Michael von Faulhaber
* 05. März 1869, ✝ 12. Juni 1952
Analyse
Faulhaber wird in der Korrespondenz zwischen Pacelli und Rom sehr häufig genannt, was bereits ein Indiz für die Bedeutung ist, die der Nuntius ihm beimaß.Pacelli erwähnte Faulhaber bereits in seinem ersten ausführlichen Bericht über seine Kontakte auf der Reise von Rom nach München (Dokument Nr. 355). Gegenüber dem bayerischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Ritter zu Groenesteyn, bestätigte er die von der bayerischen Regierung gewünschte Translation Faulhabers von Speyer nach München. Hier wie auch in späteren Schreiben scheint Faulhabers außerordentliche Beliebtheit bei den Regierenden durch. Im Juni 1917 (Dokument Nr. 366) äußerte erstmalig auch Kaiser Wilhelm II. anerkennende Worte für Faulhaber und sprach sich für eine Beförderung des Erzbischofs zum Kardinal aus. Mit dem gleichen Anliegen wandte sich auch der bayerische Ministerpräsident und Außenminister Georg von Hertling (Dokument Nr. 4311) im Oktober 1917 an Pacelli, da Gerüchte über ein kurz bevorstehendes Konsistorium kursierten. Pacelli wandte sich daraufhin an den Sekretär der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten, Bonaventura Cerretti, von dem er jedoch erfuhr, dass einer solchen Bitte nicht entsprochen werden könnte (Dokument Nr. 9610). Im August 1918 drückte Hertlings Nachfolger als bayerischer Ministerpräsident, Otto Ritter von Dandl, gegenüber Pacelli aus, wie sehr der Hof, die Regierung und das ganze Volk Bayerns es bedauern würden, wenn Faulhaber nicht zum Kardinal ernannt werden würde. Pacelli beurteilte den Münchener Erzbischof in diesem Zusammenhang als "von allen bewundert und wegen seiner hervorragenden Eigenschaften beliebt" (Dokument Nr. 9522). Der Nuntius, der zuvor stets nur die positiven Würdigungen anderer nach Rom übersandt hatte, ohne selbst jemals ein explizites Urteil über Faulhaber abzugeben, schloss sich mit dieser Bewertung erstmalig in die allgemeinen Lobesreden über diesen ein, der 1921 schließlich zum Kardinal ernannt wurde.
Die Empfehlungen und Ratschläge des Münchener Erzbischofs waren für Pacelli maßgeblich. So war es Faulhaber, den Pacelli im November 1918 angesichts der Revolution in Bayern um eine Einschätzung der Lage bat und der ihm dringend empfahl, München zu verlassen und vorübergehend nach Rohrschach zu gehen (Dokument Nr. 6092). Pacelli befolgte den Rat uneingeschränkt ("Il suo consiglio è stato da me intieramente seguito", (Dokument Nr. 255), was auf Faulhabers Status als Kenner der Situation vor Ort hinweist.
Faulhabers Auftreten bei katholischen Veranstaltungen sowie sein Eintreten für die Rechte und Belange der Katholiken in der Öffentlichkeit wurden von Pacelli in den höchsten Tönen gelobt. So beschrieb er beispielsweise seine Rede auf dem Katholischen Kongress im Oktober 1919 in München mit enthusiastischen Worten: "A questo punto si presentò alla tribuna, salutato da vivissimi applausi, Monsignor Arcivescovo di Monaco, che fece uno splendido discorso, dotto nella sostanza, brillante nella forma ed apostolico nello spirito, sul tema: 'La Religione e la Fede nella vita pubblica'. […] Un uragano di applausi coronò la parola ispirata dell'ottimo Prelato" (Dokument Nr. 328). Auch Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri und Benedikt XV. hoben Faulhaber besonders lobend hervor und bezeichneten ihn als "zelante": "Particolarmente confortante è stato pel Santo Padre l'energica ed illuminata operosità svolta al riguardo dal zelante Arcivescovo, il quale col suo eletto ingegno e la sua ben nota facondia ha tanto contribuito alla felice splendida riuscita di quella solenne manifestazione cattolica." (Dokument Nr. 5503). Faulhaber verstand es auch bei anderen Großveranstaltungen Pacelli und dem Papst wohl zu gefallen; so zum Beispiel bei den Feierlichkeiten anlässlich der Krönung von Papst Pius XI., die der Kardinal in München in der sogenannten "Piuswoche" eine Woche lang pompös feiern ließ, wie Pacelli in aller Ausführlichkeit berichtete (Dokument Nr. 11094). Er hob dabei zum einen die für ihn so essentiellen Attribute einer angemessenen katholischen Zeremonie hervor: "Dopo la predica vennero recitate devote orazioni, alla fine delle quali io impartii la trina benedizione col santissimo Sacramento. Il coro della chiesa eseguì egregiamente vari canti, fra cui l''Ecce sacerdos magnus' e il 'Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat' con apposite preghiere per il Santo Padre." Zum anderen war ihm die angemessene Würdigung klerikaler Würdenträger, also die Faulhabers und v. a. seiner selbst als Vertreter des Heiligen Vaters wichtig: "Nel presbiterio erano stati eretti due troni, per l'Emo Cardinale Arcivescovo e per il Nunzio […] All'uscita l'Eminentissimo ed il Nunzio furono fatti segno a calde ovazioni da parte della folla."
