Dokument-Nr. 554
Matt, Franz an Bischöfliches Ordinariat Regensburg
München, 22. März 1925

Abschrift.
Das Bischoefliche Ordinariat Regensburg fuehrt in seinem Schreiben vom 30. Januar lfd. Js. aus, Seine Exzellenz der Hochwuerdigste Herr Bischof beabsichtige angesichts der zunehmenden Steigerung der Anforderungen der Dioezesanverwaltung fuer den lebens- und dienstaeltesten Kanonikus seines Kapitels die Aufstellung eines Koadjutors cum iure successionis, habe dafuer einen im 62. Lebensjahr stehenden Priester in Aussicht genommen und ersuche um das Einverstaendnis der Staatsregierung.
Das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus beehrt sich zu dieser Angelegenheit folgendes zu erklaeren:
Von nur voruebergehender Bedeutung ist zunaechst der Umstand, dass der Staatshaushalt des Ministeriums fuer 1924 und 1925, worin die Ermaechtigung zur Verausgabung von Mitteln fuer die Besoldung von Kanonikats-Koadjutoren vorgesehen ist, vom Landtage noch nicht behandelt wurde und vor Ostern auch nicht mehr behandelt werden wird, sodass vorerst
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Mittel noch nicht zur Verfuegung stehen.
Die Einrichtung der Koadjutoren bezweckt je nach Lage des Falles die Unterstuetzung oder Vertretung eines dienstunfaehigen Kanonikus, sei es in seiner Eigenschaft als Beamter der Dioezesanverwaltung, sei es als Mitglied des Kapitels, sei es nach beiden Richtungen.
Das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus muss daher Wert darauf legen, dass ihm neben der Aeußerung des Ordinarius oder seines Ordinariates auch die sachliche Aeußerung des beteiligten Kapitels und nicht nur die Tatsache der Wahrung seines rechtlichen Gehoers zur Kenntnis gebracht wird, worauf sich das Schreiben vom 30. Januar l. Js. beschraenkt.
Was darin zur Begruendung der Beduerfnisfrage geltend gemacht ist, kann das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus, zumal bei der gegenwaertigen Finanzlage, noch nicht als zwingenden Beweis fuer ein vordringliches Beduerfnis zur Aufstellung eines solchen Koadjutors beim Kapitel Regensburg anerkennen.
Die Seelenzahl der Erzdioezese Muenchen-Freising und die Verhaeltnisse der Grossstadt Muenchen bringen eine unleugbar erheblich groessere Belastung der amtlichen Zweige dieser Dioezesanverwaltung mit sich und gleichwohl wird diese gesamte Arbeitslast beim Erzbischoeflichen Ordinariate Muenchen ungeachtet einer erheblich unguenstigeren Zusammensetzung des Kapitels nach dem Lebensalter der Kapitulare vom konkordatsmaeßigen Personalstande bewaeltigt. Auch in der Dioezese Augsburg, deren Seelenzahl etwas groesser und deren Pfarrsystem ungleich dichter ist als jenes der Dioezese Regensburg werden die Dioezesanverwaltungsgeschaefte vom konkordatsmaeßigen Personalstande des Domkapitels besorgt. Aus keiner dieser beiden Dioezesen ist dem Ministerium ein Be-
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duerfnis fuer weitere ehegreichtliche [sic] Einrichtungen oder fuer Aufstellung frequentierender geistlicher Raete bekannt geworden. Das Bischoefliche Ordinariat Regensburg selbst spricht uebrigens in seinem Schreiben mit Anerkennung von der unentwegten Arbeitsfaehigkeit des Kapitelsseniors, haelt ihn nur fuer Gegenstaende der neueren und neuesten Gesetzgebung nicht mehr fuer geeignet und stellt selbst die geringe Beanspruchung der frequentierenden geistlichen Raete fest. Das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus kann hiernach bei der gegenwaertigen Sachlage fuer die Dioezese Regensburg ein vordringliches Beduerfnis zur Aufstellung eines Koadjutors nicht als erwiesen erachten und haelt dafuer, dass Gegenstaende, die allenfalls Kenntnisse und Einarbeitung in die neuere und neueste Gesetzgebung voraussetzen, innerhalb des dortigen Kapitels und Ordinariates unschwer einem juristisch besonders geschulten dienstjuengeren Kanoniker noch uebertragen werden koennen. Ein solcher und zwar mit besonderer Eignung fuer kanonistische Fragen ist ja nach der Versicherung des Hochwuerdigsten Herrn Ordinarius in einem der zuletzt berufenen Kanoniker auch vorhanden.
Staatliche Belange fordern jedoch den Hinweis noch auf ein anderes wichtiges Bedenken. Waehrend der Vorverhandlungen ueber das neue Konkordat wurde angesichts der sehr erheblichen staatlichen Aufwendungen fuer die Bezuege von Koadjutoren seitens der Bayerischen Staatsregierung muendlich und schriftlich der Wunsch zum Ausdrucke gebracht, dass den Bischoefen und Kapiteln vom Hl. Stuhle die Verpflichtung auferlegt werden moege, regelmaessig abzusehen von der Wahl solcher Priester zu Kanonikern, die das 50. Lebensjahr schon ueberschritten haben. Hiegegen wurde keine Einwendung geltend gemacht, sodass also das Einverstaendnis des Hl. Stuhles angenommen werden kann. Wenn hiernach schon fuer die
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Wahl zum Kanoniker regelmaessig ein Alter von noch nicht ueber 50 Jahren zu fordern ist, so wird dieses Erfordernis noch viel mehr zu vertreten sein bei Aufstellung eines Koadjutors.
Zum Schlusse gestattet sich das Staatsministerium fuer Unterricht und Kultus noch auf Cod. jur. can. c. 1433, sodann auf Dr. Hillings Aufsatz "Eine kirchenrechtliche Neuerung des bayerischen Konkordates" in der Koelnischen Volkszeitung vom 8. Maerz 1925, Nr. 178, 1. Blatt, hinzuweisen und auch folgenden Punkt der Wuerdigung zu empfehlen. Die Aufstellung eines Koadjutors cum iure successionis ist praktisch die Einraeumung einer Anwartschaft und dadurch die Vorwegnahme einer Besetzung<;>1 sie beruehrt mithin die beiden Teile, denen konkordatsmaessig abwechselnd von Fall zu Fall das Recht zur Besetzung erledigter Kanonikate zukommt. Bei solcher Betrachtung moechte es billig erscheinen, treffenden Falles dem Kapitel den entsprechenden Einfluss auf die Auswahl bezw. Begutachtung des fuer die Berufung zu empfehlenden Priesters einzuraeumen.
gez. Dr. Matt.
1Hds. eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
Empfohlene Zitierweise
Matt, Franz an Bischöfliches Ordinariat Regensburg vom 22. März 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 554, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/554. Letzter Zugriff am: 26.04.2024.
Online seit 24.06.2016.