Document no. 10024
"Katholisch" – "vatikanisch-jesuitisch", in: Kölnische Volkszeitung, 11 July 1917
Sollte sich diese Meldung bewahrheiten, würde sie den Gedanken nahelegen, daß sich hinter Herrn Erzbergers Vorstoß am Freitag ein mit irgendwelchen Stellen seit langem abgekartetes Spiel verbirgt. Man wird sich erinnern, daß vorige Woche eine Notiz die Runde durch die Presse machte, der zufolge mit einer von „ katholischen Kreisen“ ausgehenden großzügigen Friedensaktion zu rechnen sei. Die Notiz hatte ihren Ursprung in München. /?/ Ein Dementi ist nirgends erfolgt. Ob und in wieweit Zusammenhänge zwischen all diesen Ereignissen bestehen, wird sich bald zeigen.
Diese Ausführungen des Leipziger Blattes, dem sich die Magdeburgische Zeitung (Nr. 505 vom 10. Juli9 mit der Aufwerfung der „Frage“ zugesellt, „in welchem Maße die Weltpolitik vatikanisch – jesuitischer Kreise das Verhalten des Abg. Erzberger beeinflußt habe“, dürfen nicht unwidersprochen in die Welt gehen. Die Ausführungen des Abg. Erzberger sind auf keinen Fall zurückzuführen auf irgendeine „großzügige katholische Friedensaktion“. Das Wesen des Erzbergerschen Vorstoßes zu klären , wird Aufgabe der Zukunft sein. Die Katholiken Deutschlands aber müssen aufs entschiedenste ablehnen, daß eine parlamentarische Aktion eines deutschen Zentrumsabgeordneten in dieser Weise als eine internationale katholische Unternehmung , also gewissermaßen als eine ultramontane Weltverschwörung hingestellt wird. Nichts anderes kann doch wohl das Schlagwort „vatikanisch-jesuitisch“ bedeuten. Oder könnte man sich in Magdeburg im Ernste einbilden, Abg. Erzberger habe im Sinne oder gar im Auftrage des Papstes gehandelt?! Bisher hat man in Deutschland die menschenfreundlichen Bemühungen des Papstes auf allen Seiten durchaus sympathisch zu würdigen vermocht, und dankbare Anerkennung ist ihm von allen Seiten, auch von entschiedenster protestantischer Seite, zuteil geworden. Da hat man hoffentlich noch nicht nötig, derartige, man muß nach den bisherigen freundlichen Erfahrungen doch wohl sagen: unerwartete Unterstellungen, wie sie in dem Beiwort „vatikanisch“ enthalten sein könnten, in aller Form zurückzuweisen. Die Magdeb. Ztg. hat sich da wohl nur ein Kuckucksei ins Nest legen lassen.
Die deutschen Katholiken können aus diesem Rückfall in kulturkämpferische Sitten leider ersehen, was sie auch heute noch unter Umständen zu gewärtigen haben, und wie viel Vorsicht und Zurückhaltung daher gerade sie bei „ Friedensaktionen“ oder anderen, dem Mißtrauen ausgesetzten Bestrebungen innerhalb wie außerhalb der Parlamente zu beobachten allen Anlaß haben.