Dokument-Nr. 7703
[Bericht über Kriegsgefangene in Sibirien], vor dem 20. Dezember 1919
Die Genehmigung seitens der interalliierten Schifffahrtskommission für die Ausfahrt der beiden Dampfer "Bielefeld" und "Answald" nach Ostasien zur Heimholung Kriegsgefangener ist nicht erteilt worden. Da dringt noch einmal ein Notschrei herüber. Ein Funkspruch vom 18. November meldet, die sibirischen Kriegsgefangene sind endgültig verloren, wenn nicht unverzüglich die Heimreise erfolgen kann, sie werden den Winter keineswegs überleben.
Ein erneuter Antrag auf Entsendung der genannten Schiffe erfolgt unter Hinweis auf die ganz entsetzliche Lage. Beide Dampfer sind mit vielen Kosten umgebaut und für Transporte in fremde Gewässer eingerichtet. Vergehen weitere Wochen oder Monate, so sind inzwischen tausende zugrunde gegangen, die hätten gerettet werden können. Ungehört hallt auch dieser letzte entsetzliche Ruf; es war ein Flehen um Errettung aus den fürchterlichsten Elend – Ein Appell an das Herz, die Menschlichkeit der Kulturvölker. Nichts ist erfolgt. Tagtäglich fordert die Lage neue Opfer, tagtäglich ringen hunderte im letzten Todeskampf, tagtäglich machen viele dem Leben in höchster Verzweiflung selbst ein Ende. Die Lazarette
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sind übervoll, die Irrenhäuser erhalten ununterbrochen neuen Zugang.Die Behandlung ist streng, Fürsorgekommissionen sind so gut wie gar nicht zugelassen. Die Verpflegung spricht allen Anforderungen Hohn. Einmal wöchentlich gibt es ein wenig Fleisch, Beheizungsmaterial wird ganz ungenügend geliefert. Offizieren und Mannschaften ist es verboten, sich auf Privatarbeit außerhalb des Lagers zu begeben. Kleider und Wäsche sind sehr knapp und <so>1 teuer, dass ein Gefangener mit seinen geringen Mitteln ja nicht daran denken kann
Die einzige Rettung der Unglücklichen liegt in der sofortigen Evakuation, die nur erfolgen kann, wenn die Entente ihre Erlaubnis zur Ausfahrt der erforderlichen Schiffe gibt. Deutschland ist bereit, alle Kosten zu tragen und hat seine Bereitwilligkeit auch jederzeit bewiesen. Bisher hat die Entente jedoch alle Vorschläge und Evakuationsbestrebungen abgelehnt und betont, dass, falls die Rückbeförderung eintritt, zuerst die Tschechen und Slowaken berücksichtigt würden. Deutschland muss ganz entschieden gegen ein derartiges Verfahren Einspruch erheben und verlangen, dass die deutschen Kriegsgefangenen zum mindesten gleichzeitig mit den Tschecho-Slowaken abtransportiert werden.
1↑Hds. von unbekannter Hand eingefügt.
2↑Hds. von unbekannter Hand eingefügt.
3↑Hds. von unbekannter Hand gestrichen und eingefügt.
4↑Hds. von unbekannter Hand durchgestrichen.