Document no. 18729
Wienken, Johann Heinrich to Pacelli, Eugenio
Berlin, 18 August 1927
Unsere vielseitigen Bemühungen, über das Vorleben des Herrn Langer und seine Lebensverhältnisse in Berlin hier nähere Auskunft zu erhalten, sind leider erfolglos geblieben. Die hochwürdige Geistlichkeit in Charlottenburg, die früheren Leiter der Charlottenburger Jugendverbände: katholischer Jungmännerverband, Neudeutschland, Quickborn usw. haben einen jungen Mann namens Langer nicht kennen gelernt. Es muss daher wohl angenommen werden, dass L. schon in früher Jugendzeit aus der Pfarrgemeinde in Charlottenburg fortgegangen ist und entweder in einer anderen Pfarrgemeinde in Berlin oder ausserhalb Berlins seine Jugendzeit verbracht hat.
Wir haben geglaubt, ohne eine besondere Zustimmung Ew. Eminenz in Kiel selbst bei dem dortigen hochwürdigen Herrn Pfarrer Dr. Gerdemann, der mir persönlich sehr gut bekannt ist, keine Erkundigungen über Herrn L. einziehen zu dürfen.
Zu der im Schreiben geäusserten Bitte des Herrn L. ihm zu helfen, dass er nach Rom reisen kann, erlauben wir uns zu bemerken, dass hier jedenfalls Zurückhaltung empfohlen werden muss. Es fragt sich, ob Herr L. bei seiner Veranlagung überhaupt geeignet ist, in einen Orden einzutreten, abgesehen davon, dass die verschiedenen Ordensgenossenschaften, wie uns aus Erfahrung
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bekannt ist, sich sehr reserviert verhalten bei Aufnahme von Personen, die schon einmal im
Kloster gewesen sind. Es müsste unter allen Umständen wohl noch genaue Auskunft über die
Persönlichkeit des Herrn L. eingeholt werden, bevor man ihm die Reise nach Rom ermöglicht.
Vor allem müsste auch geprüft werden, ob seine Absicht, nun wieder katholisch zu werden,
wirklich ernst ist. Wir haben gerade in Berlin bei Persönlichkeiten, die eine ähnliche
Veranlagung haben, wie Herr L. sie hat, immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass sie
in ihrer Charakterveranlagung sehr unstet sind, und dass ihnen die Kraft und die Zähigkeit
fehlt, einen einmal gefassten Vorsatz auch ernstlich durchzuführen.Wenn Herr L. wirklich seine Absicht, zur katholischen Kirche zurückzukehren und dann in katholischer Umgebung zu leben, ausführen will, so muss man ihm selbstverständlich helfen, dass er aus seiner jetzigen Stellung und Umgebung fortkommt. Vielleicht ist er für eine Arbeit in der Fürsorge gut geeignet. Man könnte ihm behilflich sein, dass er eine Wohlfahrtsschule besucht. Er hätte nach Absolvierung einer solchen Schule später Gelegenheit, als Wohlfahrtsbeamter (später) eine Stellung zu bekommen. Falls Herr L., wie wir annehmen, schon längere Zeit in der praktischen Fürsorge tätig ist, so könnte er vom Monat Oktober an zweckmässig an einem Nachschulungslehrgang für männliche Wohlfahrtsbeamte teilnehmen, wie sie in verschiedenen Städten Preussens eingerichtet werden. Die Ausbildung dauert dann nur vier Monate.
Es würde sich wohl empfehlen, in diesem Sinne zunächst mit Herrn L. zu korrespondieren oder aber auch ihm Gelegenheit zu geben, zu einer münd-
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lichen Rücksprache nach Berlin zu kommen. Man
könnte den Briefwechsel mit ihm in sehr direkter Form führen, sodass keine Gefahr besteht,
dass die zeitigen Vorgesetzten und Mitarbeiter des Herrn L. etwas erfahren.Falls es dem Wunsche Ew. Eminenz entspricht, dass wir vielleicht von uns aus eine direkte Verbindung mit Herrn L. aufnehmen, so stehen wir hierfür gern zu Diensten.
In tiefster Ehrfurcht
Wienken
Direktor