherseits auferlegt werden müssten, würden eine große Belastungsprobe für eine kirchliche Treue bedeuten und es vielleicht einer einsetzenden kirchenfeindlichen Hetze zugänglicher machen.
Auch von kirchenfeindlicher Seite lassen sich schon Stimmen vernehmen die im Interesse der kirchlichen Freiheit und Selbständigkeit eine Aufhebung des Konkordates wünschen und der Meinung Ausdruck geben, die Fortdauer de Konkordates sei der sichere Tod der kirchlichen Freiheit.
Kein Wunder, dass die bayerischen Oberhirten im Bewusstsein ihrer Verantwortlichkeit äußerst besorgt in die Zukunft schauen.
Niemand kann dringender und glühender als wir Bischöfe die Freiheit der Kirche von allen staatlichen Fesseln und aller bureaukratischen Einschränkungen wünschen. Wir richten daher an Ew. Exzellenz die innigste Bitte, in den nun wohl eingeleiteten Verhandlungen mit aller Kraft dahin wirken zu wollen, dass die Freiheit der Kirche und die Selbständigkeit nicht wieder allzusehr eingeschränkt werde.
Käme insbesondere die Besetzung kirchlicher Stellen überwiegend in die Hände des Staates, so wäre die Gefahr groß, dass vielfach Geistliche von weniger kirchlicher Gesinnung und Charakterfestigkeit an wichtige Stellen berufen werden und dass auf solche Weise unmerklich aber sicher die Kirche zu
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Schaden käme.
Im einzelnen ist unsere Ansicht über die Regelung kirchlicher Stellen folgende:
1. Wir halten es für gänzlich ausgeschlossen, dass das Recht der Nomination von Bischöfen, die im Konkordat dem König Max Josef und seinen katholischen Nachfolgern durch besonderes Indult übertragen war, von der bayerischen Staatsregierung wieder in Anspruch genommen werden könnte. Es wird aber immerhin in der freien Entschließung des Hl. Vaters liegen, ob er vor der Ernennung eines Bischofs in vertraulicher Weise mit der bayerischen Staatsregierung über die Person des zu ernennenden wird verhandeln wollen.
Wenn Se. Heiligkeit vor einer Bischofsernennung auch das Votum der bayer. Bischöfe über die Person des zu Ernennenden zu Hören die Gnade haben wollte, ohne dass hierdurch die freie Entschließung des Hl. Stuhles irgendwie beeinträchtigt würde, so wäre sicher der bayer. Episkopat für ein solches Zeichen der Huld und des Vertrauens sehr dankbar.
2. Von großer Bedeutung scheint den bayer. Bischöfen die Besetzung der Kanonikate und insbesondere der Dignitärstellen an den Domkapiteln zu sein, da Mitglieder der Domkapitel die Ratgeber des Ordinarius sind und als Referenten auf die Verwaltung der Diözese weitgehenden Einfluss haben. Es wird von außerordentlicher Wichtigkeit sein, dass zu Kanonikern und insbesondere Dignitären nur Priester ernannt werden, deren kirchliche Gesinnung und Tüchtigkeit über jeden Zweifel steht.
Bisher war nur in den sogen. Päpstlichen Monaten (1. 3. usw.) das Recht, die Kanonikate zu besetzen dem Könige eingeräumt, ebenso das Recht die Domdekane zu ernennen.
Diese Rechte sind gewiss Privilegien, die nicht ohne weiteres auf die jetzige Regierung des Freistaates Bayern übergehen können, umso weniger, als die Leistungen des Staates für Wohnung und Besoldung der Dignitäre und Kanoniker keine freiwilligen sind sondern pflichtgemäß zum Ersatz des eingezogenen Kirchengutes, wie es im Reichshauptdeputationsbeschluss von 1803 ausdrücklich ausgesprochen ist.
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Wir würden es als ganz besonders nützlich für die Kirche in Bayern erachten, wenn hier die Bestimmungen des C. I. C. uneingeschränkte Geltung erhalten würde, wonach die Besetzung der Kanonikate dem Bischof (c. 403), die der Dignitärstelle dem Papste zukommt.
Sollte jedoch der Hl. Stuhl gemäß seiner Weisheit aus wichtigen Gründen dem Staat gegenüber zu einigen Konzessionen bereit sein, so sei es uns gestattet die ehrerbietigste Bitte zu stellen, es wolle wenigstens nicht wieder die frühere Ordnung hergestellt werden, weil bei dieser alles dem Zufall überlassen war, indem das Ernennungsrecht davon abhing, ob ein Mitglied des Domkapitels in einem päpstlichen oder einem andern Monat starb. So konnte es vorkommen, dass in einem Kapitel fast alle Kanoniker vom König ernannt wurden, während der Bischof manchmal in Jahrzehnten keine Ernennung vollziehen durfte.
