Dokument-Nr. 18648
Der Entwurf des Reichsschulgesetzes, in: Tägliche Rundschau, 16. Juli 1927
I. Abschnitt. Aufgaben, Formen und Kennzeichen der deutschen Volksschule.
§ 1. Aufgabe und Ziel der deutschen Volksschule.
1. Alle deutschen Volksschulen haben die gemeinsame Aufgabe, die schulpflichtige Jugend durch Unterricht auf der Grundlage des deutschen Kulturguts zu körperlicher und geistiger Tüchtigkeit heranzubilden und sie in Unterstützung, Ergänzung und Fortführung der elterlichen Erziehung zu sittlich wertvollen Menschen und zu Staatsbürgern zu erziehen, die fähig und bereit sind, der deutschen Volksgemeinschaft zu dienen.
2. Die besonderen Aufgaben, die einzelne Schulformen (§ 2) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes erfüllen, bleiben hierdurch unberührt.
3. In allen Volksschulen ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Empfindungen Andersdenkender nicht verletzt werden (Art. 148 Abs. 2 RB.).
§ 2. Die Formen der deutschen Volksschule.
1. Es gibt folgende Formen der deutschen Volksschule:
a) die nach Bekenntnissen nicht getrennte Volksschule (Gemeinschaftsschule),
b) die Bekenntnisschule,
c) die bekenntnisfreie Schule (weltliche oder Weltanschauungsschule).
2. Diesen Schulformen ist – unbeschadet des Artikels 146 Abs. 1 RB. – im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes freie Entwicklungsmöglichkeit zu geben.
§ 3. Die nach Bekenntnissen nicht getrennte Volksschule (Gemeinschaftsschule).
1. Die Gemeinschaftsschule steht grundsätzlich allen volksschulpflichtigen Kindern offen.
2. Sie erfüllt die Unterrichts- und Erziehungsaufgaben der deutschen Volksschule auf religiös-sittlicher Grundlage ohne Rücksicht auf die Besonderheiten einzelner Bekenntnisse und Weltanschauungen. Die aus dem Christentum erwachsenen Werte der deutschen Volkskultur sind im Unterricht und in der Erziehung lebendig zu machen.
3. Der Religionsunterricht ist für alle Klassen ordentliches Lehrfach. Er wird nach Bekenntnissen getrennt erteilt.
4. Bei der Anstellung der Lehrer ist die Gliederung der Schüler nach Bekenntnis und Weltanschauung tunlichst zu berücksichtigen.
§ 4. Die Bekenntnisschule.
1. Voraussetzung für die Einrichtung einer Volksschule eines bestimmten Bekenntnisses (Bekenntnisschule) ist, daß für die gemeinschaftliche Pflege dieses Bekenntnisses eine Religionsgesellschaft besteht, welche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt (Art. 137 Abs. 5, RB.).
2. Die Bekenntnisschule dient zur Aufnahme von Kindern eines bestimmten Bekenntnisses, sowie von Kindern eines verwandten Bekenntnisses (Abs. 8); doch können aus besonderen Gründen auch andere Kinder eingeschult werden. Durch die Aufnahme solcher Kinder verliert die Schule nicht den Charakter als Bekenntnisschule.
3. Die Bekenntnisschule wird nach dem Bekenntnis näher bezeichnet als evangelische, katholische, jüdische Volksschule. Sie erfüllt die Unterrichts- und Erziehungsaufgaben der deutschen Volksschule gemäß dem Glauben, in dem die Kinder erzogen werden. Lehrpläne, Lehr - und Lernbücher sind der Eigenart der Schule anzupassen. Im Leben der Schule sind, unbeschadet der Bestimmungen der Artikel 136 Abs. 4 und und [sic] 149 Abs. 2 der Reichsverfassung, die dem Bekenntnis eigenen religiösen Uebungen und Gebräuche zu pflegen und die dem Bekenntnis eigenen Feier- und Gedenktage zu berücksichtigen.
4. Der Religionsunterricht ist für alle Klassen ordentliches Lehrfach.
5. An der Bekenntnisschule dürfen (abgesehen von den Ausnahmen der Abs. 6 und 7) nur solche Lehrkräfte hauptamtlich angestellt werden, die dem Bekenntnis der Kinder, für welche die Schule bestimmt ist, oder einem verwandten Bekenntnis angehören. Vorübergehende Verwendung anderer Lehrkräfte ist aus besonderen Gründen zulässig.
