Dokument-Nr. 10963
Bertram, Adolf Johannes an Marx, Wilhelm
Breslau, 22. März 1924

Abschrift
Copia
Hochverehrter Herr Reichskanzler!
Exzellenz!
Euer Exzellenz meinten in den geehrten Schreiben vom 8. und 24. Februar dieses Jahres - R.K.1722 -, die von mir dringendst geltend gemachten Befuerchtungen, dass durch die Aufwertungsbeschraenkung der dritten Steuernotverordnung die kirchlichen Vermoegensinteressen aufs schwerste geschaedigt werden wuerden, seien nicht begruendet.
Diese Meinung erweist sich leider nicht als zutreffend.
Infolge der dem preussischen Staat aus den Saekularisationen im Anfang des vorigen Jahrhunderts, insbesondere in Durchfuehrung des preussischen Saekularisations-Edikts vom 30. Oktober 1810 ueberkommenen Rechtsverpflichtungen, hat dieser den betroffenen Kirchengemeinden in staatlicherseits aufgestellten Dotationsetat Staatszuschuesse fuer Besoldung der Geistlichen, der weltlichen Kirchenbeamten bezw. –angestellten, Bestreitung der Kultus- und laufenden Baukosten ausgesetzt und diese dotationsetatsmaessigen Saetze bis Ende des Jahres 1923, schliesslich in Papiermark gezahlt.
Ich habe dann unter dem 24. Februar dieses Jahres die be-
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treffenden Kirchenvorstaende angewiesen, die Zahlung der dotationsetatsmaessigen Nennbetraege nunmehr ab 1. Dezember 1923 von den frueheren Zahlungsstellen, den preussischen Regierungen in Gold- bezw. Rentenmark zu fordern unter Anrechnung der von Preussen bezw. Vvom Reich bereits in Form von Besoldungsvor- bezw. –zuschuessen erhaltenen Zahlungen. Gleichzeitig habe ich den Herrn preussischen Minister fuer Wissenschaft, Kunst und Volksbildung gebeten, die Herren Regierungspraesidenten mit entsprechender Anweisung zu versehen. Daraufhin erhalte ich heute nachstehenden Erlass, in dem der Herr Minister bis auf weiteres überhaupt jede diesbezuegliche Zahlung einstellen laesst, die unter einer Goldmark bleibt, was in allen Faellen zutreffen duerfte.
Die diesbezueglich entscheidenden preussischen Behoerden, insbesondere der Herr preussische Finanzminister duerften allerdings wohl auch ohne weiteres zugeben, dass die Aufwertungsbeschraenkungen der dritten Steuernotverordnung fuer die dotationsetatsmaessigen Rechtsansprueche der Kirchengemeinden an sich nicht gelten, sie scheinen aber zu glauben, diese Beschraenkungen im Wege der Analogie auf diese Ansprueche ausdehnen zu sollen.
Ich brauche wohl nicht naeher auszufuehren, ein wie ungeheuer grosser finanzieller Schaden der Kirche dauernd erwachsen wuerde, wenn der genannte Ministerialerlass durchgefuehrt, oder auch nur die Aufwertung der dotationsetatsmaessigen Zahlungen des preussischen Fiskus an die Kirchengemeinden nur in demselben beschraenkten Maße vorgenommen werden wuerde, wie sie die dritte Steuernotverordnung fuer Vermoegensanlagen bestimmt.
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Ich bitte daher Euer Exzellenz ergebenst, authentisch festzustellen, wie das ja auch wissenschaftlich schon von dem ersten, zur Zeit vorliegenden Kommentar zur dritten Steuernotverordnung von Warneyer-Koppe (Die Aufwertung auf Grund der 3. Steuernotverordnung, Berlin 1924, S. 16 und 112) geschehen ist, dass gerade auch die dritte Steuernotverordnung die Aufwertung in dem von der diesbezueglichen Rechtssprechung des Reichsgerichts entwickelten Sinne grundsaetzlich als Rechtspflicht der Schuldner anerkannt ist, und dass infolgedessen in allen den Faellen, auf die die von der dritten Steuernotverordnung statuierten Aufwertungsbeschraenkungen, die nach allgemeiner Rechtsregel stricte zu interpretieren sind, nicht an sich zutreffen, der Sinn auch der dritten Steuernotverordnung eben der ist, dass in diesen Faellen der Glaeubiger unbeschraenkt durch diese Verordnung, nach wie vor die Aufwertung seiner Geldforderungen nach den an sich geltenden privatrechtlichen Grundsaetzen von Recht und Billigkeit bezw. nach Massgabe der diesbezueglichen Rechtssprechung des Reichsgerichts fordern kann.
Der Fuerstbischof.
Empfohlene Zitierweise
Bertram, Adolf Johannes an Marx, Wilhelm vom 22. März 1924, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 10963, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/10963. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 18.09.2015.