Wenn es uns gestattet ist in aller Ehrfurcht eine Anregung auszusprechen so ist es folgende, es möge bei einer eventuellen Konzession an die b. Regierung höchstens zugestanden werden, dass der Bischof vor Ernennung eines Kanonikers der Staatsregierung von der in Aussicht genommenen Person Mitteilung mache mit der Anfrage, ob vom staatlichen Standpunkt gegen den Betreffenden Bedenken zu erheben seien. (Ähnlich wie bisher die Staatsregierung vor Anstellung eines Professors an einem Lyzeum vorher beim Bischof anfragte, ob vom kirchlichen Standpunkt aus Bedenken gegen den Anzustellenden bestünden.)
3. Die jetzt aktuellste Frage ist die Frage der Pfarreibesetzungen.
Hier ist zu unterscheiden zwischen Pfarreien lib. coll. und Pfarreien Kgl. Patronates.
Die ersteren wurden vom Bischof frei vergeben, jedoch nach dem Konkordat Art. XI. "personis Majestati Suae gratis". In der Praxis wurde so verfahren: Der Bischof ernannte einen Pfarrer, das Ordinariat machte die Mitteilung bei der Regierung mit dem Ersuchen um Genehmerklärung der Person des Ernannten; die Regierung veröffentlichte dann die Besetzung der Pfarrei in folgender Form: "Se. Majestät haben genehmigt, dass vom Bischof von … die Pfarrei … dem Priester … verliehen wurde.
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Ein Grund, aus dem früher dem Staate die vorgängige Genehmerklärung eines vom Bischof ernannten Pfarrers fordern konnte, war, dass der Pfarrer so ipso Lokalinspektor und Vorstand des Armenpflegschaftsrates wurde, also staatliche Funktion bekam. Nun aber ist die wichtigste dieser Funktionen ihm entzogen. Der Staat hat also viel weniger Ursache auf die Anzeige zur Genehmerklärung zu drängen; er könnte sich wohl mit einer Anzeige und dem Ersuchen um die Einweisung der staatlichen Zuschüsse begnügen.
Doch würden sich in Wirklichkeit keine allzu schlimmen Folgen ergeben, wenn dem Staate zugegeben würde, dass ihm die Namen der vom Ordinarius zu ernennenden Pfarrer vorher mitgeteilt würden, damit er allenfalls bestehende Bedenken geltend machen könnte. Eine eigentliche Genehmigung kann jedenfalls der Staatsregierung nicht zukommen; denn das könnte das Jus liberae collationis sehr einschränken, ja fast illusorisch machen.
Schwieriger liegt die Sache bei den Pfarreien Kgl. Patronates. Hier ist die Meinung maßgebender Kanonisten, dass das Patronatsrecht, das nach Art. XI. dem Könige von Bayern eingeräumt ist, mehr ein jus personale als reale sei und jedenfalls ein Privilegium odiosum, das strikte zu interpretieren sei, so dass es nicht ohne weiteres auf die Rechtsnachfolger des Königs als Staatsoberhaupt übergehen kann.
Die Staatsregierung wird aber geltend machen, es handle sich hier um ein jus reale, da der Wortlaut des Konkordates von einem legitimus jus patronatus spricht sive per dotationem sive per fundationem sive per constructionem acquisitum; es gehe also dieses Patronatsrecht auf die jetzige Staatsregierung über. Auch Kanonisten vertreten diese Meinung. Wie dem auch sei, wird der Hl. Stuhl in Verhandlungen mit dem bayer. Freistaat die Angelegenheit regeln.
Die ehrfurchtsvollste Bitte der Bischöfe geht nur dahin, einmal dass Ew. Exzellenz die baldige Regelung herbeiführen die Güte haben wollen, da die Schwierigkeiten, die durch Nichtbesetzung der erledigten Pfarreien entstehen, immer größer werden und die Geistlichen mit immer größerer Ungeduld die Besetzung ersehnen; dann, dass bei einer etwaigen neuen Konzession an die
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Staatsregierung eine Sicherung für die Diözesanleitung geschaffen werde dadurch, dass in der Vereinbarung festgelegt würde, es solle der bisherige Ternovorschlag des Ordinarius bleiben und die Regierung des Freistaates Bayern gehalten sei, nur einen der vom Bischof als geeignet bezeichneten Priester auf eine Pfarrei zu präsentieren.
Würde diese Sicherung erreicht, so wäre ein großer Forschritt gegen frü[her] erzielt, da die Bischöfe dann doch die Besetzung der Pfarreien in ihrer Hand hätten.