6. Zur Erteilung von gesondertem Religionsunterrichte an Kinder eines Minderheitsbekenntnisses (§ 14 Abs. 2) kann eine dem Minderheitsbekenntnis angehörige Lehrkraft angestellt werden, wenn die Beschaffung dieses Unterrichts auf andere Weise nicht möglich ist. Diese Lehrkraft kann auch mit anderem Unterrichte betraut werden.
7. Die Vorschrift des Abs. 5 Satz 1 bezieht sich nicht auf diejenigen Lehrkräfte, die zur Erteilung des technischen Unterrichts verwendet werden.
8. Bekenntnisse sind verwandt, wenn die obersten Stellen der zuständigen Religionsgesellschaften dies gegenseitig anerkennen.
§ 5. Die bekenntnisfreie Schule (weltliche oder Weltanschauungsschule).
1. Die bekenntnisfreie Schule ist für solche Kinder bestimmt, die keinem Bekenntnis angehören oder, soweit sie einem Bekenntnis angehören, nach dem Willen der Erziehungsberechtigten vom Religionsunterricht abgemeldet sind und nicht an einer Gemeinschafts- oder Bekenntnisschule erzogen werden sollen. Sie steht jedoch aus besonderen Gründen auch anderen Kindern offen. Durch die Aufnahme solcher Kinder verliert die Schule ihren Charakter als bekenntnisfreie Schule nicht.
2. Sie erfüllt die Unterrichts- und Erziehungsaufgaben der deutschen Volksschule auf allgemeinsittlicher Grundlage ohne bekenntnismäßige oder weltanschauliche Bindung. Religionsunterricht wird nicht erteilt.
3. An der bekenntnisfreien Schule ist als ordentliches Lehrfach Unterricht in einer bestimmten Weltanschauung zu erteilen und auch im übrigen Unterricht auf diese Weltanschauung Rücksicht zu nehmen, wenn für die Pflege dieser Weltanschauung eine Vereinigung besteht, der die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Artikel 137 Abs. 7 der Reichsverfassung gewährt sind, und wenn die Erziehungsberechtigten von wenigstens zwei Dritteln der die Schule besuchenden Kinder dies beantragen.
4. Zur Teilnahme an dem besonderen Weltanschauungsunterrichtekann kein Kind gegen den Willen der Erziehungsberechtigten gezwungen werden.
5. An der bekenntnisfreien Schule können Angehörige jedes Bekenntnisses sowie Bekenntnislose als Lehrer angestellt werden. Lehrer, welche die Voraussettung für die Anstellung an einer Bekenntnisschule erfüllen, dürfen nicht gegen ihren Willen an einer bekenntnisfreien Schule verwendet werden. Bei nur vorübergehender Verwendung sind Ausnahmen aus besonderen Gründen zulässig. Im Falle des Abs.
3 ist bei der Anstellung der Lehrer die weltanschauliche Gliederung der Schüler tunlichst zu berücksichtigen.
II. Abschnitt. Einrichtung und Umwandlung der Schulformen.
§ 6. Begriff der Gemeinde.
Unter Gemeinden im Sinne des Artikel 146 RB. und im Sinne dieses Gesetzes sind die öffentlichen Verbände zu verstehen, die zur Errichtung und Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen für die ihnen zugewiesenen Einwohner bestimmt sind.
§ 7. Das Antragsrecht.
1. Inerhalb [sic] einer Gemeinde ist zur Stellung eines Antrags auf Einrichtung der in § 2 genannten Schulformen oder auf Umwandlung einer Schulreform in eine andere jeder deutsche Reichsangehörige berechtigt, dem die Sorge für die Person eines volksschulpflichtigen und die Volksschule besuchenden Kindes zusteht.
2. Steht Eltern die Sorge für die Person des Kindes zu, so genügt es, wenn der Antrag von dem einen Elternteile gestellt wird, es sei denn, daß der andere Elternteil ausdrücklich widerspricht. In diesem Falle kann die Vermittlung oder Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Auf dessen Verfahren findet § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (Reichsgesetzbl. S. 939) Anwendung.
3. Steht die Sorge für die Person des Kindes neben anderen Personen einem Vormund oder einem Pfleger zu, so gilt im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen Vater oder Mutter einerseits und Vormund oder Pfleger andererseits der Grundsatz des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung.
4. Die Länder sind befugt, in besonderen Fällen auch solchen Personen, welche die deutsche Reichsangehörigkeit nicht besitzen, das Recht zur Stellung von Anträgen zuzuerkennen.
