Dokument-Nr. 16995

[N. N.][N. N.]: Theologische Bemerkungen zu dem Vorworte., 17. März 1926

Abschrift.
Die Erklärung Adams kann im allgemeinen befriedigen und wird weitere Missdeutung aus dem Wege räumen, obwohl der zweite Passus auf S. 2 nicht gerade sehr verständlich gehalten ist. Vor allen Dingen wird der Leser seines Buches daraus ersehen können, dass der Verfasser nicht die Absicht hat, mit der Kirche in Konflikt zu geraten, und dass es ihm fernliegt, Behauptungen aufzustellen oder festzuhalten, die mit der Lehre der Kirche nicht zu vereinbaren sind. Durch die vorgeschlagenen drei Zusätze bzw. Aenderungen soll an den betreffenden Stellen der indentierte [sic] Sinn nur noch klarer und eindeutiger betont, aber eine Aenderung des Sinnes selbst nicht bezweckt werden.
Zur Erklärung der Zusätze noch kurz folgendes:
Es ist richtig, dass Bernhard Poschmann (Grundlagen und Geisteshaltung der katholischen Frömmigkeit S. 94) von der Möglichkeit eines unverschuldeten Abfalls vom Glauben spricht, aber, wie er selbst in Sperrdruck hervorhebt und kurz erklärt, nur in Ausnahmefällen, wogegen er als das Normale wörtlich hinstellt: "Wenn der Gläubige, wie es seine Pflicht ist, mit der Glaubensgnade mitwirkt, d. h. alles tut, um sich das Geschenk des Glaubens zu bewahren, ihn nicht leichtsinnig der Gefahr aussetzt und sich mit dem nötigen sittlichen Ernst bemüht, über Glaubensschwierigkeiten hinwegzukommen, dann macht die Gnade einen Abfall unmöglich"(S. 93)
Die Berufung auf den Artikel von M. Pribilla in "Stimmen der Zeit"(Januar 1926: Die Jungfrau von Orleans eine protestantische Heilige?) ist u. E. nicht richtig, ebensowenig die Bemerkung über die Exkommunikation. Kein Theologe wird bestreiten, dass, wenn der Fall so ge-
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lagert ist, wie er hier konstruiert wird, wenn also die Exkommunikation zu Unrecht verhängt wäre, der betroffene Katholik, der davon überzeut ist, die Pflicht hat, eher in der Exkommunikation zu sterben als gegen sein Gewissen zu handeln. Der Fall macht theoretisch ebendarum gar keine Schwierigkeiten, weil es sich bei der Exkommunikation immer nur um ein partikuläres Urteil der Kirche oder einer kirchlichen Instanz handelt, das ganz sicher fehlgehen kann. Hier bleit dem subjektiven Gewissen ohne Zweifel die letzte Entscheidung vorbehalten. Steht dagegen auf der einen Seite die Kirche als Ganzes, als göttliche Institution, mit dem Gesamtgut ihrer Glaubenswahrheiten, und auf der andern Seite mein persönliches Gewissen, so kann der gläubige Standpunkt es nicht dulden, dass mein Gewissen über die Kirche als solche zu Gericht sitzt. In demselben Augenblick, wo das geschieht, ist der innere Abfall von der Kirche und vom Glauben in der Wurzel vollzogen. Der Gläubige muss vielmehr, solange er gläubig bleibt, sich stets gegenwärtig halten, dass in solchen Konfliktsfällen auf der einen Seite eine objektive und unfehlbahre Wahrheit,auf der andern Seite aber nur ein subjektives und dem Irrtum unterworfenes Gewissensurteil steht. Konfliktsfälle im Glaubensleben lösen sich sicher am besten, auch für den Intellektuellen, mit den bekannten Mitteln, die auch Poschmann in dem oben zitierten Satze angibt. Poschmann ist unbedingt zuzustimmen, wenn er S. 93 sagt: "Nun entzieht aber Gott niemanden [sic] die Gnade ohne dessen Schuld, 'er verlässt', wie das Konzil sagt, 'keinen, wenn er nicht selbst verlassen wird'."
Wenn Adam später einmal an eine wirkliche Neubearbeitung seines Buches herangeht, wäre es zu wünschen, wenn er den betr. Passus (S. 216 ff) wesentlich umgestalten würde. Es wäre zu wünschen nicht bloss im In-
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teresse der theologischen Kritik, sondern auch im Hinblick auf die theologische Korrektheit.
Die zweite und dritte Aenderung soll den Zweck haben, die übernatürliche Gotteserkenntnis, auf die es S. 61 ankommt, noch deutlicher als solche, nämlich als übernatürliche herauszustellen und jedwede Identifizierung derselben mit dem irrationalen Gotteserleben auszuschliessen. Die Streichung des Nebensatzes, in dem von dem "lebendigen Gott" als dem Objekt der übernatürlichen Gotteserkenntnis geredet wird, ist darum vorgenommen, damit dieser lebendige Gott nicht in Gegensatz zu einem toten, unpersönlichen, absoluten Sein, das allein das Objekt der natürlichen Gotteserkenntnis sein soll, gerückt werden kann. Die katholische Philosophie wird daran festhalten müssen, dass sie auch ohne Offenbarung einen lebendigen und persönlichen Gott, nicht bloss ein unbestimmtes absolutes Sein, erkennen kann, wenn die tatsächliche Erkenntnis auch noch so schwierig ist.
Bei einer Neubearbeitung müsste an dieser Stelle das Recht und die Reichweite der natürlichen Gotteserkenntnis viel ausgiebiger und klarer betont werden. Das ist namentlich notwendig gegenüber der Theorie von dem Irrationalen und dem Phänomenologismus. Es ist apologetisch sicher nicht richtig, wie Adam es tut, die natürliche Gotteserkenntnis gleichsam zu überspringen und dem Naturalismus und Humanismus gegenüber sofort und ohne weiteres auf die Offenbarungserkenntnis zurückzugreifen.-
Hinsichtlich der vorstehenden Erörterung ist Herr N.N mit mir einer Meinung wie namentlich auch in Bezug auf die vorgeschlagenen Zusätze bzw. Aenderungen. Nach genauester Durchsprache des Vorwortes sind diese Zusätze gemeinsam von uns formuliert worden.
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Im übrigen sind wir beide der Auffassung, dass die im Vorstehenden berührten Punkte mehr in das Gebiet der theologischen Kritik und Kontroverse fallen als vor das Forum der kirchlichen Zensur gehören und darum an dieser Stelle unbeanstandet bleiben können. Mit dem vorliegenden Vorwort (nebst den Zusätzen) dürfte Adam den Forderungen der Zensur genügend Rechnung getragen haben.
gez. N. N.
Diese Denkschrift war dem Schreiben des Kölner Erzbischofs Kardinal Schulte vom 26. März 1926 als Anlage beigefügt.
Empfohlene Zitierweise
[N.N.], Theologische Bemerkungen zu dem Vorworte. vom 17. März 1926, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 16995, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/16995. Letzter Zugriff am: 26.04.2024.
Online seit 29.01.2018, letzte Änderung am 10.09.2018.