Dokument-Nr. 641

Abschrift zu A 23230 Protokoll.. Drame, 22. Juni 1917

Heute am 22. Juni vernahmen wir Unterzeichnete
Oberleutnant Michoff, Führer der Militärpolizei, Unter Abtlg. Drama,
Oberleutnant Jetschkoff, Nachr. Offz. beim Stab der 10. Weissen-Meer-Div.
Oberleutnant Medicus, Deutscher Nachr. -u. Verb. Offz. beim Stabe der 10. Weissen-Meer-Division.
Leutnant zur See Vollmers beim Stabe der 10. Weissen-Meer-Div.
die am 20. Juni 17 aus Gefangenschaft zurückgekehrten:
Sergeant Lambri Papasoff und
Soldat Stefan Jordanoff.
1) Verhör des Sergeanten Lambri Papasoff.
Ich heiße Sergeant Lambri Papasoff, 28 Jahre alt, geboren in Kopriuistica, diente im 1. Minenwerfer – Batl. 1. Kompanie (?) 26. März um 2 Uhr nachm. hatte ich das Ungück auf der (?) Pelister bei Magareve in franz. Gefangenschaft zu fallen und (?) in das französische Gefangenenlager "Mikra" bei Salonik transportiert, wo ich bis 12. Juni blieb. An diesem Tage wurde ich mit 48 anderen bulgarischen Gefangenen zum Holzfällen nach der Insel Thases geschickt, von wo ich am 20. Juni nachts mit einem Boot auf unser Ufer entfiehen konnte und mich unsern Posten beim Hafen Keremidli stellte.
Während meines Aufenthaltes in Mikra arbeitete ich als Aufseher unserer im Hafen beim kleinen Karaburun arbeitenden Gefangenen, in Tag- und Nachtschicht mit Ausla-
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den von Verpflegungs- und Kriegsmaterial beschäftigt.
Die Hälfte der Schiffe, welche das rote Kreuz tragen, halten zuerst am kleinen Karaburun, wo Patronen und Granaten ausgeladen werden, mit dem übrigen fahren sie direct nach Salonik, was sie dort ausladen weiss ich nicht. Die Schiffe mit roten Kreuzen haben oben Kisten mit Medikamente und anderen Materialien zum Maskieren der Kriegsmaterialien, welche unten liegen, geladen.
Dieses behaupte ich mit Bestimmtheit, da ich persönlich beim Ausladen von Granaten und Patronen aus Schiffen mit roten Kreuzen anwesend war.
Die Arbeitszeit dauert von 5 bis 10 Uhr 30 min. früh und von 1 bis 5 Uhr nach., die Nachtschicht von 5 bis 11 Uhr abends. Die Arbeit ist ununterbrochen, ständig stehen franz. Posten bei uns und geben uns nicht einmal freie Zeit, eine Zigarette zu rauchen. Die Arbeit ist ungewöhnlich schwer, da uns Lasten bis zu 110 kg von den Magazinen, Waggons und Leichtern auf den Rücken geladen werden.
Die Behandlung durch die Franzosen ist sehr schlecht. Während der Arbeit stossen und schlagen sie uns für den geringsten Fehltritt. Für grössere Vergehen, z.B. wenn das zum Wasserholen bestimmte Kommando auf dem Wege von oder zur Arbeit nicht rechtzeitig vor dem franz. Offizier "Achtung" kommendiert, wird der älteste des Kommandos dadurch bestraft, daß er acht Tage lang unter einem einzelstehenden niedrigen Zelt bei Zwieback und Wasser liegen muß, oder man treibt ihn, mit schweren großen Holzschuhen angetan, auf dem Rücken 2 Sandsäcke in raschem Tempo durchs Lager. Für größere Vergehen,
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Flucht oder Arbeitsverweigerung: 30 tägige Absondrung in einem niedrigen Zelt auf der Erde, bei täglich ein Stück Zwieback und Wasser, nach Verbüßung der Strafe wird man mit eisernen Ketten gefesset und ins Gefängnis geschickt. Einmal weigerten wir uns Granaten auszulanden und baten um jede andere Arbeit ausser dieser, da wurde eine Kompanie Schwarzer mit Gewehren aufgestellt und erklärt, daß jeder, der sich weigerte zu arbeiten, erschossen werde.