5. Das Antragsrecht kann nur in der Gemeinde ausgeübt werden, in der das Kind die Volksschule besucht.
6. Die Landesgesetzgebung kann Bestimmungen treffen über die Uebertragung des Antragsrechts der Erziehungsberechtigten auf die Vorstände von Erziehungsanstalten und solche Personen, die fremde Kinder in Pflege haben.
§ 8. Voraussetzungen des Antrags.
Ein Antrag muß von den Erziehungsberechtigten von mindestens 40 schulpflichtigen Kindern gestellt werden. Sind in einer Gemeinde weniger als 200 schulpflichtige Kinder vorhanden, so kann nach näherer Bestimmung des Landesrechts von diesem Erfordernis abgesehen werden.
§ 9. Vollzug des Antrags auf Einrichtung von Volksschulen.
1. Einem vorschriftsmäßig gestellten Antrag auf Einrichtung einer der in § 2 genannten Schulformen ist stattzugeben, wenn die beantragte Schulform nicht oder nicht in einer ausreichenden Anzahl in der Gemeinde vertreten ist, und wenn die einzurichtende Schule einen geordneten Schulbetrieb auch im Sinne von Artikel 146 Abs. 1 RB. gewährleistet.
2. Ein geordneter Schulbetrieb ist gewährleistet, wenn
a) die in § 1 Abs. 1 und 2 aufgestellten Bildungsziele erreicht werden können,
b) die Schule nach Aufbau und Zahl der Klassen und Unterrichtsabteilungen nicht hinter derjenigen Mindesthöhe der Organisation zurückbleibt, die am 1. Januar 1927 in der Gemeinde rechtlich zulässig war.
In Ausnahmefällen sind zum Schutze von Minderheiten von Erziehungsberechtigten nach näherer Bestimmung der Länder Abweichungen von der Bestimmung b) zuzulassen.
§ 10. Vollzug des Antrags auf Umwandlung von Schulformen.
Einem rechtsgültig gestellten Antrag auf Umwandlung einer Schulreform in eine andere ist stattzugeben, wenn die Erziehungsberechtigten von wenigstens zwei Dritteln der Schule besuchenden Kinder sich dafür aussprechen.
§ 11. Anfechtung der Entscheidung.
1. Die Entscheidung über einen Antrag ist nach näherer Bestimmung des Landesrechts in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren anfechtbar.
2. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an dem Reichsverwaltungsgerichte nach Maßgabe eines besonderen Reichgesetzes statt. Bis zum Erlaß dieses Gesetzes steht die Entscheidung im letzten Rechtszug den obersten Verwaltungsgerichten der Länder zu.
§ 12. Zeitpunkt für die Stellung von Anträgen.
1. Anträge gemäß § 5 Abs. 3 und § 7 können jederzeit gestellt werden.
2. Ein rechtswirksam abgelehnter Antrag kann frühestens nach drei Jahren wiederholt werden, es sei denn, daß wesentliche Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung der Gemeinde eingetreten sind.
III. Abschnitt. Schulaufsicht und Schulverwaltung.
§ 13. Schulaufsicht.
1. Die Aufsicht über alle Volksschulen führt der Staat.
2. Bei der Besetzung der Stellen der unmittelbaren fachmännisch vorgebildeten Schulaufsichtsbeamten ist auf die Art der ihnen unterstellten Schulen Rücksicht zu nehmen.
3. In die örtlichen Schulverwaltungskörper, denen Schulen unterstehen, an welchen Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist, ist je ein Vertreter der entsprechenden Religionsgesellschaft (evang. Pfarrer, kath. Pfarrer, Rabbiner) mit Sitz und Stimme aufzunehmen.
4. Den Vertreter der Religionsgesellschaft beruft die Schulaufsichtsbehörde auf Vorschlag der betreffenden Religionsgesellschaft.
5. Im Falle des § 5 Abs. 3 ist entsprechend zu verfahren.
IV. Abschnitt. Der Religionsunterricht in den Volkschulen.
§ 14. Allgemeines.
1. Der Religionsunterricht wird von einem Angehörigen der betreffenden Religionsgesellschaft in Uebereinstimmung mit ihren Grundsätzen unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staates erteilt. Bekenntnisverwandte können zur Erteilung des Religionsunterrichts zugelassen werden.
2. In den Gemeinschafts- und Bekenntnisschulen ist für Bekenntnisminderheiten Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach einzurichten, wenn durchschnittlich mindestens zwölf Kinder des betreffenden Minderheitsbekenntnisses in der Schule vorhanden sind, die am Religionsunterricht teilnehmen.
