Dokument-Nr. 2894
Sawatzki, AntonBehrendt, Erwin an Pacelli, Eugenio
Berlin, 23. September 1919

Ew. Exzellenz
erlauben sich die unterzeichnenden Mitglieder der preußischen Landesversammlung, Vertreter der Provinz Westpreußen, Angehörige der Zentrumspartei und damit die legalen Vertreter der deutschen Katholiken dieser Provinz, Nachstehendes gehorsamst zu unterbreiten:
Nach Erledigung der gesetzlichen Formalitäten ist der Pfarrer und Dekan Dr. theol. Franz Michalski aus Danzig, Diöcese Culm (Westpreußen), durch die preußische Staatsregierung Ende Januar 1919 zum Domherrn an der Kathedrale Pelplin (Diöcese Culm) ernannt und vom Auswärtigen Amt bereits siebenmal um Ausfertigung der päpstlichen Provista gebeten worden, ohne daß diesem Wunsche Rechnung getragen worden ist. Die deutschen Katholiken die wir vertreten, glauben, daß diese Verzögerung auf Einflüsse politischer Natur von polnischer Seite zurückzuführen sind, indem man die Ernennung eines deutschen Geistlichen zum Domherrn noch vor Eintreten des Friedensvertrages zu verhindern sucht. Es ist klar, daß diese Verzögerung bei den deutschen Katholiken große Mißstimmung hervorruft und als einseitige Parteinahme der
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Kurie für die Wünsche der Polen gedeutet wird. Auch wir glauben, daß diese Verzögerung der Ausstellung der Provista in jeder Hinsicht unberechtigt ist.
1. Der Kandidat, Dekan und Pfarrer Dr. Michalski ist Priester der Diöcese Culm und durch das Zeugnis seines zuständigen Diözesanbischofs als durchaus geeignet für diese Stelle befunden worden.
2. Nach der bulla de salute animarum vom 16/VII 1821, durch die die kirchl. Verhältnisse Preußens geregelt wurden, und die bis heute auch für die Diöcese Culm zu Recht besteht, erfolgt die Ernennung für diese Stelle durch den Papst. Dieser ist aber durch eine 100jährige Praxis und auf Grund von Vereinbarungen zwischen der Kurie und der preußischen Staatsregierung an bestimmte Formen gewohnheitsrechtlich gebunden, die bis jetzt seitens der Kurie stets eingehalten worden sind und eingehalten werden müssen, so lange die Bulle bei uns zu recht besteht, was bis heute der Fall ist. Danach ernennt der König resp. jetzt die preuß. Staatsregierung als legaler Rechtsnachfolger zunächst den betr. Kandidaten und beantragt dann die Ausfertigung der sog. Provista bei der römischen Kurie. Diese kann allein keinen, der preuß. Regierung nicht genehmen, Kandidaten ernennen; sie ist gewissermaßen an deren Vorschläge gebunden, wenn die Idoneität vorhanden ist. Der Kandidat hat sozusagen ein ius ad rem, wenn nicht kirchliche Gründe gegen ihn vorliegen.
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Die Vorenthaltung oder Verzögerung der Provista bedeutet mithin für den genannten Kandidaten ein ihm persönlich zugefügtes Unrecht. Man kann auch nicht sagen, daß nach Entfernung der monarchischen Staatsform dieses Recht nicht mehr bestehe. Denn dieses Recht ist bereits in sehr vielen Fällen von der jetzigen Staatsregierung ausgeübt und von der Kirche anerkannt worden. (Präsentationsrecht des Königs auf eine große Zahl von Pfarreien, das jetzt von der Staatsregierung ausgeübt wird.)
Ferner muß der Staat die Rechte für sich beanspruchen, wenn er die Pflichten, wie er es gethan, erfüllen soll. (Zahlung der Gehälter an Bischof und Domkapitel). Die Staatsregierung könnte sonst diese Verpflichtungen sofort einstellen, wenn diese Rechte ihm von Seiten der Kurie nicht zugestanden werden.
Die kath. Bischöfe in diesen Gebieten kämen dadurch in eine bedrängte Lage.
3. Etwaige Einsprüche von polnischer Seite sind, weil sie nicht die Person des Kandidaten betreffen, unberechtigt. Die Diöcese Culm, die heute noch zu Preußen gehört und von der noch große Teile auch nach dem Friedensschluß entweder zu Preußen oder zum Danziger Freistaate gehören werden, hat einen Klerus und eine Bevölkerung, die, soweit Katholiken in Frage kommen, zu 1/3 deutscher Nationalität sind. Eine Stellungnahme zu Ungunsten des genannten Kandidaten, der übrigens auch der polnischen Sprache mächtig ist, aus nationalen Gründen, müßte den größten Un-
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willen der deutschen Katholiken der Diözese hervorrufen.
Aus diesen Gründen bitten wir, Ew. Excellenz, gehorsamst, sich dieser Angelegenheit anzunehmen und bei der Kurie vorstellig zu werden, daß die Ausstellung der Provista recht bald erfolgt.
Ew. Excellenz
gehorsamste
Sawatzki. Pfarrer bei St. Joseph. Danzig.
Mitglied der preußischen Landesversammlung.
Behrendt, Mittelschullehrer,
Mitglied der preußischen Landesversammlung.
Empfohlene Zitierweise
Sawatzki, Anton an Pacelli, Eugenio vom 23. September 1919, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2894, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2894. Letzter Zugriff am: 30.04.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 10.03.2014.