Im Nachgang des Katholikentages 1922 in München (Schlagwort Nr. 11008), auf dem es zwischen Faulhaber und dem Kölner Oberbürgermeister und Präsidenten des Katholikentages Konrad Adenauer zu einer Auseinandersetzung über die aus katholischer Sicht beste Staatsform und in dem Zusammenhang über die Weimarer Reichsverfassung gekommen war, versuchte Pacelli nonverbal, Faulhaber aus einem möglichen Konflikt herauszuhalten. Er verfasste nämlich keinen Bericht über dieses Großereignis und verlor auch sonst Gasparri gegenüber kein Wort über das Geschehene. Faulhaber hatte sich gegen die Revolution und damit indirekt gegen die Weimarer Reichsverfassung und für eine Wiederkehr der Monarchie ausgesprochen, während Adenauer eher pragmatisch für eine offensive Nutzung der neuen Möglichkeiten eingetreten war. Pius XI. verfolgte jedoch die ausführliche Berichterstattung im Osservatore Romano und trug Pacelli über den Substituten im Staatssekretariat, Giuseppe Pizzardo, auf, Faulhaber zu dessen Rede zu gratulieren (Dokument Nr. 5536). Damit stellte sich der Papst ausdrücklich auf die Seite Faulhabers. Über die Gründe für diese Maßnahme, die eher untypisch für den sonst in seiner Berichterstattung sehr akribischen Pacelli war, lässt sich nur spekulieren; es fällt jedoch auf, dass er sich jedweder Diskussion entzog. Wahrscheinlich sah Pacelli bei einer Kritik an Weimar seine Konkordatspolitik und seine Pläne für den Ausbau des deutschen Katholizismus in Gefahr, für die er die Weimarer Reichverfassung, obwohl sie in der Theorie schlecht war, weil ohne Gottesbezug, in der Praxis für geradezu ideal ansah (Dokument Nr. 1131).
Hinzu kommt, dass Pacelli Faulhaber gewissermaßen als Leidensgenossen unter dem Joch der Kommunisten sah und ihn dabei für sein rigoroses Eintreten bewunderte. So führte er im Zuge der Frage, ob ein Treffen mit Kurt Eisner ratsam wäre oder nicht, an, dass Faulhaber strikt jeden Kontakt zur Regierung Eisners unterbunden hätte ("Questo Monsignor Arcivescovo (come mi ha narrato egli stesso alcuni giorno or sono ) non solo si rifiutò di ricevere una commissione del Consiglio dei soldati presentatasi da lui, ma nemmeno si è voluto recare dal Ministro dei Culti, il quale ha anzi manifestato per ciò la sua sorpresa.") (Dokument Nr. 234). Auch während des Hitlerputsches im November 1923 schreibt Pacelli, dass Faulhaber, "questo dotto e zelante Cardinale Arcivescovo", besonders im Fadenkreuz der Aufständischen stand, zumal er sich in einer Predigt offen gegen die Verfolgung der Juden ausgesprochen hatte (Dokument Nr. 1091).
Faulhaber erscheint in Pacellis Berichterstattung durchweg als tadelloser Kirchenmann und kompetenter Ratgeber in allen öffentlichen, politischen und kirchlichen Belangen, dem er vertraute und der häufig sein erster Ansprechpartner war. Dies ist auch durch die geographische Nähe Faulhabers und damit verbunden durch die Tatsache bedingt, dass beide sich als hohe klerikale Würdenträger in München oft in einer ähnlichen Situation befanden und sich mit vergleichbaren Problematiken konfrontiert sahen.
Das uneingeschränkt positive Bild von Faulhaber, das Pacelli zeichnet, wird lediglich in einem Falle von Auditor Schioppa konterkariert, der in seiner gewohnt unverblümten Art Faulhabers Protest gegen die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht durch die neue Regierung als zu schwach kritisierte (Dokument Nr. 236). Obgleich er dieses zaghafte Verhalten schließlich entschuldigend als bedachtes Taktieren zu erklären versuchte, unterscheidet sich diese Bewertung von Faulhabers Verhalten durch Schioppa deutlich von der Haltung Pacellis zum Münchener Kardinal.
Quellen
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Literatur
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