Dokument-Nr. 5317
Bludau, Augustinus an Pacelli, Eugenio
Frauenburg , 03. März 1920

Ew. Excellenz
beehre ich mich nachstehende Mitteilungen sehr ergebenst zugehen zu lassen.
Der katholische Pfarrer von Marienwerder in Westpreußen berichtete mir gestern, dass daselbst sich seit dem 27. Febr. ein polnischer Geistlicher namens Rudolph Nowowiejski, Sekretär Sr. Eminenz des Herrn Kardinals Kakowski in Warschau, aufhalte, der erzähle, vom Kardinal bis zum 1. Juli beurlaubt und ins Abstimmungsgebiet gesandt zu sein, um "beruhigend" auf das Volk einzuwirken. Offenbar, so meldet der Pfarrer, habe er die Aufgabe, in polnischem Geiste zu arbeiten und die Tätigkeit des Klerus zu beobachten. Woher der Herr Kardinal sich das Recht zu dieser Sendung zuschreibt, ist mir unbekannt. Dieser Geistliche aus Warschau berichtete dem Pfarrer weiter, der Herr Nuntius in Warschau sei zum Delegaten der Abstimmungsgebiete ernannt. Der aus Warschau angekommene Vorsitzende der polnischen "Rada" erzählte sogar dem Pfarrer bereits vor 8 Wochen, Nuntius Ratti werde eben diesen Priester Nowowiejski als seinen "Generalvikar" mit allen Vollmachten
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in das Abstimmungsgebiet senden. Nowowiejski ist selbst so naiv und einfältig gewesen, dem Pfarrer mitzuteilen, für den Fall, dass diese Gebiete zu Polen kämen, würde ein Bistum Pomesanien mit dem Sitz Marienwerder errichtet werden; zu diesem Zwecke solle der Dom von den Protestanten, die ihn jetzt besitzen, zurückgekauft werden. Dass solches Gerede in einer protestantischen Stadt mit einer kleinen katholischen Gemeinde Aufsehen erregt und für die Katholiken höchst nachteilig ist, brauche ich nicht hervorzuheben. – Ich weiß nicht, was an diesem Geschwätz wahr sein könnte. Der polnische Priester hat es nicht für nötig erachtet, sich bei mir zu melden. Ich möchte nicht annehmen, dass der Apostolische Stuhl durch polnische Intrigen und Ränke sich sollte über die Zusammensetzung und Stimmung der Bevölkerung im hiesigen östlichen Abstimmungsgebiet habe irreführen lassen. Der Klerus beobachtet wie ich selbst volle Neutralität und Unparteilichkeit; einige Hetzer auf deutscher und polnischer Seite habe ich zur Ruhe gewiesen. Nach den Versicherungen, die S. Eminenz Kard. Bertram in Fulda im vorigen Monat mir gab, durfte ich annehmen, dass alle anmaßenden Forderungen und Wünsche in Rom längst abgewiesen seien. Ich schrecke zurück vor den Aufregungen und Protesten, welche in der katholischen Bevölkerung verlauten würden, wenn bekannt würde, dass doch die Jurisdiktion des Dioecesanbischofs in seiner Dioecese be-
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schränkt werden sollte, ohne dass der Bischof selbst dazu gehört wurde.
Ew. Excellenz würden mich durch eine gütige Mitteilung über eine etwa vom Heiligen Stuhl getroffene Anordnung für das Abstimmungsgebiet hier im Osten zu innigstem Dank verpflichten. Ich erlaube mir eine Nummer der Ostd. Nachrichten vom heutigen Tage beizulegen; der Artikel "Die Polen drohen" ist bezeichnend für die Anmaßung der Polen und die Stimmung im Abstimmungsbezirk überhaupt.
Ew. Excellenz geruhen gütigst den Ausdruck meiner hohen Verehrung und Wertschätzung entgegenzunehmen, in der ich verharre als
Ew. Erzbischöfl. Gnaden
ergebenster
+ Dr. Aug. Bludau
Bischof von Ermland.
Empfohlene Zitierweise
Bludau, Augustinus an Pacelli, Eugenio vom 03. März 1920, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 5317, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/5317. Letzter Zugriff am: 26.04.2024.
Online seit 14.01.2013, letzte Änderung am 01.09.2016.