Deutsche Zentrumspartei

Die Deutsche Zentrumspartei (Z) verstand sich als politische Interessenvertreterin der katholischen Bevölkerung. Sie bekannte sich zum republikanischen Verfassungsstaat und arbeitete gemeinsam mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in der Weimarer Koalition am Aufbau der parlamentarischen Demokratie. Aus Protest sowohl gegen die Friedenspolitik unter Matthias Erzberger als auch gegen den Zentralismus der reichweit organisierten Deutschen Zentrumspartei spalteten sich im November 1918 die bayerischen Mitglieder ab und bildeten die föderalistische und konservativere Bayerische Volkspartei (BVP).
Die Zentrumspartei war durch eine breite programmatische Vielfalt gekennzeichnet. Ihre Wählerschaft speiste sich aus katholischen Arbeitern aus dem linken bis hin zu Adeligen aus dem rechten Parteiflügel. Die einigende Klammer der Zentrumspartei war der KatholizismuS. Unter der Führung der Parteilinken Matthias Erzberger und Joseph Wirth setzte sich die Partei für die Festigung der Weimarer Republik, die Sicherung des Verfassungsstaates, den Ausbau des Sozialstaates und für eine außenpolitische Verständigung ein. Der rechte Parteiflügel hingegen sprach sich für eine patriarchalisch-ständestaatlich orientierte Innen- und eine revisionistische, nationalbetonte Außenpolitik aus. 
Bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung vom 19. Januar 1919 trat die Partei unter der Bezeichnung "Christliche Volkspartei" an. Sie konnte mit 19,7 Prozent ihr bestes Wahlergebnis in der Weimarer Republik erzielen. Innerhalb der "Weimarer Koalition" mit den Sozialdemokraten (SPD) und den Demokraten (DDP), in der die Zentrumspartei das rechte politische Spektrum bildete, herrschten erhebliche politische Differenzen vor allem in Hinblick auf die Schul- und Kirchenpolitik. Die Koalition verlor bei den Reichstagswahlen vom Juni 1920, bei denen die Zentrumspartei auf 13,6 Prozent der Stimmen abrutschte, die absolute Mehrheit. In Preußen, dem bedeutendsten Bundesstaat der Weimarer Republik, setzte die Zentrumspartei die Weimarer Koalition mit SPD und DDP bis 1932 fort.
Der Stimmenanteil der Zentrumspartei ging bei den Reichstagswahlen in der Weimarer Republik langsam aber stetig zurück. Lag er in der ersten Hälfte der 1920er Jahre weiterhin deutlich über 13 Prozent, so sank er 1928 auf 12,1 Prozent. Die Zentrumspartei stellte mit Konstantin Fehrenbach, Joseph Wirth, Wilhelm Marx und Heinrich Brüning vier, wenn man die Kanzlerschaft Franz von Papens, der am 3. Juni 1932 nach drei Tagen im Amt aus der Zentrumspartei austrat, hinzuzählt, insgesamt fünf Reichskanzler. Sie war bis 1932 an allen Reichsregierungen beteiligt. Als Partei der Mitte, die sowohl nach links als auch nach rechts koalitionsfähig war, nahm sie eine Scharnierfunktion in der Parteienlandschaft der Weimarer Republik ein. Dabei kam es zwischen den Parteiflügeln immer wieder zu Auseinandersetzungen, ob mit der Linken oder der Rechten koaliert werden sollte.
1930 bedeutete die Ernennung Heinrich Brünings zum Reichskanzler einer Minderheitsregierung, die ihren Aufgaben nur mit der Unterstützung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nachkommen konnte, den Übergang von der parlamentarischen Regierung zu den scheinparlamentarischen Präsidialkabinetten. Am 5. Juli 1933 löste sich die Deutsche Zentrumspartei als letzte der bürgerlichen Parteien auf, um sich der Gleichschaltung zu entziehen.

