Document no. 12945
Schulte, Karl Joseph to Pacelli, Eugenio
Köln, 16 April 1924
Die Preussische Regierung ist bekanntlich ihren Verpflichtungen aus der Bulle: "De salute animarum" bisher nur in höchst unzulänglicher Weise nachgekommen. Insbesondere gilt dies auch in Ansehung der Beschaffung von Wohnungen für den Erzbischof von Köln und für die Mitglieder des Kölner Domkapitels. Während es nach der Bulle keinem Zweifel unterliegen kann, dass der Preussische Staat verpflichtet ist, zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses des Erzbischofs und der Mitglieder des Domkapitels geeignete Häuser dem erzbischöflichen Stuhl bzw. dem Domkapitel zu Eigentum zu übertragen, nimmt die Preussische Regierung den Standpunkt ein, dass die von ihr zu dem genannten Zweck in den zwanziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts dem Erzbischof und dem Kapitel übergebenen Häuser im Eigentum des Staates verblieben seien, dass der Staat sogar die freie Verfügung über diese Häuser habe und nach seinem Belieben selbst die Räumung derselben verlangen könne, wenn er nur für anderweitige, ganz seinem Ermessen anheimgegebene Wohnungsgelegenheiten sorge. Bis zu welchem Masse Erzbischof und Domkapitel bei dieser Einstellung des Preussischen Staates in Ansehung ihrer Wohnungen staatlicher Willkür ausgesetzt sind, hat sich in der Vergangenheit ins besonders während des Kulturkampfes gezeigt, als die Preussische Regie-
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rung im Jahre 1875 selbst
davor nicht zurückscheute, die Häuser des Erzbischofs und der Domkapitulare mit
polizeilicher Gewalt räumen zu lassen.Wenn es nun auch zu derartigen schweren Uebergriffen seitens des Staates in der Folgezeit nicht mehr gekommen ist, so hält die Preussische Regierung ihren vorbezeichneten Standpunkt grundsätzlich aufrecht. Es ist dies im letzten Jahrzehnt praktisch in die Erscheinung getreten bezüglich zweier an der Rechtsschule in Köln gelegener Domherrenhäuser, welche der Preussische Staat an die Stadt Köln zu veräussern beabsichtigt. Wenn es nun auch dem Domkapitel bisher gelungen ist, die Durchführung dieser Absicht durch ständig wiederholten Widerspruch aufzuhalten, so beweist doch dieser schon seit dem Jahre 1914 dauernde Streit zur Genüge, dass die rechtlichen Ansprüche sowohl des Erzbischofs wie auch des Domkapitels in Ansehung der erzbischöflichen Residenz und der Domherrenhäuser auf einem derart unsicheren Rechtsboden stehen, dass der herrschende Zustand in keiner Weise mit den Vereinbarungen der Bulle, wonach dem Erzbischof und dem Domkapitel Häuser fest bestimmt und angewiesen werden sollen, schlechterdings nicht in Einklang zu bringen ist.
Des weiteren muss darüber Klage geführt werden, dass der Preussische Staat eine Verpflichtung zur dauernden Instandhaltung der hier fraglichen Häuser grundsätzlich nicht anerkennt. Bis vor kurzem wurden für die Instandhaltung vom Staate jährliche Pauschsummen, allerdings nur ganz unzureichende, gezahlt. Im Laufe der immer weiter fortschreitenden Geldentwertung hat aber der Staat, anstatt wenigstens diese Pauschsumme entsprechend aufzuwerten, es vorgezogen, selbst diese geringfügigen Leistungen ganz einzustellen. Die ganze Instandhaltungslast ist somit zurzeit dem erzbischöflichen
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Stuhle und dem Domkapitel überbürdet.Dieser Zustand ist aber für die Dauer unhaltbar, weil es an den nötigen Mitteln fehlt.
Das Domkapitel ist daher in letzter Zeit zunächst schriftlich und sodann durch seinen Propst und seinen Syndikus persönlich wegen einer der in der Bulle niedergelegten Vereinbarungen wenigstens einigermassen mehr entsprechenden Regelung der Wohnungsfrage bei der preussischen Regierung vorstellig geworden. Die beiden Eingaben des Kapitels, von denen die eine den vorerwähnten besonderen Streitfall behandelt, während in der zweiten positive Vorschläge zu einer Neuregelung gemacht werden, folgen in Abschrift anbei; ferner ein Bericht über den Verlauf der Verhandlungen des Domkapitels mit der Regierung. Leider sind die Verhandlungen des Domkapitels bisher ergebnislos verlaufen.
Es erscheint mir dringend geboten, Eure Exzellenz als dem Vertreter des hl. Stuhles über die Untreue des Preussischen Staates in Erfüllung der Konkordatsbulle: "De salute animarum" zu informieren. Mein Domkapitel würde mit mir Eurer Exzellenz ganz besonderen Dank wissen, wenn Sie sich unserer bedrohten Kölner Interessen bei der Preussischen Regierung huldvoll annehmen wollten.
In bekannter Ehrerbietung und Verehrung bin ich
Eurer Exzellenz
ergebenster
Kard. Schulte