4. Große Sorge bereitet uns Bischöfen der Gedanke, es könne die Staatsregierung künftighin die Religionslehrer an Mittelschulen, die in Zukunft eine noch schwerere und bedeutungsvollere Aufgabe als bisher zu erfüllen haben werden, ohne Befragung der Bischöfe vollziehen wollen. Es stände dann den Bischöfen wohl noch die Erteilung oder Missio canonica zu; aber es würde im Falle der Verweigerung jedesmal zu einem Konflikt kommen, der sehr schlimme Folgen haben könnte.
Es ist daher unser sehnlichster Wunsch, es möge in den Verhandlungen mit dem Staate erreicht werden, dass die Staatsregierung vor jeder Besetzung einer Religionsstelle den Ordinarius höre und keinen Religionslehrer ernenne, dem nicht der Bischof die Missio canonica zu erteilen bereit sei.
5. Womöglich noch größere Sorgen muss den Bischöfen die Lage der Lyzeen machen.
Da den Professoren dieser philosophisch-theologischen Hochschulen die wissenschaftliche Ausbildung der künftigen Priester obliegt, ist es klar, welche Gefahren es für die Kirche bringen würde, wenn Professoren von unkirchlichem oder modernistischem Geiste von der Staatsregierung an diese Anstalten berufen würden. Das gilt nicht nur von den Theologieprofessoren, sondern auch von den Philosophieprofessoren. Gerade in dieser Hinsicht können wir die Befürchtung nicht abweisen, als bestünde seitens des jetzigen Kultusministers der Plan, den Lyzeen auch die Aufgabe von Volkshochschulen zuzuweisen und zu diesem Zweck vielleicht mehr Professoren der Philosophie anzustellen,
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aber wahrscheinlich Professoren seines Geistes.
In dieser schweren Sorge wenden wir uns vertrauensvoll an Ew. Exzellenz mit der ehrerbietigsten Bitte, Vorsorge treffen zu wollen, dass kein Hochschullehrer an einem Lyzeum angestellt wird, ohne dass vorher die Zustimmung des Ordinarius seitens der Staatsregierung eingeholt werde. Nur so wird großes Unheil von der Kirche ferngehalten werden können.
Gleiches ist zu sagen bezüglich der Ernennung der Theologieprofessoren an den Universitäten. Was aber die Philosophieprofessoren an diesen Hochschulen anbelangt, so könnte der Staat doch zugestehen, dass er wenigstens einen Professor der eigentlichen Philosophie berufe, dessen kirchlicher Standpunkt nach dem Urteil des Ordinarius sicher ist.
II.
Gegenstand vielen Nachdenkens, Beratens und schwerer Sorge ist für die Bischöfe die künftige vermögensrechtliche Lage der Kirche in Bayern.
Auch in dieser Beziehung bitten wir ehrfurchtsvollst Ew. Exzellenz, sich der gefährdeten Interessen unserer Diözesen gütigst annehmen und ihnen zu kommen zu wollen. Wir erlauben uns in einigen Sätzen zusammenzufassen, was uns für die Kirche in Bayern als nötig zu ihrem Bestande und ihrer Entwicklung erscheint.
1. Die Kirche ist berechtigt, ihr Vermögen frei zu verwalten; eine Staatsaufsicht kann nur solange erträglich sein, als Kirche und Staat nicht getrennt sind und kann nur in soweit in Frage kommen, als dem Staat zusteht sich zu vergewissern, ob von ihm gegebene Summen (z. B. freiwillige Staatszuschüsse zu Kirchenbauten, zur Dotation von Seelsorgsstellen usw.) oder mit einer Unterstützung erworbenes Vermögen (z. B. Erträgnisse aus staatlich genehmigten Lotterien) zweckentsprechend verwendet werden.
Kirchenkollekten sollten keiner staatlichen Genehmigung bedürfen, ihre Ergebnisse keiner Staatsaufsicht unterliegen.
2. Der Kirche steht das Recht zu, von ihren Gliedern Steuern zu erheben und über die Verwendung derselben frei zu verfügen.
Der Staat sollte sich bereit finden, die Steuern gegen eine mäßige
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Vergütung mit den Staatssteuern zu erheben; eigene Einrichtungen zu Steuererhebung kämen der Kirche zu teuer zu stehen, auch fehlen ihr die Zwangsmittel des Staates.
3. Leistungen, zu denen der Staat verpflichtet ist aus besonderen Rechtstiteln, (wie es der Fall ist bei den konkordatsmäßigen Leistungen für Wohnung und Unterhalt der Bischöfe, für die Kapitel, Seminarien und Emeriten) bleiben unverändert bestehen und sind zu decken aus allgemeinen Staatsmitteln (Ob die bis jetzt gegebenen Beträge bei dem tief gesunkenen Geldwert noch entsprechend sind, ist eine Frage, die nicht schlechthin mit "ja" beantwortet werden kann).
