Dokument-Nr. 8460
Heinrich Borwin von Mecklenburg-Schwerin an Bertram, Adolf Johannes
[Berlin], 28. August 1917
möchte ich mitteilen, dass ich bis heute noch keinerlei Nachrichten über den Stand meiner Annullierung in Rom erhalten habe, weder durch die Nunziatur in Wien und München, noch eine Antwort auf meinen Brief an Ew. Eminenz auf die mir gestellten Fragen.
Es war im November 1916, als ich Ew. Eminenz bat, mein Ersuchen in Rom einzuleiten, und jetzt bis zum August 1917 scheint die Angelegenheit noch immer keine Fortschritte gemacht zu haben. Obwohl ich überzeugt bin, dass Ew. Eminenz sich alle erdenkliche Mühe gegeben haben werden, um meine Sache zu fördern, scheint es mir doch, als ob man in Rom der Angelegenheit keine besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat. Seit dem erwähnten Schreiben meinerseits habe ich dauernd im Felde gestanden und war mithin nicht in der Lage, mich mit der für mich so ausserordentlich wichtigen Angelegenheit persönlich intensiv beschäftigen zu können. Als Front-Soldat – wenn aus keinem anderen Grunde – hätte ich angenommen, dass man meinem Gesuche besondere Aufmerksamkeit schenken und dessen Erledigung nach Möglichkeit beschleunigen würde. Nachdem ich im April ds. Js. direkt von der Front an das Krankenbett meines Vaters gerufen wurde, ging ich von dort aus über Berlin nach München, speziell um mit dem jetzigen Nunzius und Monsignore Chioppa [sic] in meiner Sache Rücksprache zu nehmen. –
Beide Herren rieten mir, mich direkt mit der Nunziatur in Wien in Verbindung zu setzen und in München einen kanonischen Rechtsgelehrten, den mir die Herren empfahlen, zu sprechen. Aus der Antwort auf meine Anfrage in Wien musste ich entnehmen, dass die dortige Nunziatur absolut nicht orientiert zu sein schien. Ebenso konnte mir der betreffende Herr in München keinerlei sachgemässe Ratschläge geben, trotzdem ich ihm den Fall genau auseinandersetzte. Auf wiederholte Telegramme an die Nunziatur und das Ordinariat in Wien, in denen ich bat, sich doch noch einmal genau darüber zu orientieren, ob tatsächlich in meiner Angelegenheit nichts vorläge, erhielt ich endlich die Nachricht, dass dort allerdings bekannt wäre, dass im Monat März die Gräfin Gasquet von der Einleitung des Prozesses benachrichtigt worden sei. Ew. Eminenz werden einsehen, dass es mir schwer fällt zu verstehen, warum Wien solange mit der Antwort zurückhielt und erst auf dringende Bitten, sich doch näher zu erkundigen, endlich diese magere Nachricht an mich gab. Jedenfalls fühlte ich mich durch diese Nachricht berechtigt anzunehmen, dass die Angelegenheit im Fortschritt begriffen sei, und wartete daher bis vor ca. einer Woche auf weitere Nachrichten, um die ich gebeten hatte. Als bis dahin nichts erfolgte, ging ich noch einmal nach München, um mit dem Kardinal zu sprechen, der mir bei dieser Gelegenheit riet, mich abermals mit Ew. Eminenz persönlich in Verbindung zu setzen. Daraufhin telegraphierte ich Ew. Eminenz durch die Nunziatur in Wien noch einmal die ungefähre Sachlage und die Namen der Zeugen. Aus Wien erhielt ich darauf folgende Antwort vom Apostolischen Nunzius: "Aus verschiedenen wichtigen Gründen unmöglich, an Kardinal Frühwirth zu telegraphieren, der in dieser Angelegenheit unbeteiligt. Teile gern Inhalt des Telegrammes zur Information Kardinal Staatssekretär mit." – Ich war erstaunt, aus dem Telegramm zu ersehen, dass Ew. Eminenz mit der Angelegenheit nichts mehr zu tun haben sollten, während ich bis dahin in der beruhigenden Überzeugung gelebt hatte, dass Ew. Eminenz sich dieser Angelegenheit immer noch annähmen und dieselbe nach Möglichkeit beschleunigen würden.
