Dokument-Nr. 2941
Matt, Franz an Pacelli, Eugenio
München, 01. August 1923
Euere Exzellenz
haben mich bei unserer jüngsten Besprechung noch um eine ausdrückliche Stellungnahme zu den Ausführungen Ihres Schreibens vom 16. Juni lfd. Js. über den Ausdruck "Gelegenheit zu Erinnerungen geben" in Art. XIV § 3 Satz 1 des bayerischen Konkordatsgegenentwurfes ersucht, da der Päpstliche Stuhl diesen Ausdruck als zu unbestimmt empfinde und als Ersatz die in den österreichischen Ländern gebräuchliche Form empfehle.
Hierzu beehre ich mich folgendes zu bemerken. Die in den österreichischen Ländern vor dem Umsturze gebräuchliche, durch das dortige Gesetz vom 5. Mai 1874 geregelte Form ist mir nur in der Darstellung bekannt, wie sie sich im Werke "Das österreichische Kultuswesen" von Dr. Heidlmair, Wien, Manzscher Verlag, 1898, Seite 87 § 6 nebst Anmerkungen 2 und 3 vorgetragen findet.
Der Unterschied zwischen dieser österreichischen Form und der Bestimmung des bayerischen Gegenentwurfes zum Konkordate besteht im wesentlichen darin, dass der Einspruch – wenigstens nach der Darstellung des angeführten Werkes – nur mit dem Mangel eines der Erfordernisse begründet werden kann, die in § 3 des Gesetzes vom 5. Mai 1874 erschöpfend aufgezählt waren (Besitz der
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oesterreichischen Staatsbürgerschaft, vorwurfsfreies Verhalten in sittlicher und staatsbürgerlicher Beziehung, Besitz derjenigen Befähigung, die für bestimmte Kirchenämter und Pfründen in den Staatsgesetzen vorgeschrieben ist), während der bayerische Gegenentwurf von einer Aufzählung der Gründe, aus denen Erinnerungen sollten erhoben werden können, absieht. Die in dem Gegenentwurfe gewählte Fassung hat hauptsächlich die seitherige bayerische Praxis im Auge, die festgehalten werden möchte, weil sie sich nach unserer Ansicht bewährt hat und für die Belange der Kirche keine Gefährdung in sich birgt. Diese bayerische Praxis in der Handhabung der Bestimmungen über die bisher landesrechtlich geforderte Bestätigung von privatpatronatischen Präsentationen und über die im Konkordate von 1817 Art. XI Abs. VI vorgesehene Genehmerklärung ist zutreffend dargestellt bei Geiger, Pfarramtsverwaltung 10. Auflage Band 1 Seite 385/86 und 397/399 und hat meines Wissens bisher keiner der beteiligten kirchlichen Oberbehörden Anlass zu begründeten Einwendungen geboten.Vom Standpunkte der beteiligten Geistlichen verdient übrigens nach meiner Ueberzeugung die bisherige bayerische Praxis den Vorzug vor der österreichischen Einrichtung. Wenn nämlich für die Abgabe einer staatlichen Erinnerung gegen die kanonische Investitur eines vom Bischofe designierten Geistlichen oder gegen die oberhirtliche Bestätigung eines dem Bischofe von einem Privatpatron präsentierten Geistlichen eine Frist von 30 Tagen erstreckt ist, so wird vor Ablauf dieser Frist der betreffende
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Geistliche regelmässig auch nicht in den (ihm vom Tage der bischöflichen Collationsurkunde oder privatpatronischen Präsentationsurkunde zustehenden) Genuss der Pfründerträgnisse und der treffenden staatlichen Einkommensergänzung eingewiesen werden können. Wenn jedoch die staatliche Erklärung, dass Erinnerungen nicht zu erheben sind, was in den meisten Fällen in kürzester Frist geschehen kann, ausgesprochen wird, so wird sich daran unmittelbar die Einweisung in die Temporalien und damit auch in die staatliche Einkommensergänzung anschliessen können. Aus diesen Erwägungen könnte ich Bedenken gegen eine Aenderung des bayerischen Gegenentwurfes in diesem Punkte nicht unterdrücken.Indem ich auch diese Gelegenheit zum Ausdrucke der vorzüglichsten Hochschätzung benütze habe ich die Ehre zu bestehen
Euerer Exzellenz
verehrungsvollst ergebener
(gez.) Dr. Matt.