3. Die Bestimmungen über Lehrplan, Lehr- und Lernbücher für den Religionsunterricht werden im Einvernehmen mit der Religionsgesellschaft erlassen. Auch bei der Festsetzung der Zahl der diesem Unterrichte zur Verfügung stehenden Wochenstunden wirkt die Religionsgesellschaft mit.
§ 15. Privater Religionsunterricht.
1. Falls in einer Gemeinschafts- oder Bekenntnisschule für die Bekenntnisminderheit wegen zu geringer Schülerzahl Religionsunterricht nicht erteilt wird, sind auf Wunsch der Erziehungsberechtigten zur Ermöglichung eines privaten Religionsunterrichts Schulräume nebst Heizung und Beleuchtung unentgeltlich bereit zu stellen. Die weiteren Voraussetzungen und den Umfang der Bereitstellung bestimmt das Landesrecht.
2. Für Kinder, die einem Bekenntnis angehören und eine bekenntnisfreie Schule besuchen, ist auf Wunsch der Erziehungsberechtigten in gleicher Weise ein privater Religionsunterricht zu ermöglichen, es sei denn, daß innerhalb der Gemeinde die Möglichkeit zum Besuche des Religionsunterrichts in ihrem Bekenntnis an einer Gemeinschafts- oder Bekenntnisschule besteht.
§ 16. Einsichtnahme in den Religionsunterricht.
Zur Einsichtnahme in den Religionsunterricht bestellt der Staat im Schulwesen erfahrene Beauftragte, die von der Religionsgesellschaft vorgeschlagen werden. Den obersten Stellen der Religionsgesellschaften ist Gelegenheit zu geben, sich davon zu überzeugen, ob der Religionsunterricht in Uebereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgesellschaft erteilt wird.
V. Abschnitt. Rechtsmittel.
§ 17. Entscheidungen der Behörden, durch die Rechte von Erziehungsberechtigten berührt werden, die ihnen auf Grund der Reichsverfassung oder dieses Gesetzes zustehen, sind nach näherer Bestimmung des Landesrechts im Wege eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens anfechtbar.
§ 11 Abs. 2 findet Anwendung.
VI. Abschnitt. Uebergangs- und Schlußbestimmungen.
§ 18. Charakter der bestehenden Schulformen.
1. Die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden, nach Bekenntnissen nicht getrennten Volksschulen mit Religionsunterricht gelten als Gemeinschaftsschulen im Sinne des § 3.
2. Die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden evangelischen, katholischen und jüdischen Volksschulen gelten als Bekenntnisschulen im Sinne des § 4.
3. Die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Volksschulen ohne Religionsunterricht (Sammelschulen) gelten als bekenntnisfreie Schulen im Sinne des § 5 Abs. 1 und 2.
4. Sämtliche bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Schulen (Abs. 1-3) gelten in ihrer Schulform als beantragt im Sinne des § 7, wenn nicht rechtsgültige Anträge auf andere Schulformen gestellt werden.
5. Die bestehenden, als beantragt geltenden Schulen sind unverzüglich in Uebereinstimmung mit den Vorschriften der §§ 3 bis 5 zu bringen, sofern sie diesen noch nicht entsprechen.
§ 19. Vollzug des Gesetzes.
Die Länder haben die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften so rechtzeitig zu erlassen, daß spätestens 2 Jahre nach seiner Verkündung mit der Durchführung begonnen werden kann.
§ 20. Gebiete des Reichs, die nach Art. 174 der Reichsverfassung besonders zu berücksichtigen sind.
1. In den Ländern Baden und Hessen, sowie in dem ehemaligen Herzogtum Nassau tritt das Gesetz erst 5 Jahre nach seiner Verkündung in Kraft.
2. Für diese Gebiete bleibt die Zulassung von Ausnahmen von den Bestimmungen des § 9 Abs. 2 letzter Satz auf weitere fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes dem Landesrecht überlassen.
Zur Erläuterung
wird amtlich u.a. noch erklärt:
Der Gesetzentwurf verwirklicht unbeschadet der staatlichen Schulhoheit als leitende Gedanken die Berücksichtigung des Willens der Erziehungsberechtigten nach Art. 146 Abs. 2 der Reichsverfassung sowie die Grundsätze über Erteilung des Religionsunterrichts nach Art. 149 Reichsverfassung.
