Dokument-Nr. 637
Faulhaber, Michael von
an Pacelli, Eugenio
München, 12. März 1923
haben mit Schreiben vom 27. Februar die Abschrift eines Briefes Seiner Eminenz des hochwürdigsten Herrn Staatssekretärs Seiner Heiligkeit mir zu übersenden die Güte gehabt. In diesem Briefe weist der Herr Kardinal-Staatssekretär den Vorwurf zurück, der Heilige Vater habe gegen die Besetzung Belgiens durch die Deutschen, nicht aber gegen die Besetzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen und Belgier protestiert. Der Erzbischof von München stimmt den Gedankengängen dieses Briefes vollständig zu. Eine objektive neutrale Beurteilung kann die Rechtslage dieser beiden Besetzungen nicht auf die gleiche Linie stellen. Für das Vorgehen der Franzosen gilt zwar: Summum jus summa injuria, aber auch für die Rechtskonstruktionen der Deutschen erinnert sich das Land der Reformation
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immer nur dann des Heiligen Vaters, wenn die deutsche Politik aus ihrer Sackgasse keinen Ausweg mehr weiss. Wenn der Heilige Vater Seine übervölkische neutrale Stellung wahren will, kann Er in der Ruhrfrage nicht mehr tun als Er in Seinem Briefe an den Herrn Kardinal-Vicar von Rom und in Seinen hochherzigen Hilfsspenden getan hat. Ausser wenn die deutsche Diplomatie Ihn offiziell als Schiedsrichter den Franzosen vorschlägt und anruft wie im Karolinenstreit.Eine Veröffentlichung des Briefes Seiner Eminenz im gegenwärtigen Augenblick könnte grosse Verwirrung stiften, weil die Geister zu erregt und in einer Massenpsychose befangen sind und weil die Rechtsdeduktionen der Paderborner Bischofskonferenz <v. 3. März>1 sich im Widerspruch mit dem Briefe befinden.
Mit dem Ausdruck tiefster Wertschätzung
Euerer Exzellenz
ehrerbietig ergeben
M. Kard. Faulhaber
1↑Hds. eingefügt von Faulhaber.