Ein anderes Mal wurde uns ein Befehl verlesen, dass jeder von den Gefangenen, der sich als Freiwilliger unterschreiben will, als solcher aufgenommen wird, daß aber jeder, der ihn verlacht oder beschimpft, erschossen wird.
Im Monat April rief ein französischer Soldat während der Nachtarbeit einen unserer Soldaten vom 41. Naber zu sich und wollte ihn, nachdem er ihm Wein gegeben hatte, zu homosexuellen Verkehr überreden. Der Soldat weigerte sich und stieß ihn mit dem Kolben des bei ihm stehenden Gewehrs und entfloh; darauf rief der Franzose einen deutschen Soldaten zu sich, setzte ihm das Seitengewehr auf die Brust und vergewaltigte ihn; der deutsche Soldat mußte infolgedessen in Behandlung geschickt werden.
Direkt am Hafen stehen große hölzerne Magazine für Kriegs- und Verpflegungsmaterial, under diesen Magazinen sind kleine Baracken, in denen französische Offiziere, die Kommandanten der Arbeiter, wohnen. Auf dem Dach zweier solcher Baracken sind mit roter Farbe große rote Kreuze gemalt. Am kleinen Karaburum ist ein engl. Lazarett, das von Zelten umgeben ist, in dem serb Soldaten wohnen.
Beim Abtransport in die Gefangenschaft sah ich 7 km
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nördl. des Bahnhofes Serviceve zwischen Ostrove- und Petrskesee engl. Lazarette 1 km südl. des Bahnhofes, direkt an der Eisenbahnlinie, liegt aufgestapelt Munition, zwischen der sich aus roten Ziegeln und weißen Steinen zusammengesetzte rote Kreuze auf der Erde befinden. Solche Kreuze sah ich zwei.
Für die Richtigkeit des Obigen unterschreibe ich eigenhändig.
gez. Sergeant Lambri Papasoff
2.) Verhör des Soldaten Stefan Jourdanoff.
Ich heiße Soldat Stefan Jourdanoff, geb. in Debrio, 24. Jahre alt, früher Beamter in der Präfektur Varna und staatl. Adeeku in Varna. Bei meiner Gefangennahme war ich im 6. Inf. Rgt. 1. Masch. Gew. Komp. Am 10. Mai 17 wurde ich vom franz. 284 Inf. Rgt. gefangen genommen und ins Gefangenenlager Salonik transportiert, wo ich bis zum 12.6. verblieb, an diesem Tage wurde ich mit 48 anderen auf die Insel Thasos zum Holzfällen geschickt, von wo ich in einem Boot mit dem Sergeanten Lambri Papesoff unser Ufer erreichte.
Ich habe während meines ganzen Aufenthalts in Mikra als gewöhnlicher Arbeiter gearbeitet und erkläre, daß die Aussagen des Sergeante Lambri Papasoff über Ausladen von Patronen und Artilleriegeschossen aus Schiffen mit roten Kreuzen, über die Anbringung von Roten Kreuzen auf den Baracken, in denen franz. Offiziere wohnen und die sich zwischen den Magazinen für Munition und Verpflegungsvorräte befinden, sowie über ungewöhnlich schwere Arbeit und schlechte Behandlung und Bestrafungen wahr sind.
Für die Richtigkeit des Obigen unterschreibe ich eigen-
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händig.
gez: Soldat Stefan Jourdanoff.
Daß die obigen Angaben in unserer Gegenwart freiwillig gegeben würden, bestätigen wir durch eigene Unterschrift:
1.) Chef der Militärpolizei Unterabtg. Drama gez: Michoff.
2.) Nachr. Offz. b. Stab d. 10. Weißen Meer Division gez: Obl. Jetchkoff.
3.) Deutscher Nachr. Offz. b. Stab der 10. Div. gez: Oberlt. Medicus
4.) Marine Nachr. Offz. beim Stabe d. 10. Weißen Meer Div. Leutnant z. S. Vollmers.
Drame, den 22. Juni 1917.
Für die Richtigkeit der Übersetzung:
gez: Medicus.
Unterschriftlich gez: Unterschrift.
Major und 1. Nachrichtenoffizier.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 22. Juni 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 641, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/641. Letzter Zugriff am: 28.04.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 29.01.2018.