Document no. 12785
Wiltberger, C.: Sache Falk. [Bonn], before 14 May 1923
"Beigeordneter Justizrat Sieberger ist in der Nacht zum Samstag von drei französ. Gendarmen aus dem Bett verhaftet und in das Militärgefängnis abgeführt worden. Ueber den Grund dieser Verhaftung schreibt uns das städt. Presseamt: Durch einen Requisitionsbefehl hatte die Besatzung die Beschaffung von Möbeln und Einrichtungsgegenständen verlangt, die für Büros der jetzt verstärkten 50. Feldeisenbahnsektion bestimmt sein sollen. Das für die Ausführung von Requisitionsbefehlen nach der Verordnung 59 der Rheinlandkommission zuständige Reichsvermögensamt hatte auf Anfrage der Stadtverwaltung unter Hinweis auf das Rheinlandsabkommen und die von den vorgesetzten Reichsbehörden ergangenen Anweisungen abgelehnt, die geforderten Gegenstände zu liefern. Die Stadtverwaltung hielt sich ihrerseits nicht befugt, den Anforderungen zu entsprechen, da die Erweiterungen der genannten Verwaltung offenbar durch das Ruhrunternehmen veranlasst ist und daher durch das Rheinlandabkommen nicht gedeckt wird [sic]. Sie hat deshalb
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die Ausführung des Requisitionsbefehl abgelehnt, wozu sie
nach den ausdrücklichen Weisungen der Reichsregierung verpflichtet war. Infolge dieser
Ablehnung ist Beigeordneter Sieberger als zuständiger Dezernent verhaftet. Weiter sind am
Samstag als Repressalie im städt. Verwaltungsgebäude Quantiusstrasse 1 mehrere
Diensträume im ersten Stockwerk mit der gesamten Einrichtung durch die französ.
Einquartierungskommission beschlagnahmt worden. In diesen Räumen bearbeitete das Wohnungsamt
und das Besatzungsamt die Einquartierungsangelegenheiten. Da die sofortige Unterbringung
dieser Dienststellen wegen des Raummangels zunächst nicht möglich ist, muss das Wohnungsamt
bis auf weiteres geschlossen werden. Der Oberbürgermeister hat gegen die Verhaftung des
Beigeordneten Sieberger und die Beschlagnahme der Diensträume schärfsten Einspruch bei den
zuständigen Besatzungsbehörden erhoben und die Verantwortung für die Folgen, die besonders
aus der Schliessung des Wohnungsamtes entstehen, abgelehnt."Herr Oberbürgermeister wurde am 26. III. verhaftet und gegen ihn Anklage erhoben, durch diese Veröffentlichung in der Presse, die Bevölkerung und die Beamten zum Widerstand gegen die Befehle der Besatzung aufgereizt zu haben.
Ohne dass Herr Oberbürgermeister vorher vernommen worden wäre, wurde Termin zur Verhandlung vor dem Kriegsgericht der 33. C. A. anberaumt auf Freitag den 27. April wozu Herr Oberbürgermeister durch sog. "citation direkte [sic]" geladen wurde.
Es wurden in der Verhandlung als Belastungszeugen vernommen, Herr Col. Bessey de Boissy und Herr Col. Chenouard, als Entlastungszeugen Herr Beigeordnete Marx, Dezernent des Wohnungsamtes. Dieser hat als Zeuge bestätigt:
1) dass 5 Räume des Wohnungsamtes beschlagnahmt worden sind nebst dem Mobiliar und zwar so, dass das Wohnungsamt für den Verkehr mit dem Publikum bis auf Weiteres geschlossen werden musste.
2) dass er dies dem Herrn Oberbürgermeister sofort gemeldet habe, und dass dieser angeordnet habe, dass unverzüglich alles geschehen soll, um die Wiedereröffnung des Wohnungsamtes für das Publikum zu ermöglichen.
3) dass eine Veröffentlichung der Schliessung des Wohnungsamtes für das Publikum seiner Meinung nach notwendig gewesen sei.
4) dass trotz Schliessung des Verkehrs für das Publikum die Beamten
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fortgefahren haben,
zu arbeiten, besonders auch für die Besatzung, dass letztere sogar ihre Anerkennung über das
geleistete ausgesprochen hat.5) dass bei der Beschlagnahme der Herr Capt. Emonet auf die Protestation des Zeugen erwidert habe, schaffen Sie uns die angeforderten Möbel, dann verlassen wir sofort wieder die Räume, wir haben Büros genug (dies war von Wichtigkeit wegen des Ausdruckes Repressalie).
Herr Oberbürgermeister hat erklärt, dass er die Pressenotiz, die er selbst nicht entworfen hat, angeordnet habe, um die Bevölkerung und die Beamtenschaft, der sich eine gewisse Erregung bemächtigt hatte, zu beruhigen und um geplante Demonstrationen dadurch zu verhindern, dass der Oeffentlichkeit davon Kenntnis gegeben wurde, dass seitens der Stadtverwaltung bereits protestiert war.
Das Urteil lautet auf
3 Jahre Gefängnis und 5 Millionen Mk Geldstrafe.
Eine Berufung gegen dieses Urteil ist gesetzl. nicht zulässig, eine Revision (wegen Formfehler) erschien aussichtslos.
Der Verteidiger
C. Wiltberger
Rechtsanwalt.