Dokument-Nr. 20810
Archäologisches Institut des Deutschen Reiches: Hundertjahrfeier des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches. Berlin, 08. Februar 1929
Professor Dr. G. Rodenwaldt, der Direktor (amtlich führt er die etwas veraltete Dienstbezeichnung Sekretar) des Archaeologischen Institutes des Deutschen Reiches nahm dann das Wort: Vor wenigen Tagen waren hundert Jahre vergangen, seit von Rom aus ein Manifest an Kunstfreunde und Gelehrte der ganzen damaligen Welt versandt wurde, das die Gründung eines "Instituto di Correspondenza Archeologica" ankündigte. Unter den Unterzeichnern befanden sich Karl Josias von Bunsen, der damalige Gesandte Preussens beim Heiligen Stuhl, auf den Ampère das bekannte Wort geprägt hat, dass er Vertreter nicht nur der Preussischen Regierung bei dem Päpstlichen Stuhl, sondern auch der Deutschen Wissenschaft bei dem römischen Altertum gewesen sei, Berthel Thorwaldsen, der führende Meister der klassizistischen Skulptur, Carlo Fea, der Uebersetzer der Werke Winckelmanns in die italienische Sprache, der kunstsinnige baltische Freund des Altertums Baron von Stackelberg, der kultivierte Kenner und Kunstschriftsteller Freiherr von Rumohr, der in Kunst und Wissenschaft liebenswürdig dilettierende August Kestner, der Sohn von Werthers "Lotte", und der Fachgelehrte, der die Seele des neuen Unternehmens war. Eduard Gerhard. Am 21. April, dem traditionellen Geburtstage Roms, der auch der Festtag des modernen
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Italien
ist, wurde das Institut unter Leitung Bunsens in einem Saal des Palazzo Caffarelli
auf dem Kapitol feierlich eingeweiht. Es war ein kleiner Kreis, der die Eröffnung vollzog,
der aber durch wohlwollende Förderung und praktische Mitarbeit mit der Elite der damaligen
Kulturwelt verbunden war. Dass Winckelmann einer der Ahnherren dieses, wie es einmal
heisst, Winckelmannschen Unternehmens war, ist selbstverständlich. In seine Zeit reichte die
produktive Arbeit Carlo Feas zurück. Den fruchtbaren Boden, auf dem die Schöpfung in
Rom gedieh, bildete die Tradition, die Wilhelm von Humboldt geschaffen hatte. Dass er
die Präsidentenschaft des Instituts nicht übernehmen konnte, beruht auf dem Geschick, das
ihm in den Monaten der Gründung des Institutes seine Gattin raubte, aber er begleitete die
Schöpfung mit seinem Interesse und nach seinem Tode erhielt das Institut als kostbaren
Besitz von Alexander von Humboldt Thorwaldsens Bronzebüste seines Bruders geschenkt. Goethe
sandte noch im Jahre 1831 einen Beitrag zu den Schriften des Instituts. Hinter diesen drei,
für dem [sic] Grund, auf dem sich das Institut aufbaute, symbolischen Gestalten stand die
Elite des Klassizismus, wie sie sich in den führenden Persönlichkeiten des politischen,
kulturellen und künstlerischen Lebens des damaligen Europa zusammensetzte und eine in dieser
Geschlossenheit nie wieder erreichte Internationale der geistigen Kultur bildete. Durch
Wilhelm von Humboldt knüpften sich von Anfang an die Fäden zum Berliner Klassizismus
und es ist kein Zufall, dass zu den ersten Mitgliedern des Instituts Schinckel und
Rauch gehörten. Das Institut hatte zum Zweck die archaeologische Korrespondenz.
Bis heute hat die Lebenskraft des Instituts darin bestanden, dass es nicht nach dem Schema
vorhandener Typen wissenschaftlicher Anstalten wie Universitäten, Akademien und
wissenschaftlicher Hilfsinstitute geschaffen war, sondern die Erfüllung des eigentlichen
Bedürfnisses der archaeologischen Wissenschaft sich zum Ziel setzte. Für sie ist bezeichnend
das stetige und fast unermessliche Heranströmen neuen Materials. Dieses Material zu erfassen
und mit den Mitteln der ständig sich verfeinernden Reproduktionstechnik wiederzugeben, war
die Hauptaufgabe des Instituts und ist bis heute das Zentrum seiner Tätigkeit geblieben.
