Dokument-Nr. 636
Bertram, Adolf Johannes
an Pacelli, Eugenio
Breslau, 02. März 1923
gestatte ich mir auf das geschätzte Schreiben vom 27. v. M. Nr. 26653 in Sachen Ruhrgebiet Folgendes zu erwidern.
Es ist nicht ratsam, in der von Seiner Eminenz Herrn Cardinal-Staatssekretär angedeuteten Weise vorzugehen. Wenn die Staatssekretarie Seiner Heiligkeit die Ueberzeugung hat, dass die Invasion nicht klar gegen den Versailler Frieden ist, so kann sie diese Ansicht gewiss der Botschaft in Rom mitteilen. Aber eine öffentliche Bekanntgabe oder auch nur leise Andeutung dieser Auffassung würde schlimme Folgen haben in doppelter Hinsicht. Bei den Deutschen würde es Erbitterung und Angriffe gegen Seine Heiligkeit hervorrufen. Die Franzosen aber würden schlimmsten Missbrauch damit treiben zur Verteidigung ihrer Politik der Vergewaltigung.
Ich würde es noch nicht einmal für gut halten, dass Ew. Exzellenz im Gespräche mit Diplomaten dieser Auffassung des Heiligen Stuhles irgend einen Ausdruck geben.
Andererseits hat das Schreiben des Heiligen Vaters an den Cardinalvikar in Rom nicht befriedigt. Es war doch
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nach Inhalt und Tendenz etwas schwach. Das soll aber keine Kritik sein. Der Heilige Vater muss selbst beurteilen, wie weit er gehen kann.Zulässig und nützlich würde mir scheinen, wenn in der Oeffentlichkeit gesagt würde: der Heilige Stuhl wird unter Berücksichtigung der damit zusammenhängenden völkerrechtlichen Fragen <mit seiner Autorität> jede opportun erscheinende Aktion
Das scheint mir das Mindeste zu sein, was erklärt werden könnte unter Schonung der wegen der vielseitigen Beziehungen des Heiligen Stuhles zu nehmenden Rücksichten.
– Salvo meliori judicio. –
In herzlicher Verehrung grüsse
A. Card. Bertram.
1↑Hds. eingefügt und gestrichen vermutlich vom Verfasser.