In Ausführung dieser Leitgedanken enthält der Entwurf zunächst eine Umschreibung und Abgrenzung der drei Schulformen: der Gemeinschaftsschule, der Bekenntnisschule und der bekenntnisfreien Schule. Ausgehend von den Richtlinien zur Regierungsbildung ist dabei allen drei Schulformen
gleiche und freie Entwicklungsmöglichkeit
gegeben worden. Entsprechend der Weisung der Reichsverfassung sowie in Anknüpfung an die langjährigen Verhandlungen über ein Reichsgesetz im Sinne des Art. 146 Abs. 2 RB. stellt sich der Entwurf die Aufgabe, das Antragsrecht der Erziehungsberechtigten auszubauen. Um hierbei die Gemeinschaftsschule in ihrer Zukunftsentwicklung den beiden anderen Schularten gegenüber nicht zu benachteiligen, ist auch zugunsten der Gemeinschaftsschule das Antragsrecht gegeben worden. Von einer authentischen Interpretation des Art. 146 Abs. 1 RB. in bezug auf die Frage einer Vorzugsstellung der Gemeinschaftsschule sieht der Gesetzentwurf absichtlich ab. Durch einen Hinweis auf Art. 146 Abs. 1 wird indessen ausdrücklich festgestellt, daß sein Inhalt durch den vorliegenden Gesetzentwurf völlig unberührt bleibt. Der schwierigen Definition des geordneten Schulbetriebes legt das Gesetz im allgemeinen die Aufrechterhaltung der heute für einen solchen geltenden Normen zugrunde. Gegen Entscheidungen, durch welche Rechte von Erziehungsberechtigten berührt werden, ist ein Rechtsmittelverfahren vorgesehen.
Ueber den Religionsunterricht in den Volksschulen handelt der 4. Abschnitt. Der Religionsunterricht soll von einem Angehörigen der Religionsgesellschaft erteilt werden. Hierbei kommen in evangelischen Schulen in erster Linie dem Bekenntnis angehörende Lehrer in Betracht. Selbstverständlich soll dadurch nicht ausgeschlossen werden, daß der Religionsunterricht auch von Geistlichen erteilt wird, wie dies insbesondere in katholischen Schulen häufig der Fall ist. Auch eine diesbezügliche allgemeine Regelung in einzelnen Landesteilen wird hierdurch nicht berührt. Für die Bestimmungen über Lehrplan, Lehr- und Lernbücher, sowie für die Festsetzung der Zahl der Religionsstunden ist eine nähere Mitwirkung der Religionsgesellschaften vorgesehen. Zur
Einsichtnahme in den Religionsunterricht
bestellt der Staat auf Vorschlag der Religionsgesellschaft im Schulwesen erfahrene Beauftragte. Die Definition des Begriffs Beauftragte ist für die evangelische und katholische Kirche naturgemäß verschieden. Für den katholischen Religionsunterricht muß der betreffende Beauftragte die missio canonica besitzen. Für den evangelischen Religionsunterricht wird diese Einsichtnahme gemäß der Stellungnahme des evangelischen Kirchensenatssowie des evangelischen Kirchentags in der Regel durch Schulmänner ausgeübt, welche auf Vorschlag der kirchlichen Provinzialunterrichtsbeiräte dem Staate benannt werden. Eine Wiedereinführung der geistlichen Lokalschulinspektion ist in keiner Weise beabsichtigt. Der VI. Abschnitt knüpft in seinen Uebergangsbestimmungen an die geschichtliche Entwicklung an. Die verschiedenen vorhandenen Schularten gelten als im Sinne dieses Gesetzes beantragt, falls keine neuen zu berücksichtigenden Anträge erfolgen. Die hiernach bestehen bleibenden Schulformen der einzelnen Län-
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der sind mit den für die
verschiedenen Schularten dieses Gesetzes aufgestellten Grundsätzen in Uebereinstimmung zu
bringen.Im letzten Gesetzesparagraphen wird die sogenannte
Christliche Simultanschule des Südwestens
behandelt, deren Geltungsgebiet nach Art.
174 RB. besonders zu berücksichtigen ist. Während auf einer Seite der Wunsch besteht, diese Berücksichtigung soweit auszudehnen, daß die Einführung dieses Gesetzes in den fraglichen Gebieten bis auf weiteres ausgesetzt werden und der Landesgesetzgebung vorbehalten bleiben soll, geht der Entwurf nicht so weit; er sucht vielmehr dem Gesichtspunkt der besonderen Berücksichtigung durch Gewährung einer Sperrfrist von 5 Jahren gerecht zu werden, zu der die allgemeine Einführungsfrist von weiteren 2 Jahren noch hinzutritt.