Dokument-Nr. 5431
Faulhaber, Michael von an Pacelli, Eugenio
München, 23. Dezember 1924
Auf meine Beschwerdeschrift hat heute morgen Herr Ministerialrat Goldenberger zwei Stunden muendlich mit mir verhandelt und da ich aus seiner Rede entnahm, dass heute abend ueber diese Frage eine weitere Aussprache mit Euer Exzellenz erfolgen soll, beehre ich mich, den von mir heute morgen vertretenen Standpunkt kurz darzulegen. Um die Pfarrei Niederroth hatten sich 37 Bewerber gemeldet. Die oberhirtliche Stelle war nicht in der Lage, die aeltesten auf dieser Bewerberliste vorzuschlagen und waehlte drei Herren aus, die an sich keine glaenzende Qualifikation haben, von denen aber die zwei ersten aus seelsorgerlichen Gruenden unauffaellig von ihrer bisherigen Stelle entfernt werden sollten. Das Ministerium ging auf diesen Ternarvorschlag ueberhaupt nicht ein und ernannte den Herrn Josef Bauer von Dachau zum Pfarrer von Niederroth, der sich zwar auch beworben hatte, den ich aber ausdruecklich auf der Sitzung des Ordinariates abgelehnt hatte, weil er schon dreimal Pfarreien zurueckgewiesen hatte und des-
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halb nach unserer Gewohnheit fuer laengere
Zeit nicht mehr in Betracht kam. In meinen dreizehn Bischofsjahren war es das Erstemal, dass
die Staatsregierung gar keinen aus der Ternarliste nahm. Nun erklaerte mir Herr
Ministerialrat Goldenberger, die Staatsregierung nehme das Recht fuer sich in Anspruch, auch
ausserhalb der Liste des Ordinariates einen Geistlichen zu nehmen, wenn auch von diesem
Rechte aeusserst selten Gebrauch gemacht wuerde. Eine telephonische Ruecksprache mit einem
einzelnen Domherrn kann natuerlich nicht genuegen, um eine in der Vollsitzung des
Ordinariates aufgestellte und vom Bischof genehmigte Liste abzuaendern. Ich erklaerte
schriftlich und muendlich dieses Vorgehen der Staatsregierung stehe mit Art. 137 der
Reichsverfassung in Widerspruch und sei angesichts der Tatsache, dass die Protestanten
ueberhaupt keine Liste einreichen muessen, fuer uns unertraeglich. Wenn fuer die kirchliche
Seite der Ternarvorschlag die Grenze zieht, dass nicht weniger als drei Namen genannt werden
muessen, dann liegt darin auch fuer die staatliche Seite die Begrenzung, dass nicht mehr als
drei in Frage kommen, ausser es wird die Liste dem Ordinariat zu neuen Vorschlaegen
zurueckgegeben. Fuer die Protestanten hatte der Koenig ein eigentliches Collationsrecht, und
wenn nun dieses weitergehende Recht ganz abgeschafft wurde, dann muss man erwarten, dass
fuer die Katholiken das Patronatsrecht in der bisherigen Praxis wenigstens nicht erweitert
wird. Wenn die Staatsregierung die Erklaerung abgibt, sie werde sich an den Ternarvorschlag
des Bischofs halten, dann 114r
ist damit nicht die Rechtlage geaendert, wie Herr Goldenberger
glaubt, sondern von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, die jetzige Rechtspraxis
anerkannt. Ein Widerspruch seitens des Landtages gegen diese Erklaeurng [sic] der Regierung ist
nicht zu fuerchten, weil trotz der Erklaerung die Imparitaet mit den Protestanten noch
schreiend genug bleibt. Wir empfinden es als ein schweres Opfer der kirchlichen Freiheit,
dass wir mehr als einen Herrn vorschlagen muessen, dass die Regierung nicht immer fuer den
an erster Stelle genannten sich entscheidet, wir koennten es aber nicht ertragen, wenn die
Regierung das Recht haette, irgend einen Bewerber ausserhalb der Liste zu nehmen, oder wenn
der Bischof immer beifuegen muesste, warum er diesen oder jenen Herrn nicht auf die
Liste setzt. Ich wiederhole, Ausnahmen wie der Fall Bauer sind unter dem jetzigen
Ministerium aeusserst selten, es koennen aber weniger kirchenfreunliche Personen kommen und
auch fuer diese moeglichen Faelle soll das Konkordat einen Schutz im Voraus bieten. Der Fall
Bauer ist erledigt, da die Regierung ihre Erklaerung zuruecknimmt; es handelt sich aber um
eine grundsaetzliche Erklaerung und wenn auch das Konkordat an dieser Frage nicht scheitern
soll, hielt ich mich doch verpflichtet, die heutige Aussprache Eurer Exzellenz
mitzuteilen.Mit dem Ausdruck tiefster Verehrung
(gez.) M. Card. Faulhaber.