Ew. Eminenz ist ja bekannt, wie sehr dringend diese Angelegenheit
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ist, noch besonders weil mein Vater, der regierende Grossherzog, dauernd zur Eile treibt, da ein Hinausziehen der Sache meiner ganzen militärischen Carriere hinderlich ist. Besonders unangenehm ist es mir, dass Ew. Eminenz nichts mehr mit der Angelegenheit zu tun haben sollten, da Ew. Eminenz ja meine ganze schriftliche Darlegung besitzen und wir alles so genau besprochen hatten. Sollte der langsame Fortschritt meiner Angelegenheit etwa daran liegen, dass wichtige Fragen noch nicht klargestellt sind?! – Ich möchte noch einmal die Aufmerksamkeit Ew. Eminenz darauf lenken, dass die einzigen Menschen, die über die ganzen Umstände, unter denen unsere Heirat stattgefunden hat, vorher auf das Genaueste unterrichtet waren, die folgenden sind:Der amerikanische Rechtsanwalt Herreshoff Bartlett, Champs Elysées, Paris, der Rechtsanwalt der Gräfin Gasquet (ein nicht sehr zuverlässiger und in seinem eigenen Berufe nicht sehr angesehener Mann)
sowie: Chanoin Ploquin de la Cathédrale de Tour, welch letzterer Herr absolut zuverlässig ist und die vorherigen, hier in Frage kommenden Vereinbarungen ebenfalls genau kannte.
Beiden Herren war bekannt, dass diese Heirat nur eine Ehe dem Namen nach sein sollte und es zwischen der Gräfin und mir und diesen beiden Herren vorher verabredet worden war, dass eine Consumierung nicht stattfinden sollte, und dass diese Ehe nur aus dem Grunde eingegangen wurde, um meine Interessen in der Nachfolge gegen Opposition der Familie der Gräfin bei der Erbfolge im Falle des Todes der Gräfin sicherzustellen.
Wie Ew. Eminenz bekannt, ist die ganze Anregung zu dieser Eheschliessung von der Gräfin selbst ausgegangen, da ich in ihrem Hause mit ihren Kindern zusammen viel gelebt habe und der Einzige war, der in allen Schwierigkeiten zu ihr gehabten hatte.
Wie Ew. Eminenz wissen, ist bereits vor vier Jahren sowohl in Deutschland wie in England diese sogenannte Ehe annulliert worden und zwar mit rückwirkender Kraft, da beide Staaten sie als nicht existierend entschieden haben. Es ist Ew. Eminenz ferner bekannt, dass ich ein guter Katholik bin und in jeder Hinsicht versuche, den Wünschen der Kirche zu entsprechen, was ich wohl auch in diesem Falle gezeigt habe, aber andererseits ist es nicht logisch, dass ich mein Leben in jeder Hinsicht schwer schädigen lassen sollte, lediglich weil man in Rom nicht gewillt ist, einer so wichtigen und klarliegenden Angelegenheit die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und deren Erledigung mit Energie näherzutreten. Ew. Eminenz werden dies besonders verstehen aus der Kenntnis der ganzen Sachlage heraus, die beweist, unter welchen falschen Vorspiegelungen und Intrigen ich in diese Falle gelockt worden bin. – Ich bitte, nicht aus den Augen lassen zu wollen, dass ich nach wie vor annehme, dass Monsignore Prior, wenn nicht auf direktem, so doch auf indirektem Wege, alles versuchen wird, das Endresultat nach Möglichkeit hinauszuziehen, wenn es ihm auch, wie ich überzeugt bin, unter keinen Umständen gelingen dürfte, die Entscheidung selbst zu beeinflussen. Ich weiss, dass Monsignore Prior mit der Gräfin Gasquet intim befreundet ist und viel in ihrem Hause war, und ich würde nicht erstaunt sein, falls er dort auch anderweitig verpflichtet wäre. Obwohl Monsignore Prior seit sehr vielen Jahren ein Freund meiner Familie war, so stellte er sich plötzlich in einem Gespräch mit meinem Vater derartig auf die Seite der Gräfin, dass mein Vater die Conversation abbrach. Die Gräfin selbst sagte mir, dass Monsignore Prior in einer Weise über mich gesprochen und geschrieben hätte, die mir sehr schädlich hätte werden können, und ich hätte ihn schon damals gerichtlich zur Verantwortung gezogen, wenn er nicht ein Priester der Kirche gewesen wäre und ich einen Scandal hatte vermeiden wollen.
Zum Schluss möchte ich Ew. Eminenz bitten. falls noch irgendwelche
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Unklarheiten bestehen sollten, mir ein Schreiben zukommen lassen zu wollen, in dem jede Frage so klar gestellt ist, dass ich sie genau beantworten kann, am besten in der Art eines Fragebogens, da ich seitens der kanonischen Rechtsgelehrten – jedenfalls in Deutschland nicht – keinen genauen Ausschluss darüber erhalten kann, welches die wichtigen Momente sind, die für eine endgültige Regelung in Betracht kommen, und ich daher auch nicht vollkommen klar gestellte Fragen kaum beantworten kann. – Falls nur wenige Fragen in Betracht kommen, bitte ich, mir dieselben durch die Nunziatur in Wien und München telegraphisch zugehen zu lassen, da jede gewonnene Stunde in dieser Angelegenheit für mich von ausserordentlichster Wichtigkeit ist und ein längeres Hinausziehen ernste Consequenzen haben könnte.Ew. Eminenz im voraus meinen herzlichsten Dank aussprechend, bin ich
Eurer Eminenz dankbar ergeben
Heinrich Borwin Herzog zu Mecklenburg