Dokument-Nr. 3431
Bertram, Adolf Johannes an Pacelli, Eugenio
Biesdorf, 22. Oktober 1922

Hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius!
Exzellenz!
Mit ausserordentlichem Interesse habe ich Kenntnis genommen von dem Schreiben des Cultusministers vom 27. September 1922, das Eure Excellenz mit geneigter Zuschrift vom 14. October 1922 Nr. 25347 mir mitzuteilen die Güte hatten. Ich bitte zu demselben folgende Bemerkungen mir zu gestatten.

I.
Einen tunlichst baldigen Abschluss einer entscheidenden Verständigung mit dem Ministerium halte ich für dringend erwünscht. Änderungen in der Zusammensetzung des Staatsministeriums und des Landtages können sonst unerwartet eine ungünstige Constellation schaffen, unter der wir es bereuen würden, aus Kampf um ein bonum majus uns nicht mit dem bonum minus begnügt zu haben.
Daher würde ich es für gut halten, wenn Eure Exzellenz dem Hl. Stuhle eine baldige bestimmte Entschliessung anempfehlen würden.

II.
Von den in meinem Schreiben vom 24. Januar 1922 bezeichneten Punkten gehören
Punkt XI (Freiheit der kirchlichen Trauung von Nupturienten vor der standesamtlichen Eheschliessung) und
Punkt XII (Schulgesetz)
zur Competenz des Reiches, können also nötigenfalls aus die-
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ser Verhandlung mit dem Landes-Ministerium ausscheiden.

III.
Zwei Gegenstände, nämlich
Punkt VIII. Anstellung von Theologie-Professoren an Universitäten, und
Punkt IX. Convikte und Priesterseminarien sind nicht so brennend, dass die Verständigung darüber nicht etwas aufgeschoben werden könnte; die zeitige Praxis ist erträglich, tolerari potest.

IV.
Wegen Punkt V. "kirchliche Vermögensverwaltung" ist Einverständnis zwischen Minister und Episkopat im wesentlichen erreicht.
Zu Punkt VI (die Wiedergewinnung der altkatholischen Kirchen) wird den Verhandlungen der Bischöfe über die einzelnen Fälle wohl überlassen bleiben können.

V.
Im Punkt X hatte ich gewünscht, dass nicht nur faktisch von Fall zu Fall, sondern principiell anerkannt werden solle, dass die 1821 festgesetzten und sonst pflichtmässig dem Staate obliegenden Dotationszahlungen in ihrer ziffernmässigen Höhe jedes Mal nach der Kaufkraft des Geldes berechnet werden müssten. Diese principielle, mit dem Hl. Stuhle zu stipulierende Bindung lehnt der Minister ab. Er will im Wege gütlichen Verhandelns vom Landtage die Mittel bewilligen lassen. Das ist ein grosser Mangel in den Concessionen. Bei ungüns-
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tiger Zusammensetzung des Ministeriums und des Landtages können schlimme Veränderungen entstehen. Das Ministerium aber und insbesondere wohl der Landtag wird nicht zu bewegen sein, eine principielle Verpflichtung anzuerkennen. Der Hl. Stuhl wird sich entschliessen müssen, ob er auf der principiellen Festlegung der Verpflichtung bestehen will, oder ob er wenigstens die Erklärung einer principiellen Geneigtheit vom Staatsministerium verlangen will. Der Cultusminister spricht nur von der Tatsache der jetzt erfolgten Erhöhung der staatlichen Zahlungen. Diese Erwähnung des tatsächlichen Geschehenen ist doch zu wenig. Der Hl. Stuhl wird doch wohl irgend eine principielle Erklärung vom Staatsministerium zu fordern haben, sei es jetzt sogleich, sei es in Fortsetzung seiner Verhandlungen. Notwendig ist, dass der Hl. Stuhl wenigstens einen Vorbehalt in dieser Materie mache, also schon jetzt seiner principiellen Auffassung Ausdruck gebe, dass die seither stipulierten Zahlen als Repraesentanten bestimmter Sachwerte nach dem jeweiligen Verhältnis der Sachwerte zur Valuta sich ziffernmässig zu richten haben.

VI.
Betreff meiner Punkte I (Vorbildung der Geistlichen), II (Ausschluss der Ausländer von geistlichen Ämtern), Punkt III (Besetzung der bischöflichen Stühle und Cathedral-Stellen), Punkt IV (Anzeigepflicht bei Besetzung der Pfarrstellen) darf ich auf meine früheren Schreiben Bezug nehmen und die Ent-
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scheidung dem Hl. Stuhle überlassen.

VII.
Zu Punkt VII (patronatliches jus praesentandi) bitte bei den weiteren Verhandlungen darauf zu bestehen, dass nur insoweit ein jus praesentandi bestehen bleibe, als es durch Übergang von d inglich begründeten Patronaten auf den Staat übergegangen ist, so dass es ein rein "landesherrliches" Patronat nicht mehr gibt.
Bei allen Praesentationen ist dringend zu wünschen, dass jeder Patron an den Terna-Vorschlag des Ordinarius gebunden sei.

In tiefer Ehrerbietung verbleibe
Euerer Excellenz
treu ergebenster
(gez.) A. Card. Bertram.
Empfohlene Zitierweise
Bertram, Adolf Johannes an Pacelli, Eugenio vom 22. Oktober 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 3431, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/3431. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 24.10.2013.