Document no. 13806
Schmidt, Josephine to Pius XI.
Teisbach, 23 December 1922

Eure päpstliche Heiligkeit.
Das Bischöfl. Ordinariat Regensburg nimmt in N 17 des Oberhirtlichen Verordnungsblattes S. 715 Stellung zu einer Mitteilung in N 15. u. 16. der B. Lehrerinnenzeitung vom 1. u. 16. August, betreffend Verweigerung der tägl. Kommunion einer Lehrerin. Diese Kundgebung im Oberhirtl. Verordnungsblatt steht im Widerspruch zu den Tatsachen. Demgegenüber muß erklärt werden:
1.) Im Presbyterium der Pfarrkirche stehen 2 lange Chorstühle, welche ausschließlich von der Baronin – Mutter u. 3 Kindern – benützt werden, so daß ein langer Stuhl ständig leer steht. Da nun die Schulkinder ganz dicht zusammengedrängt vor diesen Stühlen auf dem Pflaster stehen müssen, sollte dieser große Platz dadurch frei werden, daß die Stühle entfernt und die Baronin im Schiff Platz nehmen sollte. Dazu hat auch
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das Ordinariat anfänglich seine Zustimmung erteilt. Auffallenderweise wurde einige Tage später diese Verfügung umgestoßen, was selbstverständlich das Volk nicht begreifen konnte. Noch mehr Befremden erregte im Volk der Umstand, daß das Ordinariat der Baronin schriftliche Weisung erteilte, an den Stühlen – den Chorstühlen der Kirche – Schlösser anzubringen und abzusperren, was bis heute unverändert geblieben ist.
2. Neben der Kirchenverwaltung und anderen hat auch die Lehrerin an das Ordinariat geschrieben zugunsten der Kinder u. dadurch den Unwillen der Baronin erregt. Kurze Zeit später wurde der Ortspfarrer angewiesen, die Lehrerin wegen ihrer täglichen Kommunion zu zitieren. In dem diesbezüglichen Ordinariats Erlaß wurde der Lehrerin öffentliche Feindschaft zur Last gelegt u. deshalb die tägliche Kommunion untersagt.
3. Die Lehrerin ist allerdings nicht in aller Form öffentlich ausgeschlossen worden, was in dem Sinne auch nicht bebehauptet [sic] wurde, aber in der praktischen Auswirkung liegt in diesem Ordinariatsschreiben eine öffentliche Bloßstellung, denn in solch kleinen Orten kann die plötzliche Unterlassung der seit Jahren gepflogenen Gewohnheit des tägl. Sakramentenempfangs nicht ohne allgemeines Aufsehen erfolgen. Sodann mußte beim Volk die Vermutung entstehen, daß bei der Lehrerin ein schweres Vergehen vorliege, denn die öffentliche Kommunion darf doch nur öffentlichen Sündern untersagt werden.
4 Eine dritte Person mußte gehört worden sein, denn der Ordinariats-Erlaß hieß wörtlich: "Es ist
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uns zur Kenntnis gelangt, daß eine gewisse Volksschullehrerin …..<(Name)>1 zur täglichen Kommunion geht und in öffentlicher Feindschaft lebt."
Woher weiß das Ordinariat dieses?
5. Nicht eigene Zuschriften waren der Grund zu dieser Verfügung, sondern es wurde ausdrücklich als Grund "öffentliche Feindschaft" angegeben.
6. Das Schreiben war an das Pfarramt gerichtet, hatte außen und innen die Überschrift "Das Bischöfliche Ordinariat Regensburg" u. die Unterschrift Dr. Scheglmann Gen. Vik., also den offiziellen Vertreter des Bischöfl. Ordinariates. Jedermann muß das offenbar als einen Ordinariatserlaß bzw. Beschluß ansehen.
7. Nun nach einem Jahre hat das Bischöfl. Ordinariat den in das religiöse Leben eines alleinstehenden Mädchens so tief einschneidenden Erlaß als das harmloseste Ding von der Welt hingestellt. Ob seltene od: tägliche Kommunion ist hier doch nicht von Belang. Das Wesentliche an der Sache ist, daß einer treu katholischen Lehrerin die öffentliche Kommunion untersagt wurde, auf ganz einseitige Information hin obwohl ihr seit 20 Jahren kein Opfer u. keine Mühe für die Kirche u. für die kathol. Erziehung der Jugend zuviel war. Darin liegt das schreiende Unrecht.
8. Schließlich sei noch bemerkt: Die Lehrerin hat, nachdem dieser ganz u. gar ungerechtfertigte Ordinariatserlaß ihr bekanntgegeben war, dem Hochw. Herrn Bischof Antonius einen Brief geschrieben, in welchem sie den Bischof um Verzeihung bat, nicht weil sie sich einer Schuld bewußt war sondern aus Pietät gegen den Oberhirten. Sie hat den Bischof gebeten, sie wieder als treu katholisches Kind der Kirche zu betrachten und ihm versprochen, daß sie
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für ihn beten u. opfern wolle. Als Antwort darauf hat der Pfarrer vom Generalvikar eine Mitteilung erhalten worin zum Ausdruck gebracht ist daß er "bedauert" den Brief erhalten zu haben.
9. Nachdem in Ordinariats-Blättern solch unwahre u. irreführende Behauptungen aufgestellt werden, liegt die Vermutung nahe, daß auch Rom gegenüber eine derartige Entstellung der Tatsachen gemacht wurde u. unterbreite ich in vorliegendem Eurer päpstl. Heiligkeit den Sachverhalt mit der Bitte, das Ordinariat Regensburg zu veranlassen, daß auch bezüglich der Chorstühle die ganz ungerechte Rechtszusprechung an die Baronin vom Sept. 1921 zurückgenommen werde.
Da es mein Bestreben ist nach wie vor in treu katholischer Gesinnung die Ideale meines Berufes hoch zu halten u. dementsprechend auch in der Jugend zu wirken, bitte ich Eure Heiligkeit für diese Tätigkeit um den päpstlichen Segen.
Eurer Heiligkeit
Ehrerbietigste
Josephine Schmidt
Lehrerin in Teisbach
Niederbayern.
1Hds. von der Verfasserin eingefügt.
Recommended quotation
Schmidt, Josephine to PiusXI. from 23 December 1922, attachment, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', document no. 13806, URL: www.pacelli-edition.de/en/Document/13806. Last access: 04-05-2024.
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