Eine entsprechende Ablösung dieser Leistungen liegt unsres Erachtens im Interesse der Selbständigkeit der Kirche; es ist daher wünschenswert, dass die Bestimmung des Art. 138 der Verfassung des Deutschen Reiches auch in Bayern möglichst bald durchgeführt werde, natürlich nach vorheriger Vereinbarung mit dem Hl. Stuhle.
Die Ablösungssumme sollte in Liegenschaften oder Grundrenten den einzelnen Diözesen übergeben werden; im Notfalle könnte auch die Zahlung eines jährlichen Zinsbetrages aus der Ablösungssumme vereinbart werden.
Die einzelne Diözese wird dann nach Can. 1520 die Administration ihrer Güter einzurichten haben.
Nach strenger Gerechtigkeit müssten wohl auch die sogenannten freiwilligen Staatszuschüsse zum Einkommen der Geistlichen eingerechnet werden in die Ablösungssumme, da der Reichsdeputationshauptbeschluss von 1803 in § 35 die Güter der aufgehobenen geistlichen Herrschaften der Disposition der Landesherrn überließ "s owohl zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst … als auch zur Erleichterung ihrer Finanzen".
Umsomehr wird der Staat zur Einrechnung dieser "freiwilligen Staatszuschüsse" in die Ablösungssumme verpflichtet sein, wenn ihm bezüglich der Besetzung kirchlicher Stellen der Hl. Stuhl Konzessionen im oben berührten Sinne zu machen geneigt sein wird. Über die Größe solcher Konzessionen auch nur einen
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Vorschlag zu machen, sei uns Bischöfen ferne; wir wissen, dass die Weisheit des Heiligen Stuhles in der besten Weise für das Wohl unserer Diözesen Sorge tragen wird. (Neue freiwillige Leistungen des Staates an die Kirche werden nach § 12 III der bayerischen Verfassung durch Zuschläge zu den Staatssteuern und Umlagen der Angehörigen der Kirche aufgebracht.)
III.
Große Schwierigkeiten können in Zukunft den Bischöfen erwachsen, wenn sie eine Anordnung treffen, die für einen Priester oder Laien auch Folgen in weltlicher Beziehung hat, wie es z. B. bei der Amotio eines Pfarrers der Fall sein kann.
Leistet der hievon Betroffene der oberhirtlichen Anordnung keine Folge, weigert sich z. B. der rechtmäßig amovierte Pfarrer das Pfarrhaus zu verlassen und die Verwaltung der Pfarrei aufzugeben, so wird dem Ordinarius wohl nicht mehr wie bisher das Brachium saeculare zur Seite stehen; der Bischof wird sich an die weltlichen Gerichte zu wenden gezwungen sein.
Es würde daher für die Verwaltung der Diözesen von größtem Vorteil sein, wenn der Staat wenigstens anerkennen würde, dass die Verfügungen der kirchlichen Oberbehörden innerhalb des kirchlichen Bereiches auch für den Staat zu Recht bestehen und durch ihn nicht gestört werden dürfen. Sonst wäre die Aufrechterhaltung von Kirchenzucht außerordentlich erschwert.
IV.
Den Oberhirten muss endlich sehr am Herzen liegen, dass eine regelmäßige Seelsorge beim Heere, in den Heil- und Pflegeanstalten und in den Krankenhäusern ausgeübt werden könne.
Es ist deshalb unser lebhafter Wunsch, dass hier nicht nur die Vornahme religiöser Handlungen zugelassen werden (Art. 141 der Reichsverfassung), sondern dass auch eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und vom Staat hiefür die nötigen finanziellen Mittel sowie die erforderlichen Räume und Paramente beschafft werden.
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Wir wären Ew. Exzellenz von ganzem Herzen dankbar, wenn Hochdieselben Veranlassung nehmen wollten, die Regierung des Freistaates Bayern für die Übernahme einer derartigen Leistung willig zu machen.
Indem wir Ew. Exzellenz all unsere Sorgen vertrauensvoll ans Herz legen, verharren wir als gehorsame und treue Söhne des Heiligen Vaters und
Eurer Exzellenz
ehrfurchtsvollst ergebene
Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns.
I. A.
gez. Jakobus, Erzbischof.
München, 16. Sept. 1919.
Bamberg; 12. Sept. 1919.
Empfohlene Zitierweise
Bayerischer Episkopat an Pacelli, Eugenio vom 12. September 1919, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2810, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2810. Letzter Zugriff am: 27.04.2024.
Online seit 04.06.2012.