Beteiligung an der Reichsregierung 1919-1932:
Kabinett Ministerposten
Scheidemann
(13. Februar 1919 bis 20. Juni 1919)
Verkehr und Kolonien (Johannes Bell), Post (Johannes Giesberts), Ohne Geschäftsbereich (Matthias Erzberger)
Bauer
(21. Juni 1919 bis 27. März 1920)
Stellvertretender Reichskanzler (Matthias Erzberger) Verkehr und Kolonien (Johannes Bell), Post (Johannes Giesberts), Schatz (Wilhelm Mayer)
Müller
(27. März 1920 bis 21. Juni 1920)
Finanzen (Joseph Wirth), Ernährung (Andreas Hermes), Verkehr (Johannes Bell), Post (Johannes Giesberts)
Fehrenbach
(25. Juni 1920 bis 4. Mai 1921)
Reichskanzler (Konstantin Fehrenbach), Arbeit (Heinrich Brauns), Ernährung, Landwirtschaft (Andreas Hermes), Finanzen (Joseph Wirth), Post (Johannes Giesberts)
Wirth I
(10. Mai 1921 bis 25. Oktober 1921):
Reichskanzler, Auswärtiges Amt, Finanzen (Joseph Wirth), Arbeit (Heinrich Brauns), Ernährung
(Andreas Hermes), Post (Johannes Giesberts)
Wirth II
(26. Oktober 1921 bis 22. November 1922)
Reichskanzler, Auswärtiges Amt (Joseph Wirth), Ernährung bis 10.03.1922, danach Finanzen (Andreas Hermes), Arbeit (Heinrich Brauns), Post (Johannes Giesberts)
Cuno
(22. November 1922 bis 12. August 1923)
Finanzen (Andreas Hermes), Arbeit (Heinrich Brauns), Ernährung, Landwirtschaft (Karl Müller)
Stresemann I
(13. August 1923 bis 6. Oktober 1923)
Arbeit (Heinrich Brauns), Besetzte Gebiete (Johannes Fuchs), Post (Anton Höfle)
Stresemann II
(6. Oktober 1923 bis 30. November 1923)
Arbeit (Heinrich Brauns), Besetzte Gebiete (Johannes Fuchs), Post (Anton Höfle)
Marx I
(30. November 1923 bis 26. Mai 1924)
Reichskanzler (Wilhelm Marx), Arbeit (Heinrich Brauns), Besetzte Gebiete und Post (Anton Höfle)
Marx II
(27. Mai 1924 bis 15. Januar 1925)
Reichskanzler (Wilhelm Marx), Arbeit (Heinrich Brauns), Justiz (Johannes Bell), Ernährung, Landwirtschaft (Heinrich Haslinde), Besetzte Gebiete (Wilhelm Marx, Johannes Bell)
Luther I
(16. Januar 1925 bis 20. Januar 1926)
Arbeit (Heinrich Brauns), Reichswehr (Josef Frenken), Besetzte Gebiete (Heinrich Brauns, danach Josef Frenken)
Luther II
(20. Januar 1926 bis 18. Mai 1926)
Justiz und Besetzte Gebiete (Wilhelm Marx), Arbeit (Heinrich Brauns), Ernährung und Landwirtschaft (Heinrich Haslinde)
Marx III
(18. Mai 1926 bis 1. Februar 1927)
Reichskanzler und Besetzte Gebiete (Wilhelm Marx), Arbeit (Heinrich Brauns), Justiz und Besetzte Gebiete (Johannes Bell), Ernährung und Landwirtschaft (Heinrich Haslinde)
Marx IV
(1. Februar 1927 bis 28. Juni 1928)
Reichskanzler und Besetzte Gebiete (Wilhelm Marx), Finanzen (Heinrich Köhler), Arbeit (Heinrich Brauns)
Müller II
(28. Juni 1928 bis 27. März 1930)
Justiz, Reichswehr (Theodor von Guérard), Verkehr (Adam Stegerwald), Besetzte Gebiete (Theodor von Guérard, Joseph Wirth)
Brüning I
(31. März 1930 bis 9. Oktober 1931)
Reichskanzler (Heinrich Brüning), Inneres (Joseph Wirth), Arbeit (Adam Stegerwald), Verkehr (Theodor von Guérard)
Brüning II
(10. Oktober 1931 bis 1. Juni 1932)
Reichskanzler und Auswärtiges Amt (Heinrich Brüning), Arbeit (Adam Stegerwald)
Literatur
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RUPPERT, Karsten, Die Deutsche Zentrumspartei und die Weimarer Demokratie 1918-1933, in: PYTA, Wolfram u. a. (Hg.), Die Herausforderung der Diktaturen. Katholizismus in Deutschland und Italien 1918-1943/45 (Reihe der Villa Vigoni 21), Tübingen 2009, S. 13-38.
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UMMENHOFER, Stefan, Wie Feuer und Wasser? Katholizismus und Sozialdemokratie in der Weimarer Republik, Berlin 2003.
Weimarer Republik 1918-1933. Reichstagswahlen. Gesamtergebnisse, in: www.wahlen-in-deutschland.de (Letzter Zugriff am: 12.07.2010).
Empfohlene Zitierweise
Deutsche Zentrumspartei, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 4042, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/4042. Letzter Zugriff am: 19.03.2024.
Online seit 02.03.2011, letzte Änderung am 26.06.2019.
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