Wenn auch naturgemäss das klassische Altertum im Mittelpunkt seiner Betätigung stand, so
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waren doch von vornherein auch die Erforschung Aegyptens
und des Orients sowie der nordischen Länder in das Aufgabengebiet des Instituts
hineingenommen worden. In ausgezeichneten Darlegungen führte Professor Rodenwaldt
durch die hundertjährige Geschichte des Instituts, zeigte dessen Wachstum und Einfluss auf
das Geistesleben. Es gibt wohl kaum eine zweite Wissenschaft, die so wie die Archaeologie
auf internationale Beziehungen und internationale Zusammenarbeit eingestellt ist. Die
Institute aller Nationen in Rom, Athen, Kairo und anderen Städten bilden Mittelpunkte einer
ständigen internationalen Zusammenarbeit, wie sie keine andere Wissenschaft besitzt. Auch
für die Erforschung unserer eigenen deutschen Vorgeschichte ist es die Hauptaufgabe des
Instituts, die Verbindung mit den Kulturen und der Wissenschaft der Nachbarländer
herzustellen. Daher haben sich denn auch auf keinem anderen Gebiete die Fäden nach dem
Kriege sobald wieder geknüpft wie auf dem der Archaeologie, bei der es sich um die
gemeinsamen Grundlagen der Kultur der Gegenwart handelt und bei denen wirtschaftliche und
materielle Interessen anderer Art ausgeschaltet sind. Dieser internationale Zusammenklang
spiegelt sich in den Jubiläumsfeierlichkeiten, die sich in folgender Weise vollziehen
werden: Der Hauptfestakt findet im Plenarsitzungssaal des Reichstages am Abend des
21. April, des Gründungstages des Instituts, statt. Der Vorsitzende des Instituts, eben
Professor Rodenwaldt, wird die Festrede halten. Am Montag, den 22. April, wird
für die deutsche internationale Gelehrtenwelt, die sich zu dem Jubiläum versammelt, ein
Empfang im Pergamon-Museum stattfinden. Die gewaltigen Säle, die den pergamenischen Altar
und die erlesenen Beispiele antiker Architektur enthalten, werden bis dahin vollendet sein.
Am Dienstag Abend findet in Verbindung mit den Jubiläumsfeierlichkeiten die erste Tagung der
Gesellschaft für antike Kultur statt, bei der der Präsident dieser Gesellschaft, Herr
Staatssekretär Professor Dr. Popiz, eine Festrede und Herr Professor Werner
Jaeger einen Vortrag halten wird. Zu Ehren der Jubiläumsteilnehmer wird die Stadt
Berlin, mit deren Geistesgeschichte das Institut so nahe verbunden ist, am Mittwochabend
eine Festvorstellung in der Städtischen Oper veranstalten. Am Donnerstag Nachmittag werden
Aufführungen der Hochschule für Leibesübungen stattfinden. Die Tage vom Montag bis zum
Donnerstag werden im übrigen durch eine internatio- 67r
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Tagung ausgefüllt werden, in der in etwa 60 Vorträgen von führenden Gelehrten aller Nationen
über die bedeutendsten Ausgrabungen der letzten Jahre berichtet werden wird. Es handelt sich
um Themata, von denen jedes einzelne weit über die Grenzen des Fachgebietes hinaus auf
allgemeines Interesse rechnen kann. Sie werden die Kulturen von den ältesten Anfängen bis
hoch hinauf ins Mittelalter umfassen und von der inneren Verbundenheit der Kulturgeschichte
Europas, Afrikas und Asiens bis zum fernsten Osten Zeugnis ablegen.Dann wies Professor Dr. W. Jäger darauf hin, dass in Verbindung mit dem Institutsjubiläum die Gesellschaft für antike Kultur ihre erste öffentliche Tagung abhalten werde. Diese Gesellschaft hat sich das Ziel gesteckt, die antike Kultur für unsere gesamte geistige Bildung fruchtbar zu machen und mit dem Leben unserer Zeit in neue Verbindung zu setzen. Die klassische Kultur ist eine der dauernden geistigen Grundlagen des europäischen und auf besondere Weise des deutschen Geistes. In einer Zeit wie der unsrigen, die erfüllt ist von schwankender Unsicherheit und von fieberhaftem Suchen nach neuen Masstäben [sic] und Zielen, ist die Pflege eines so edlen und unausschöpflichen Besitzes wie der Kunst und Gedankenwelt des Altertums einer [sic] Kulturaufgabe von neuer Aktualität.
Geheimrat Dr. Th. Wiegand wies dann noch darauf hin, dass das Pergamon-Museum während der Tagung zum ersten Male seine Säle öffnen würde, um so den Teilnehmern der Tagung Gelegenheit zu geben, seine reichen Schätze antiker Architektur, die allen Unbilden der Zeit zum Trotz unter ungeheurem Arbeitsaufwand hier versammelt wurden, zu besichtigen.