Document no. 12971
Polnischer Kulturkampf, in: Kölnische Volkszeitung, before 20 December 1920
Das Priesterseminar stehe unter der Leitung des Bischofs der Diözese; der Bischof allein sei deshalb auch berechtigt, die Professoren der Anstalt zu berufen und abzusetzen. Niemals habe die preußische Regierung es gewagt, einen vom Bischof ernannten Professor abzusetzen. Der polnischen Regierung blieb es vorbehalten, eine derartige Maßregel zu ergreifen.
Besonders gehässig seien dabei die Umstände, unter denen dies geschehen sei. Das Schreiben der Regierung, in welchem sie dem Domherrn seine Absetzung mitteilte, ging ihm durch den Regens des Priesterseminars zu. Die polnische Regierung halte es also nicht für nötig, sich mit dem Bischof in Beziehung zu setzen. Der Bischof werde einfach ignoriert; die polnische Regierung scheine ihn gar nicht zu kennen; für sie ist er anscheinend nicht da.
Wenige Tage später erhielt der neue Regens Dominik ein Schreiben vom polnischen Ministerium, worin ihm zu seiner Ernennung Glück gewünscht und zugleich an seine Pflichten erinnert wird, das Seminar im polnischen Geist zu leiten. Die polnische Regierung hat also den ersten Schritt auf kulturkämpferischem Weg gemacht. Sie verlangt weiter vom Regens, daß alle deutschen Inschriften im Seminar durch polnische zu ersetzen seien. Die Bekanntmachungen am schwarzen Brett dürfen nicht mehr in deutscher Sprache erscheinen, und sogar die Gebete in der Kapelle müßten polnisch sein!
Also der Regens empfängt seine Befehle und Vorschriften nicht mehr von seinem vorgesetzten Bischof, sondern von der polnischen Regierung. Der Regens wird in einem zweiten Schreiben aufgefordert, zu berichten, in welcher Sprache die Vorlesungen an der theologischen Lehranstalt gehalten werden; wieviel [sic] deutsche Kleriker der polnischen Sprache mächtig sind. Dem Regens wird endlich aufgetragen, wegen einer angeblichen Äußerung des Bischofs, die der polnischen Regierung hinterbracht worden ist, genaue Nachforschungen anzustellen und darüber Warschau zu berichten!
Dem Regens wird also zugemutet, gegen seinen vorgesetzten geistlichen Obern Angeberdienste zu leisten.
Alle drei Verfügungen des polnischen Ministeriums sind vom Dezernenten der geistlichen Angelegenheiten Dr. Noryskiewicz unterschrieben, der katholischer Priester ist und unter der preußischen Herrschaft so vaterländisch gesinnt war, daß er dafür den Roten Adlerorden erhielt.
Nun fragt der Artikelschreiber, was zu diesem Schritte der polnischen Regierung der Primas von Polen, der Kardinal und Erzbischof Dr. Dalbor, sage, und wie sich der Apostolische Nunzius [sic] in Warschau, Monsignore Ratti, zu diesen Übergriffen der weltlichen Macht in rein kirchlichen Angelegenheiten stellt?
Die deutschen Katholiken des Bistums Kulm werden gegen die Maßnahmen der polnischen Regierung den entschiedensten Einspruch erheben. Ihre Zahl ist sehr bedeutend, und sie besitzen als Kulturträger eine Macht. Die polnische Regierung geht gegen den deutschen Bischof rücksichtslos vor. Das können weder die deutschen noch die polnischen Katholiken billigen.